Читать книгу Mein Leben für die Hexenkinder - Maïmouna Obot - Страница 21
Gefangen
ОглавлениеStimmen, die wie Moskitos um meinen Kopf summen, wecken mich auf. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und blicke in die Gesichter von vielen Erwachsenen und Kindern, die mich mit Fragen bombardieren: »Sag, woher kommst du? Was machst du hier? Wie heißt du?«
Die Dorfbewohner stellen die Fragen immer lauter, weil ich nicht antworte. »Bist du taub oder bist du dumm?« Verärgert beugen sie sich zu mir herunter.
»Ich heiße Hope und ich suche mein Zuhause«, sage ich leise.
»Sprich lauter! Wir verstehen dich nicht!«
Flüsternd wiederhole ich meine Antwort, doch die Leute verstehen mich wieder nicht. Ein etwa achtjähriger Junge kommt mir ganz nahe und hält sein Ohr an meinen Mund.
»Sie heißt Hope und sucht ihr Zuhause!«, ruft er triumphierend den anderen zu. Durch meinen kleinen »Übersetzer« kann ich mein Anliegen vorbringen: »Bevor ich auf der Straße wohnte, hatte ich ein Zuhause und das sah so aus wie Ikot Ifot. Ich erinnere mich aber nicht mehr genau. Ich suche meine Mama und ihr Haus.«
Die Dorfbewohner treten einen Schritt zurück, Argwohn spiegelt sich in ihren Gesichtern. »Du sagst, du hast auf der Straße gelebt, wie lange?«
Ich zucke mit den Schultern. »Lang.«
Viele der Frauen schnalzen nun abschätzig durch die Zähne. »Und deine Mama hat dich nicht gesucht? Das gibt es doch nicht! Wenn eine Mutter nicht nach ihrem Kind sucht, dann bist du vielleicht gar kein Menschenkind, sondern ein Hexenkind? Na?«
Aufgeregt reden alle durcheinander. Ich bin verzweifelt, Tränen schießen mir aus den Augen: »Ich suche doch nur nach meiner Mama!«
Nun baut sich eine ältere Frau vor mir auf und sagt: »Wir hatten hier auch solche Kinder wie dich, Hexenkinder. Wenn man euch den Teufel nicht austreiben kann, dann muss man euch töten, so einfach ist das. Die meisten Mütter sind vernünftig und übergeben euch dem Dorfgericht, aber einige setzen ihre Hexenbrut aus in der Hoffnung, dass ihr woanders überleben könnt. Deine Mutter war sicherlich eine dieser schwachen Frauen. Wir werden jetzt den Fehler, den sie begangen hat, korrigieren. Morgen, wenn unser Dorfchef wieder da ist, kommst du vors Dorfgericht.«
Ein Mann packt mich und trägt mich davon. Ich bin starr vor Angst und wehre mich nicht. Ich werde in einem leeren Ziegenstall abgesetzt, in dem es erbärmlich stinkt. Die Tür schlägt hinter mir zu, ein Schlüssel wird umgedreht. Kein Wasser, kein Licht. In einer Ecke rolle ich mich zusammen und weine mich in den Schlaf.