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Rettung

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»Hope! Hope!«

Jemand rüttelt an der Stalltür und ich schrecke aus dem Schlaf hoch. Es ist stockdunkel in dem niedrigen Stall und ich kann nicht erkennen, wer draußen vor der Tür steht.

»Hope, ich bin es, Emmanuel! Ich war heute dein ›Mikrofon‹ und habe den Leuten laut gesagt, was du geflüstert hast.« Emmanuel streckt seine Hand durch einen Spalt und tastet in die Dunkelheit hinein. »Ich bin hier, um dich zu befreien, denn sonst werden sie dich morgen töten. Das haben sie mit Bassey und einigen anderen Kindern auch schon gemacht. Der Pastor hat die Leute hier davon überzeugt, dass viele Kinder Hexen sind und man sie töten muss. Ich weiß einen Ort, wo du hinkannst. Eine von uns, Theresa, ist auch schon dort und es geht ihr gut.« Emmanuel rüttelt wieder an der Tür. »Mist, dieses Schloss ist dick und ich habe den Schlüssel nicht. So kommen wir nicht weiter. Aber vielleicht kannst du durch das Dach raus.«

Ich höre, wie Emmanuel auf das Dach des kleinen Stalls klettert und das Wellblech anhebt, das nicht angenagelt ist. Mit beiden Händen hebt Emmanuel das Dach an und ich nehme Anlauf und ziehe mich mit aller Kraft hoch. Geschafft!

Wir verschnaufen kurz auf dem Dach. Der Mond wirft sein sanftes Licht auf die Szenerie. Emmanuel trägt Shorts und einen löchrigen Pulli. Mit den Händen wedelt er in einem fort über seinen nackten Beinen, damit die hungrigen Moskitos sich nicht darauf niederlassen. »Komm, wir müssen los, der Weg ist weit.«

Die Hauptwege meidend, machen wir uns auf den Weg zur Hauptstraße. Kein Mensch begegnet uns, die Straßen sind menschenleer. Emmanuel hält die ganze Zeit meine Hand. Diese Berührung gibt mir den Trost, den Worte nicht vermitteln können.

Als der Morgen anbricht, erreichen wir einen kleinen Ort. Die ersten Okadas machen sich auf den Weg, um den öffentlichen Nahverkehr in Gang zu bringen.

»Nun ist es nicht mehr weit«, sagt Emmanuel, »da vorne das Haus, da ist es.«

Wir erreichen ein von einem hohen Zaun umgebenes großes Haus, das seine besten Tage schon gesehen hat. Emmanuel rüttelt am Zaun und ruft: »Guten Morgen! Ist jemand zu Hause? Guten Morgen, guten Morgen!«

Neben dem Haus öffnet sich die Tür eines kleinen Verschlags und ein verschlafener Wachmann tritt heraus und reibt sich erst einmal die Augen. »Was wollt ihr?«

Emmanuel schiebt mich vor sich. »Dieses Mädchen hier braucht eure Hilfe. Sie hat niemanden und in meinem Dorf wollten sie sie töten.«

Der Wachmann öffnet das Tor und bedeutet uns, uns auf die Stufen vor dem Haus zu setzen. Wartet hier, ich muss erst die Heimleitung holen.«

Emmanuel nickt. »Beeil dich aber, ich muss zurück und in die Schule, damit niemand merkt, dass ich ihr geholfen habe!«

Zehn Minuten später erscheint eine zierliche, resolut wirkende Frau im Tor und kommt lächelnd auf Emmanuel und mich zu. »Du bist ein Freund von Theresa, stimmt’s? Ich erinnere mich noch daran, wie du sie an Weihnachten besucht hast.«

Emmanuel erhebt sich. »Ja, danke, das stimmt, Miss Diana. Das ist Hope. Sie weiß nicht, wo sie herkommt, alle denken, sie sei ein verstoßenes Hexenkind. Kannst du dich um sie kümmern?«

Diana seufzt und mustert mich. »Eigentlich sind wir voll, aber für so ein kleines Stück Mensch wie dich wird sich in einem der Betten wohl noch ein Platz finden. Aber erst einmal müssen wir dich waschen und deine Klamotten fortwerfen, damit du die anderen Kinder nicht mit irgendetwas anstecken kannst. Und die Haare schneiden wir dir auch gleich.«

Dann wendet sie sich Emmanuel zu: »Du hast ein weiches Herz und es ist gut, dass du sie hierhergebracht hast. Aber ihr müsst das Denken der Leute in eurem Dorf verändern, denn ich habe keinen Platz für weitere Kinder. Wenn du das nächste Mal mit einem Kind kommst, muss ich dich vielleicht abweisen.«

Emmanuel nickt. »Danke, Miss Diana. Gott segne dich!«

Diana umarmt Emmanuel. »Und Gott segne dich, mein Junge! Komm gut nach Hause!«

Emmanuel winkt mir noch einmal zu, dann dreht er sich um und macht sich raschen Schritts auf den Weg zurück nach Ikot Ifot.

Mein Leben für die Hexenkinder

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