Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Manuel Ladiges - Страница 103

III. Rechtsschutz bei prozessualer Überholung

Оглавление

13

Da eine vorherige Anhörung des Betroffenen den Zweck vieler strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen gefährden würde, sind diese regelmäßig bereits abgeschlossen, bevor sich der Betroffene gegen sie zur Wehr setzen kann.[57] Die höchstrichterliche Rechtsprechung stand gleichwohl lange auf dem Standpunkt, dass auf eine nachträgliche Überprüfung vollzogener Ermittlungsmaßnahmen gerichtete Beschwerden (§ 304 StPO) wegen prozessualer Überholung unzulässig seien.[58] Hiervon distanzierte sich der 2. Senat des BVerfG in einem Beschluss aus dem Jahr 1997, dem Verfassungsbeschwerden gegen die Versagung von Rechtsschutz in Fällen bereits vollzogener richterlicher Durchsuchungsanordnungen zugrunde lagen.[59] Nach der mit dieser Entscheidung begründeten ständigen Rechtsprechung des Gerichts ist es zwar mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, die Befugnis zur Weiterverfolgung eines Rechtsschutzziels nach der Erledigung des Grundrechtseingriffes vom Bestehen eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses abhängig zu machen;[60] ein solches ist jedoch insbesondere in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe gegeben, die sich typischerweise erledigen, bevor der Betroffene präventiven Rechtsschutz erlangen kann.[61] Daneben kann sich das berechtigte Interesse an einer gerichtlichen Überprüfung bereits erledigter Ermittlungsmaßnahmen aus der Gefahr ihrer Wiederholung[62] oder aus einem Rehabilitationsinteresse aufgrund fortdauernder Diskriminierung ergeben (das freilich beim Beschuldigten regelmäßig mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Rehabilitierung im weiteren Verlauf des Verfahrens verneint wird[63]). Als tiefgreifende Grundrechtseingriffe im vorerwähnten Sinn kommen vor allem unter Richtervorbehalt stehende Ermittlungsmaßnahmen in Frage; dies gilt insbesondere für die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen, die schon von Verfassungs wegen (Art. 13 Abs. 2 GG) grundsätzlich das Vorliegen einer richterlichen Anordnung voraussetzt.[64]

14

Während eine Überprüfung richterlicher Anordnungen im Wege der Beschwerde gem. § 304 StPO erreicht werden kann, wird eine nachträgliche richterliche Kontrolle der Entscheidungen und des tatsächlichen Vorgehens von Beamten der Staatsanwaltschaft und des Polizeidienstes bei Ermittlungsmaßnahmen durch die (ggf. analog anzuwendende) Vorschrift des § 98 Abs. 2 S. 2 StPO ermöglicht.[65] Wenngleich die (einfache) Beschwerde gem. § 304 StPO ebenso wie der Rechtsbehelf nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO keiner Frist unterliegt, kann das Rechtsschutzinteresse nach der Rechtsprechung des BVerfG entfallen, wenn die verspätete Erhebung des Rechtsbehelfs „gegen Treu und Glauben verstößt, etwa weil der Berechtigte sich verspätet auf das Recht beruft (Zeitmoment) und unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (Umstandsmoment).“[66]

15

Umstritten ist das Verhältnis der im Jahr 2008 in § 101 Abs. 7 S. 2 StPO geschaffenen Möglichkeit zur Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes gegen heimliche Ermittlungsmaßnahmen zu den vorstehend erörterten allgemeinen Rechtsbehelfen.[67] Die Frage ist deshalb nicht nur akademischer Natur, weil § 101 Abs. 7 S. 1 StPO Rechtsschutz einerseits großzügiger und andererseits unter strengeren Voraussetzungen als die allgemeinen Regeln gewährt: Die Vorschrift verzichtet auch in Fällen prozessualer Überholung auf die Darlegung eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses, setzt für den Antrag auf gerichtliche Überprüfung jedoch eine Frist von zwei Wochen, deren Lauf mit der Benachrichtigung des Betroffenen gem. § 101 Abs. 4 StPO beginnt. Teilweise wird vor diesem Hintergrund die Auffassung vertreten, dass es sich bei § 101 Abs. 7 S. 2 StPO lediglich um eine zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeit handelt, welche die Zulässigkeit der allgemein statthaften Rechtsbehelfe unberührt lässt.[68] Da jedoch bei Anerkennung eines Wahlrechts die zweiwöchige Antragsfrist sowie die Ausgestaltung des Anschlussrechtsmittels als (ebenfalls fristgebundene) sofortige Beschwerde leer laufen würden, sprechen die besseren Gründe dafür, die Vorschrift mit der Gegenansicht in ihrem Anwendungsbereich als abschließende Sonderregelung des Rechtsschutzes gegen die in § 101 Abs. 7 StPO aufgeführten heimlichen Ermittlungsmaßnahmen einzuordnen, die insofern auch eine Sperrwirkung gegenüber den allgemeinen Rechtsbehelfen entfaltet.[69] Der Anwendungsbereich des § 101 Abs. 7 S. 2 StPO ist jedoch nach zutreffender Ansicht auf die Gewährung nachträglichen Rechtsschutzes beschränkt (vgl. auch § 101 Abs. 4 S. 2 StPO); die Sperrwirkung greift daher nicht in Fällen, in denen der Betroffene noch vor dem Abschluss der Ermittlungsmaßnahme Kenntnis von dritter Seite erlangt und Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme oder der Art und Weise ihres Vollzuges stellt.[70]

Handbuch des Strafrechts

Подняться наверх