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VIII. Beschleunigungsgebot
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Das Beschleunigungsgebot findet zwar in der Strafprozessordnung keine ausdrückliche Erwähnung, liegt jedoch der Sache nach einer Reihe von Vorschriften zugrunde, die auf eine sachangemessen zügige Durchführung des Verfahrens dringen (vgl. §§ 115, 121, 122, 128 f., 163 Abs. 2 S. 1 StPO).[356] Darüber hinaus ist das Beschleunigungsgebot in Art. 5 Abs. 3 S. 1, 6 Abs. 1 EMRK verankert;[357] das BVerfG leitet es aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), dem Fairness- und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie aus der prozessualen Fürsorgepflicht der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte her.[358] Besondere Bedeutung erlangt das Beschleunigungsgebot in Haftsachen; hierzu existiert eine detaillierte Rechtsprechung des BVerfG,[359] auf die im folgenden Kapitel näher eingegangen wird (vgl. → StPO Bd. 7: Lindemann, § 3 Rn. 68).[360] Kommt es zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung, so ist diesem Umstand nach der neueren Rechtsprechung dadurch Rechnung zu tragen, dass zur Entschädigung in der Urteilsformel ein bezifferter Teil der verhängten Strafe für vollstreckt erklärt wird.[361] Das BVerfG hat diese sog. Vollstreckungslösung, die im Schrifttum auf ein geteiltes Echo gestoßen ist,[362] unbeanstandet gelassen.[363] Gem. § 199 Abs. 3 S. 1 GVG gilt die Berücksichtigung einer unangemessenen Verfahrensdauer zugunsten des Beschuldigten als ausreichende Wiedergutmachung i.S.d. § 198 Abs. 2 S. 2 GVG.[364]
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Bedenken begegnet, dass das Beschleunigungsgebot von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zuletzt vermehrt als Argument zur Begründung von Einschränkungen prozessualer Rechte des Angeklagten verwendet wurde.[365] Im Schrifttum ist diese Vorgehensweise auf berechtigte Kritik gestoßen;[366] ihr wird – neben der grundsätzlichen Fragwürdigkeit der Umkehrung einer Prozessmaxime gegen den primär von ihr Begünstigten – zutreffend entgegengehalten, dass sich ein Strafprozess, der rechtsstaatlichen Anforderungen genügen soll, nur begrenzt beschleunigen lässt.[367] Er bedarf der konsequenten Einhaltung einer dialogischen Struktur und der Ausstattung der Verfahrensbeteiligten mit (durchsetzbaren) Antrags-, Frage- und Erklärungsrechten; denn erst die Gelegenheit, in regelgeleiteter Auseinandersetzung[368] über den verfahrensgegenständlichen Vorwurf zu streiten, vermag die abschließende richterliche Erkenntnis, die sich mit den divergierenden Sachverhaltsschilderungen in den Urteilsgründen (§ 267 StPO) auseinanderzusetzen und ihren Widerstreit zu entscheiden hat, mit einem hinreichend tragfähigen legitimatorischen Fundament auszustatten.[369] Eine besondere, die Amtsaufklärungspflicht der staatlichen Akteure komplementierende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Recht des Angeklagten zu, durch die Stellung von Beweisanträgen ein von den Annahmen der Anklagebehörde und des Gerichts abweichendes Vorverständnis in den Prozess der Sachverhaltsfeststellung einzubringen. Der enumerative Charakter der in § 244 Abs. 3 StPO normierten Ablehnungsgründe erweist sich vor diesem Hintergrund als wesentliche Stütze für den durch Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Subjektstatus des Beschuldigten.[370]