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II. Die Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege

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Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist der Ort, an welchem die im Strafprozess in besonderer Schärfe aufeinandertreffenden Interessen des Individuums und der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen und zu einem möglichst schonenden Ausgleich – die Grundrechtsdogmatik spricht in diesem Zusammenhang von der „Herstellung praktischer Konkordanz“[23] – zu bringen sind. Dabei lässt die jüngere Rechtsprechung des BVerfG eine bedenkliche Tendenz zur einseitigen Überbetonung von Strafverfolgungsinteressen erkennen, die argumentativ durch die (inzwischen zum regelmäßigen Bestandteil einschlägiger Entscheidungen gewordene) Bezugnahme auf die „Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege“ unterfüttert wird.[24] Ausdrückliche Erwähnung fand die Funktionstüchtigkeitsformel erstmals in einer Entscheidung des Ersten Senats aus dem Jahr 1972;[25] nachdem es eine Zeit lang ruhiger um sie geworden war, hat sie in der Rechtsprechung des Gerichts zuletzt eine bemerkenswerte Renaissance erfahren.[26] Gefahren für die Grundrechtspositionen des Beschuldigten ergeben sich bei einem Einsatz der Formel als Argumentationstopos im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung[27] vor allem aufgrund ihrer inhaltlichen Vagheit und Maßstabslosigkeit[28] sowie aus der Überhöhung, die sie durch ihre Fundierung in so grundlegenden Werten wie Rechtsstaatlichkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit erfährt.[29] Ihre vermehrte Verwendung in der Rechtsprechung des BVerfG leistet einer Marginalisierung der Beschuldigtenrechte Vorschub und beeinflusst das fragile Kräfteverhältnis im Strafprozess einseitig zugunsten der Strafverfolgungsbehörden.[30]

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