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Kapitel 16

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Ashwood, der Name von Barry Denhams Farm, war mit weißer Farbe auf das Holzgatter gepinselt. Und nach fast fünf Minuten Fahrt über eine ungeteerte, holprige Straße, die niedriges Gebüsch und Baumgruppen durchschnitt, tauchte endlich auf dem gerodeten Land ein größerer Gebäudekomplex auf. Rechts davon konnte man eine Landebahn erkennen an die sich links ein größerer Blechschuppen, anschloss. Als sie näher kamen, erkannte Shane vor einer Reihe von Pferdeboxen neben dem Haus Barry Denham, der ein braunes Pferd striegelte.

„Ich hab’ Sie schon viel früher erwartet“, rief Barry ihnen mit lauter Stimme zu. Barry trug eine Baseballmütze, Jeans und ein grünes ärmelloses Hemd und widmete sich wieder dem Pferd, ohne ihnen weiter Aufmerksamkeit zu schenken. Seine Bewegungen waren kraftvoll, präzise und bestimmt.

Shane verscheuchte die lästigen Fliegen.

„Mr. Denham“, begann er ohne die Sonnenbrille abzunehmen, „wussten Sie, dass es sich bei der toten Frau um Romaine Stavarakis handelte?“

Jetzt erst hielt Denham inne und sah Shane und Tamara mit seinen kieselblauen Augen an.

„Ich habe es heute erst gehört.“ Er striegelte die ohnehin schon glänzende Mähne. Sie warteten.

Ashwood war mein bestes Polocrosse-Pferd“, sagte er schließlich. „Ein Sohn von dem berühmten Doc’s Freckles Oak, der steht jetzt in Tamarang, der arme Alte. Ein feines Pferd. Stammt aus der gelungenen Vermischung von der Three Bars Blutline mit dem robusten Quarterhorse.“ Er hielt inne. „Verstehen Sie überhaupt etwas von Pferden?“

Shane lächelte. „Nein.“

Barry brummte, wirkte nicht mehr so abweisend.

„Na, jedenfalls hatte ich über die Jahre schon verdammt gute Angebote für Ashwood. Aber ich hätte ihn niemals hergegeben. Hab’ ihn vor Jahren in Dalby für ´ne ziemliche Summe ersteigert. War mein Glückstag. Sie verstehen also überhaupt nichts von Pferden, was?“

„Nein, wirklich nicht.“

„Von Polocrosse demnach auch nichts, oder?“

Ohne Shanes Antwort abzuwarten redete Barry weiter. „Ich hab’ ´ne Menge an ihm verdient. Sein Sperma hat auf `ner Versteigerung immer an die zehntausend Dollar gebracht. Und dann ist er gestürzt. Bei einem beschissenen Testspiel!“ Seine Stimme war leiser geworden, „er hat sich so verletzt, dass er tatsächlich impotent wurde.“ Er seufzte. „Ich musste ihn einschläfern lassen. Eine Operation hätte wenig Chancen auf Erfolg, sagte man.“ Er hob den Kopf und sagte nüchtern: „Ich konnte ihn weder zum Polocrosse noch zur Zucht einsetzen. Es wäre für ihn eine einzige Quälerei gewesen. Er hat Polocrosse geliebt!“ Er schob die Baseballkappe tiefer in die Stirn, „Ich muss gleich rüber in den Schuppen“, sagte er mit grober Stimme, als ob er in dem Moment ein anderer geworden wäre: „Wir haben die Schafscherer da.“

Unbeeindruckt begann Tamara:

„Ihre Frau sagt, Sie hätten ein Verhältnis mit Romaine Stavarakis gehabt.“

Barry antwortete nicht.

„Mister Denham“, sagte Shane scharf, „Sie täten gut daran unsere Zeit nicht zu verschwenden!“

Barry stemmte die Arme in die Hüften und warf ihnen einen gereizten Blick zu.

„Die Angelegenheit dauerte vier Monate. Sie hat mich verlassen, umgebracht habe ich sie deswegen nicht. Zufrieden?“

„Was war sie für ein Mensch?“, wollte Shane wissen.

Er begann widerwillig:

„Ihre Eltern kamen Ende der Sechziger aus Griechenland, von irgendeiner Insel, wo’s anscheinend nichts als Geröll und Schafe gibt.“ Er kratzte sich unter der Mütze am Kopf. „Sie machten in Brisbane ein Café auf. Die Sache ging schief. Ich glaube ihr Vater wurde krank, ihre Mutter hat das alleine nicht mehr geschafft, sie sind wieder zurück auf diese Insel. Romaine ist in Australien geblieben und hat sich mit lausigen Jobs über Wasser gehalten...“ Wieder kratzte er sich am Kopf. „Romaine war mit einem Typen zusammen, der ein Motel aufmachen wollte, dann hat er sie wegen `ner andern sitzen lassen, ist mit ihrem ersparten Geld abgehauen. Romaines Traum war ausgeträumt, übrig blieben ´ne Menge Schulden.“

„Kennen Sie ihren Cousin?“, fragte Shane.

„Sie meinen Ed, diese Flasche?“ Barry lachte geringschätzig. „Der hat sie auch nur ausgenutzt.“

„Hat sie Ihnen das gesagt, oder woher wissen Sie das?“

„Erzählt hat sie’s mir. Hat sich immer über ihn beschwert.“ Barry blinzelte in die Sonne. „Ich habe sie mal gefragt, warum sie ihn nicht einfach rausschmeißt.“

„Haben Sie von einem George gehört, Romaines Freund?“, fragte Tamara.

„George?“ Er stutzte, schüttelte dann langsam den Kopf, „nee, kann mich nicht erinnern.“

„Nehmen Sie manchmal Zuckertüten mit?“, fragte Shane.

„Was?“

„Kleine Tütchen mit Zucker, die in Cafés rumliegen.“

„He, was soll das?“ Barry Denham blickte von Tamara zu Shane und wieder zurück. „Ich kauf’ meinen Zucker im Supermarkt. In großen Packungen. Reicht das, oder wollen Sie vielleicht noch den Beleg?“

„Wann haben Sie Romaine zum letzten Mal gesehen?“, wollte Shane wissen.

„Keine Ahnung mehr, nein, kann mich wirklich nicht erinnern“, sagte er knapp.

„Weshalb hat Romaine Sie verlassen?“

Barry sah ihn einen Moment an, entschied sich dann doch, auf Shanes Frage zu antworten. „Sie fand wohl doch keinen Geschmack am Farmleben.“

„Oder verließ sie Sie, weil Sie ihr kein Geld gaben?“ Shane machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu:

„War es eigentlich eine richtige Affäre oder nur Sex?“

Barry schnaubte verächtlich.

„Herrgott noch mal. Ihr Bullen seid doch alle gleich!“

„Was haben Sie am vorletzten Samstag gemacht?“

„Wurde sie da umgebracht?“

„Das wissen wir noch nicht.“

„Aha, jetzt geht’s also um mein Alibi?“

„Mister Denham...“.

Barry schnaufte hörbar, sein linkes Auge zuckte.

„Bin wie üblich aufgestanden, hab’ nach den Pferden gesehen, um zehn oder elf bin ich zum Einkaufen...“

„Wohin?“

„Das wollen Sie auch wissen?“ Er holte Luft. „In diesen Laden in Chinchilla, an der Ecke auf der Hauptstraße. Hab im Pub nebenan ´en Sandwich gegessen, so um drei bin ich wieder heim. Um sieben oder so bin ich wieder in den Pub. Sie können den Wirt fragen.“

„Danke, Mister Denham. Wir würden gern noch ihr Reifenprofil abgleichen.“

„Abgleichen? Worauf wollen Sie hinaus?“

„Routine, reine Routine. Guten Tag, Mister Denham.“

„Romaine scheint ja ziemlich berechnend gewesen zu sein“, bemerkte Tamara als sie auf die Piste einbog. In den Scheiben sah Shane, dass Barry ihnen nachblickte, dann verschluckte ihn eine gelbe Staubwolke.

„Inzwischen gibt es schon einige, die ein Motiv hatten, Romaine zu töten“, redete Tamara weiter, „Jane wollte sich vielleicht rächen und ihr altes Leben zurück, Barry hat sich von Romaine gedemütigt gefühlt, weil sie ihn verlassen hat.“

„Vergiss Alan Hall nicht“, warf er ein. „Immerhin hat ihn Romaine um zwanzigtausend Dollar betrogen.

Tamara wirkte nachdenklich und bis zur Polizeistation redeten sie nichts mehr miteinander.

Im Büro holte er sich eine kalte Cola aus dem Automaten im Vorzimmer. Tamara vertiefte sich in die Protokolle und Berichte. Man hatte keine Blutspuren im Büro und in der Umgebung des Safes im Earl’s gefunden. Die Theorie, dass Romaine beim Ausräumen des Safes von jemandem überrascht und dort umgebracht worden war, hatte sich so gut wie erledigt. Romaine musste also woanders getötet worden sein. Vielleicht in ihrem Auto. Doch ihr weißer Toyota Kombi war wie vom Erdboden verschluckt. Mike Paradabar, der Schriftenexperte im Brisbane-Headquarters, war noch nicht dazu gekommen, den Zettel Sorry. Romaine mit den Schriftproben zu vergleichen, die sie aus Romaines Zimmer mitgenommen hatte. Er vertröstete Shane auf den nächsten Tag.

Herb kam in ihr enges Büro und ließ sich mit seinem schweren Körper auf einen Stuhl fallen.

„Ich überlege schon die ganze Zeit, ob dieser Fall nicht doch mit dem vor einem Jahr zusammenhängt. Ich habe Ihnen doch am ersten Abend von dieser verschwundenen Frau erzählt. Erinnern Sie sich?“

„Sie wollte zu ihren Eltern, oder?“

„Ja.“

Shane dachte darüber nach. Wollte Herb sich wichtig machen?

„Wieso kommen Sie darauf, Herb?“

Herb faltete die Hände ineinander, drehte sie nach außen und ließ die Gelenke knacken.

„Der Fall ist mir nur sofort eingefallen.“

„Okay, Herb“, entschied Shane, „dann möchte ich einen kompletten Bericht über diesen Fall.“

Herb sprang auf.

„Kein Problem, kriegen Sie!“

Shane lehnte sich in seinem wackligen Bürostuhl zurück und dachte über die nächsten Ermittlungsschritte nach. Hatte Eliza nicht Romaines Zahnprothese erwähnt? Er nahm ihren Bericht zur Hand. Richtig. Die oberen vier Schneidezähne fehlten und wurden durch eine an die Eckzähne angehängte Prothese mit Gaumenstück ersetzt. Jeder Zahnarzt wird sich an eine solche Arbeit erinnern, hatte Eliza geschrieben.

„Tamara, was hältst du davon, wenn du dich mal um Romaines Zahnarzt kümmerst. Ich möchte gern wissen, ob Romaine vielleicht von jemandem die Zähne ausgeschlagen bekommen hat.“

Es war kurz nach drei Uhr. Noch immer Montag. Er fühlte sich erschöpft, hungrig und durstig. Seit zwei Stunden hatte er Kopfschmerzen. Ich sollte etwas essen, dachte er, doch das Telefon klingelte und eine Frauenstimme behauptete, sie habe eine wichtige Aussage zu machen.

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