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Kapitel 18

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Die Anruferin hieß Wendy Brown. Sie war Kassiererin im Supermarkt an der Hauptstraße in Chinchilla. Shane war sofort dorthin gefahren und stand nun einer sehnigen Mittvierzigerin gegenüber, deren kurzes, kupferrotes Haar, wie Igelborsten abstand. Sie berichtete, dass Romaine Stavarakis am vorletzten Samstag bei ihr eingekauft hatte. Wendy erinnerte sich aber noch an etwas anderes: in dem Moment, als Romaine bei ihr an der Kasse zahlen wollte, war Barry Denham hereingekommen.

„Es war zehn nach elf. Das weiß ich mit Sicherheit, weil ich die Kassenrolle auswechseln musste, und da hab’ ich auf die Uhr gesehen.“ Sie sprach schnell ohne Luft zu holen. „Ich bin ein Zahlenfreak, ich merk mir jede Zahl, die mir unter die Augen kommt!“ Sie griff in einen Karton und wedelte mit einer Gurke. „Mein Hirn sagt dazu nicht: Gurke, sondern fünf-eins-null-null-drei, die Codeziffer, oder Bananen fünf-eins-null-vier-null, oder Paprika sechs-eins-null-null-vier ...“ Sie grinste, „das ist der Code, verstehen Sie, und ...“

„Haben sich Romaine und Barry gesehen?“, unterbrach sie Shane. Sie ließ die Gurke wieder in den Karton fallen.

„Darauf können Sie Gift nehmen! Haben sich direkt in die Augen gestarrt. Er ist dann nach hinten im Laden verschwunden, und sie ist ziemlich nervös geworden.“

Warum hatte ihm Barry diese letzte Begegnung mit Romaine verschwiegen? Verdrängung? Angst, tiefer in die Sache reingezogen zu werden? Er müsste also wieder auf Barrys Farm.

Inzwischen war es fast vier. Über dem Asphalt flirrte die Hitze. Shane hatte alle Fenster heruntergekurbelt. Fliegen brummten innen an der Frontscheibe, begriffen nicht, dass sie dort nicht ins Freie kamen. Das grelle Licht ermüdete ihn trotz der Sonnenbrille. Draußen, das ewig Gleiche: die Straße, der Busch, Papageien, hin und wieder Gegenverkehr oder ein Auto, das sich nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung von hundertzehn Kilometern hielt und ihn überholte. Er fand die Einfahrt zur Farm, musste aussteigen, das Gatter öffnen, es nach dem Hindurchfahren wieder schließen. Fünfzehn Minuten staubige Piste, ein totes Känguru und ein totes Rind, dann war er endlich da.

Auf sein Klopfen an der Haustür öffnete niemand. Hatte Barry nicht etwas vom Schafscheren gesagt? Etwa einen Kilometer entfernt, so weit er das richtig abschätzte, reflektierte das Blechdach eines großen Schuppens in der Sonne. Dort parkte Shane den Dienstwagen neben drei zerbeulten Autos.

Hinter einem Zaun sah er Schafe, zusammengedrängt vor einer Rampe, die hinauf in den Schuppen führte. Staub legte sich auf seine Zunge. Schwitzend stieg er eine rohe Holztreppe hinauf und stand in einem riesigen, zur Treppe hin offenen Raum. Dort verpackte ein bulliger Typ mit Hilfe einer Presse Wolle in große, quadratische Ballen, beschriftete sie mithilfe einer Schablone mit dem Namen Ashwood und einer Ziffer und rollte sie unter erheblichem Kraftaufwand zu den anderen Ballen, die bereits an einer Wand des Wellblechschuppens lehnten. Gegen das Dröhnen von Maschinen fragte Shane den Mann nach Barry Denham. Der Mann zeigte in den hinteren Teil des Schuppens. Shane betrat durch einen Gang einen Raum, in dem sich auf der einen Seite lange Tische befanden, an denen Frauen Wolle sortierten, und auf der anderen Seite hintereinanderliegende Boxen angeordnet waren, in denen jeweils ein Schafscherer ein Schaf schor. Ohrenbetäubender Lärm von schwirrenden Ventilatoren und surrenden elektrischen Schermessern, mit denen die etwa fünfzehn Männer hantierten, erfüllte den Schuppen und Shane fragte sich, wie man es den ganzen Tag in diesem Lärm und dieser Hitze ertragen konnte. Ganz zu Schweigen von den Strapazen der körperlichen Arbeit. Die Schafscherer klemmten sich ein Schaf zwischen die Beine, rasierten mit den von der Decke hängenden elektrischen Messern in möglichst wenigen Zügen das gesamte Fell bis auf die nackte, weiße Haut. Einer der Scherer hatte gerade einem Schaf eine Schnittwunde zugefügt, aus der dunkelrotes Blut troff. Ein magerer, hochgewachsener Junge mit einem pickligen Gesicht kehrte die Wolle zusammen, hob sie auf und warf sie auf den langen Tisch, an dem sie Frauen in atemloser Geschwindigkeit je nach Qualität in verschiedene Behälter sortierten.

„Suchen Sie jemand?“, schrie eine Stimme.

Sie gehörte einem gedrungenen, glatzköpfigen Mann, dem der Schweiß in Strömen über das tiefbraune Gesicht lief und sein kanarienvogelgelbes Hemd getränkt hatte.

„Ja, Barry Denham!“

„Der ist draußen!“ Der Mann deutete auf eine schmale Treppe, die hinunter ins Freie führte. „Da drüben, bei den geschorenen Schafen!“

Inmitten weißer, nackter Schafe, entdeckte Shane Barry, der mit einem Farbeimer in der einen und einem Pinsel in der anderen Hand, jedem geschorenen Schaf einen blutroten Strich auf den Rücken malte. Von fern drang noch der Lärm der Rasierer und Ventilatoren heran. Shane ging an einer anderen Schafherde vorbei, die, noch voller Wolle, darauf wartete, in den Schuppen hinaufgetrieben zu werden und rief nach Barry. Der drehte sich überrascht um.

„Sie haben wohl `en Narren an mir gefressen, was?“, rief er Shane zu.

Der Hund, der kläffend um die Schafe herumsprang, schnupperte an Shanes Beinen.

„Sieht ganz so aus, Barry“.

Barry fuhr fort, rote Striche auf die nackten Schafrücken zu pinseln. Shane sah ihm noch einen Moment zu, dann sagte er:

„Also, Barry, wie war das mit Romaine? Warum haben Sie gelogen?“

Barry malte unablässig weiter, während der Hund bellte, nach einzelnen Schafen schnappte, die sich dann hastig und ängstlich an die anderen drückten, manchmal sogar mit einem Satz mitten in der Menge Zuflucht suchten. Schließlich steckte Barry den Pinsel in den Farbeimer und schob die schweißgetränkte Baseballkappe aus der Stirn. Er mied Shanes Blick.

„Ich frage mich, Barry, ob Sie einen Grund hatten, uns das Treffen mit Romaine im Supermarkt zu verschweigen. Oder haben Sie es ganz einfach vergessen? Wie ging es weiter, nachdem Sie Romaine am Samstag getroffen haben?“

Barry schluckte und sagte schließlich:

„Wir haben uns noch mal auf dem Parkplatz getroffen.“

„Und?“

„Was und?“

„Barry, beantworten Sie einfach meine Frage! Ich will wissen, was zwischen Ihnen und Romaine an diesem Samstag war! Vielleicht konnten Sie es nicht ertragen, Barry, dass sie nichts mehr von Ihnen wissen wollte. Vielleicht sind Sie mit ihr irgendwohin gefahren. Und vielleicht hat sie sich gewehrt und dann haben Sie ihr irgendwas auf den Kopf geschlagen. Aus Wut.“

Barry wurde rot. Abrupt stellte er den Eimer ab. Rote Farbe spritzte über seinen Schuh und auf die Erde.

Dann gab er zurück:

„Kommen Sie wieder, wenn Sie Beweise dafür haben, Detective! Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe!“ Shane warf ihm noch einen Blick zu, dann drehte er sich um. Er ging außen am Schuppen vorbei und schwang sich über den Bretterzaun. An seinem Wagen lehnte eine Gestalt.

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