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Diagnose ~ oder Irrglaube?

Der Haarverlust kam zurück! Der erste Schub sollte mich wohl nur auf das vorbereiten, was sich bald im größeren Ausmaß zeigte (mit dem Weg in die Selbstständigkeit und enormer Verantwortung für ein mittelständisches Unternehmen, stellte sich bald ein zweiter Schub ein). Rückblickend sollte das wohl so passieren, hatte ich doch aus den Vorboten meine Lehren nicht erkannt.

~ Krankheiten des Körpers sind ein Hilferuf der Seele. Und meine Seele bat um Heilung meiner uralten Ängste. ~

Im Jahr 1998 folgte der besagte zweite Schub des Haarausfalls, nur diesmal radikaler. Mein Haar wurde dünner, die Kopfhaut sichtbarer und mein Inneres angreifbar.

~ Und plötzlich wirkte auch sie wieder in mir, diese uralte Angst, wieder etwas zu verlieren. ~

Schönes Haar ist nicht nur schmückender Kopfschmuck und verleiht uns Selbstwert, es hat auch eine Schutzfunktion. Es dient uns als Wärmeschutz und sorgt dafür, dass unsere weiche Kopfhaut bei Kälte nicht friert. Haare schützen unsere Kopfhaut auch vor mechanischen Einwirkungen, bspw. bei Kopfverletzungen.

Wir konsultierten einen Hautarzt in Gifhorn, welcher sich auf diesem Gebiet spezialisiert hatte. Er schlug ein altes Lehrbuch der Medizin auf und konfrontierte mich mit einer Diagnose, der ich bis heute eher skeptisch gegenüberstehe.

~ Der Auslöser meines Haarausfalls musste ein anderer sein, das spürte ich damals schon. ~

Pseudopelade Broque hieß das nun also, was mich plötzlich so kahl aussehen ließ. Und was sollte ich nun mit dieser Erkenntnis anstellen, mit einer Diagnose die pseudo war – also einer, die es eigentlich gar nicht gibt (pseudo ~ nicht echt)?!

Die Pseudopelade Broque ist eine seltene Haaranomalie mit Beginn im Erwachsenenalter. Kennzeichen sind weiche, unregelmäßig begrenzte, fleischfarbene Alopezie-Areale an der Kopfhaut, vor allem an Schläfen und Scheitel, ohne follikuläre Hyperkeratose oder perifollikuläre Entzündung.

Quelle: https://www. orpha. net/consor/www/cgi-bin/Disease

Auf das mir verschriebene Medikament Dapson reagierte ich mit so starken Nebenwirkungen, dass ich es absetzen musste.

~ Mein Körper wollte dieses giftige Zeug nicht! ~

Daraufhin wurde mir eine Lösung zum Auftragen auf die Kopfhaut verschrieben. Die sollte ich über einen längeren Zeitraum von mindestens drei Monaten auftragen. Diese Flüssigkeit roch extrem chemisch und beißend, sodass mir bereits beim Öffnen der Flasche die Augen tränten. Ich war skeptisch. Außerdem brannte das Zeug extrem auf der Haut. Jeden Abend musste ich meinen gesamten Kopf damit einreiben. Ich zog dazu Handschuhe an und hätte eigentlich noch eine Schutzbrille für meine Augen gebraucht.

~ Intuitiv spürte ich bereits, dass diese Lösung mir nicht guttat. ~

Einmal tropfte während dieser Prozedur etwas in mein Auge.

Es brannte furchtbar und ich beendete diese sinnlose Aktion. Dieses Experiment, mein Haar zu retten, scheiterte damit ebenfalls.

Irgendwie war auch klar, dass es nicht wirkte, denn mir fehlte der Glaube an dieses Medikament.

Es kam die Zeit, da hatte ich von den fragenden Blicken der Leute genug und lehnte mein Spiegelbild immer mehr ab. Ich wollte keine weiteren Untersuchungen mehr über mich ergehen lassen und fand für mich eine lebenspraktische Lösung. Ich kaufte Haarersatz!

~ Und damit war der Weg geebnet, mich immer mehr von mir selbst zu entfernen. Die Perücke gab mir eine andere Identität. ~

Dass ich mir damit erneut eine Maske aufsetzte und mein wahres Wesen vor den Menschen verbarg, wurde mir erst viel später bewusst. Doch ich lernte mit ihr zu leben und sie passte sich allen Herausforderungen bestens an. Ich konnte fast alles mit ihr tun und musste auf nichts verzichten, außer auf mich selbst!

Bis ich mich für die volle Sichtbarkeit entschied, ein Leben ohne Masken, sollte es noch ein langer Weg sein.

Im Laufe der Jahre hatte ich mich mit meinem Haarverlust abgefunden, denn meine Alternative war optisch gesehen weitaus besser. Was da aber in meinem Inneren geschah, erreichte mich noch nicht, denn meine Aufmerksamkeit war überall anders, nur nicht auf meinen Körper gerichtet. Der hatte zu funktionieren!

~ Ich verstand immer noch nicht, wie sehr mein Körper mich brauchte!~

Heute habe ich eine eigene Erklärung für meinen Haarverlust gefunden, der dem Bild einer Entwurzelung ziemlich nahe kommt. Alle stresserzeugenden Gedanken haben meinen Körper so sehr geschwächt, dass er sich in Form dieser Erkrankung Ausdruck verschaffte. Ich konnte diesen Zeichen damals noch nicht folgen.

Dieses Gefühl, der Heimat entwurzelt zu sein, spüre ich heute immer noch. Doch heute macht es mich nicht mehr einsam. Denn viel später erst verstand ich, dass ich alles, was ich suchte, nur in mir selbst finden konnte. Ein Zuhause in meinem Herzen.

Und damit hörten diese Stressgedanken auf, in mir zu wirken.

» Wir haben mit dem Wegfall der DDR etwas verloren, was wir nie besessen haben. «

- REGINA SCHEER


» Die Entwurzelung ist bei Weitem die gefährlichste Krankheit der menschlichen Gesellschaft. Wer entwurzelt ist, entwurzelt. Wer verwurzelt ist, entwurzelt nicht. Die Verwurzelung ist vielleicht das Wichtigste und meistverkannte Bedürfnis der menschlichen Seele. «

- SIMONE WEIL, 1909-1943

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