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Raubbau am eigenen Körper

~ Ich habe lange Zeit später, als ich etwas zur Ruhe kam, mein Leben skizziert und ein Bild gesehen, das dem einer EKG-Kurve sehr ähnlich war. Daran konnte ich erkennen, welchen enormen Herausforderungen ich standgehalten hatte. ~

Im Jahr 2014 machten sich erste Anzeichen von Krankheit auf körperlicher Ebene bemerkbar, verursacht durch Ängste, Sorgen, ein Übermaß an Verantwortung, aber auch durch fehlende Freude. Mein Kopf konnte nicht mehr abschalten und ich verfiel in ständiges Grübeln und Planen. Verspannungen, Kopfschmerzen und Schwindelgefühle waren die Folge. Anfangs glaubte ich, diese Symptome nicht ernst nehmen zu müssen. Ich sagte mir damals: Das kann ein guter Physiotherapeut wegmassieren. Das funktionierte auch gut, zumindest eine Zeit lang. Nur die Abstände dazwischen reduzierten sich. Das Barometer auf meiner Überforderungsskala stieg weiter an. Und irgendwann waren der Spannungsschmerz, das ständige Herzrasen und die Kurzatmigkeit meine ständigen Begleiter.

~ Unser Körper merkt sich alles, denn er ist von Natur aus gesund und möchte diesen Zustand beibehalten. Daher schickt er uns so lange Symptome, bis wir uns um den Kern des Ganzen kümmern. ~

Erkennen wir das nicht, folgen weitere Symptome, aus denen sich dann schlimme Krankheiten entwickeln können.

Mein Körper sandte mir weitere Botschaften in Form von Krankheiten. Ich beobachtete zunehmend, dass mich ein lästiger Juckreiz überkam, nachdem ich gewisse Lebensmittel zu mir nahm oder mal wieder zu lange gearbeitet hatte. Tagsüber lenkte die Arbeit mich davon ab. Doch richtig gemein wurde es am Abend, wenn mein Körper endlich in seine Ruhe finden wollte. Dann brach dieser Juckreiz aus und nahm mir den erholsamen Schlaf, den ich so dringend gebraucht hätte.

Diesem Karussell des Lebens versuchte ich irgendwie standzuhalten. Damals fühlte ich mich völlig erschöpft. Ich brauchte Hilfe. Mir wurde immer klarer, dass ich meinen Mitarbeitern nicht mehr lange die toughe Chefin sein konnte, die sie in den vielen Jahren als Rückendeckung hinter sich spürten.

~ Am liebsten hätte ich mich in einer einsamen Hütte irgendwo in den Bergen verschanzt. Mir war alles zu laut! ~

Mein Kopf wollte Ruhe und Stillstand, er konnte nichts mehr aufnehmen. Konnte ich anfänglich meine Kraftlosigkeit noch einigermaßen überspielen, war mir zu Hause mittlerweile jedes Telefonat oder Gespräch mit Freunden zu viel. Ich sorgte mich darum, wie es wohl weiterging, falls ich noch schlimmer erkrankte, und regelrechte Panik überfiel mich bei diesen Gedanken.

Ich fühlte Unruhe und Angst in mir aufsteigen. Diese Angst war neu, denn bisher vertraute ich meinem Körper, auf den ich mich immer verlassen konnte. Doch zunehmend stellten sich Reizbarkeit und Erschöpfung ein, sodass ein Achtstundentag plötzlich ziemlich lang werden konnte. Meine Freude an der Arbeit war nicht mehr die gleiche, doch die Menschen, mit denen ich arbeiten durfte, gaben mir die Kraft zum Durchhalten. Mittlerweile hatte ich auch meinen Wohnsitz verändert und mir damit eher unfreiwillig einen Arbeitsweg von knapp 100 km am Tag auferlegt. Meine Tochter hatte den Umzug 2012 nicht mitgemacht. Sie entschied sich, bei ihrem Vater zu wohnen, um der Schule damit näher zu sein. Nun wechselte der Modus und ich sah sie nur noch an den Wochenenden.

~ Für die damalige Zeit, als ich mich im Grunde nur noch um mich selbst kümmern konnte, war das einerseits sehr unterstützend für mich. Doch die Sorge, ob es ihr dort wirklich gut ging, begleitete mich stets. Ein Mädchen inmitten der Pubertät braucht seine Mama. ~

Hätte ich diese Verantwortung für die Firma nicht gehabt, wäre ich längst irgendwo in der Stille abgetaucht. Das war der sehnlichste Wunsch, den ich damals hatte. Ich spürte, dass es irgendwann soweit sein würde und ich meinen Koffer nehmen kann. Der Gedanke fühlte sich so befreiend an. Doch bis dahin sollte es noch etwas dauern.

Und dann kam dieser Nachmittag, an dem sich ein Körpergefühl in mir ausbreitete, was ich so bisher nicht kannte. Ich saß auf meinem Bürostuhl und mich überkam ein sonderbares Gefühl von Schwäche.

~ Mir wurde schwindelig, meine Kopfhaut begann zu kribbeln und in meinem Mund schmeckte es abscheulich sauer. Mein Kopf war wie vernebelt. Was war das? ~

Ich hatte sofort den Impuls, mich auf den Boden zu legen. Glücklicherweise stand meine Bürotür offen, sodass ich rechtzeitig Hilfe herbeirufen konnte. Ich weiß noch genau, wie ich diesen Zustand heruntergespielt habe, um meine Mitarbeiter nicht zu beunruhigen. Zu diesem Zeitpunkt war unsere Personaldecke sehr dünn und Ausfälle konnten wir uns nicht leisten, denn das Tagesgeschäft lief 24 / 7, rund um die Uhr. Also lief auch ich weiter, getrieben und wie ferngesteuert. Ich übernahm seit Monaten neben den administrativen Arbeiten viele Aufgaben im Verkaufsraum und Kassenbereich. Das operative Geschäft forderte meine ganze Kraft.

Mein Zusammenbruch wiederholte sich in den nächsten Wochen mehrmals, ich war körperlich total erschöpft.

~ Doch meine inneren Antreiber und die Verantwortung für meine Firma waren so stark, dass sie mich immer wieder aufstehen ließen. ~

Ich hatte seit Jahren keine Stellvertretung mehr, die mich, wie in den ersten Jahren, gut unterstützte. Es war einfach nicht möglich, jemanden zu finden, der bereit war, ein Stück Verantwortung mit mir zu teilen. Die Kunden und Umsätze stiegen rasant und die Anzahl der Mitarbeiter verringerte sich. Das Volumen an Aufgaben war sehr groß und neues Personal fühlte sich bereits während der Einarbeitungsphase von den Tätigkeiten überfordert. Also arbeiteten wir fleißig, ohne Unterstützung weiter, mein viel zu kleines Team und ich. Jeden Tag aufs Neue.

Ich fand mich plötzlich in einer Lebenskrise wieder, verbunden mit Angst, Hilflosigkeit und Traurigkeit. Und dabei war ich doch die Unbesiegbare, die immer wieder Aufsteherin, von der alle sagten: Du machst das schon! Ich fühlte diese Suche nach endlich irgendwo Ankommen immer stärker. Ich wusste, dass ich dieses Leben so nicht mehr wollte. Wie es allerdings sein sollte, das neue Leben, das wusste ich (noch) nicht. Doch es musste noch was anderes geben als den gegenwärtigen Zustand im Hamsterrad. Ich war fortwährend in Aktion, im Handeln, Denken und Tun, im Organisieren und Planen, und das unter ständiger Kontrolle meiner Zeit.

Besonders gut war ich im Voraussehen des Schlimmsten und habe mir zur Vermeidung dessen immer Plan B zurechtgelegt. Das bedeutete viel Stress für meine Seele und für meinen Körper.

~ Wenn der Mensch die Sprache der Seele, seine innere Stimme überhört, weil er ständig im Tun ist, dann wird sein Körper zu ihm sprechen, in Form einer Erkrankung. ~

Dachte ich auch öfter daran, meine Karriere an den Nagel zu hängen, überrollte mich sofort die Sorge, was ich stattdessen tun sollte. Das Grübeln half mir nicht weiter, stattdessen kostete es mich Kraft. Ich wusste, ich hatte zu lange aus meinen eigenen Ressourcen heraus gearbeitet und nicht ausreichend für mich selbst gesorgt. Ich hatte vergessen, meine Kraftquellen wieder aufzutanken. Dieser Körper, aus dem ich bisher meine ganze Kraft schöpfen konnte, war nur noch müde. Und ich verinnerlichte immer mehr, auch durch die klaren Worte meines Hausarztes, dass ich so nicht weitermachen konnte.

~ Mein Körper ist das Wichtigste, was ich habe, und darum muss ich mich in erster Instanz selbst kümmern. ~

So konsequent wie ich das jetzt, nach einigen Jahren niederschreibe, war ich damals leider nicht. Vielleicht kennst du das? Wenn der Schmerz mal nicht spürbar ist, vergisst man rasch, gut für sich zu sorgen. Und es gab ja auch hin und wieder Tage, an denen mein Körper funktionierte, mein Geist präsent war und einfach alles super lief. Doch unser Körper braucht die Aufmerksamkeit jederzeit, genauso wie gesundes Essen, frisches Wasser und ausreichend Schlaf.

~ Auf mich wartete etwas Neues, ich folgte meiner inneren Stimme und machte mich auf den Weg. ~

Alles ist in mir

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