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10.Jet Propulsion Laboratory – JPL (Pasadena, Kalifornien, USA) – 14. September, 12:05 Uhr Ortszeit
ОглавлениеDie US-Flagge auf dem Hauptgebäude wehte unruhig im Wind. Stärker als für diese Jahreszeit üblich stieg der Westwind vom Pazifik hinauf zu den San Gabriel Bergen im Norden des Geländes und verstärkte sich zu einer frischen Brise. Auf dem Campus des Forschungsinstituts bewegten sich zu dieser Tageszeit nur wenige Menschen. Die Wenigen eilten hektisch zwischen den Gebäuden hin und her. In den Laboren nahmen der Forschungsbetrieb und die Entwicklungsarbeiten ihren gewohnten Lauf. Seit Jahrzehnten generierte das Jet Propulsion Laboratory neues Wissen über den Weltraum, das Sonnensystem und die Erde selbst. Und es entwickelte Instrumente, um Planeten, Monden, Asteroiden und Kometen möglichst nahe Besuche – meist Vorbeiflüge, im Idealfall sogar Landungen – abzustatten. In den 1930er Jahren war das Jet Propulsion Laboratory als Erprobungsinstitut für Raketenantriebe gegründet worden und hatte sich zu einer der angesehensten Raumfahrteinrichtungen der Welt entwickelt. Auf dem 72 Hektar großen Gelände westlich des Mount Wilson wurden Raumsonden und Satelliten entwickelt und gebaut, darunter sämtliche NASA-Missionen. Die größten Erfolge waren die unbemannten Mondlandemissionen in den 1960er Jahren, die beiden 1977 gestarteten Voyager-Sonden, die die äußerste Grenze des Sonnensystems lange hinter sich gelassen hatten und die Marsmissionen, deren spektakuläre Bilder es regelmäßig in die Abendnachrichten schafften. Neben den vorwiegend wissenschaftlichen Aufgaben arbeitete das Jet Propulsion Laboratory als Teil des California Institute of Technology auch an streng geheimen Projekten für das Pentagon und andere staatliche Einrichtungen der Vereinigten Staaten. In der für diese Zwecke abgeschirmten militärischen Abteilung im fünften Stock des zentralen Verwaltungsgebäudes stand General Lionel F. Hamilton am Fenster seines Büros. Der vier-Sterne General war für die Koordination von Sondermissionen von Air Force und NASA verantwortlich und hatte als einer von wenigen Militärangehörigen ein eigenes Büro in Pasadena. In seinen Verantwortungsbereich fielen die mit strengster Geheimhaltungsstufe versehenen Aufgaben einer zehnköpfigen Gruppe von Spezialisten, deren Expertise – so hofften die wenigen überhaupt nur in die Existenz dieser Abteilung Eingeweihten – niemals zum Einsatz kommen musste. Die Aufgabe der Ingenieure, Physiker, Raketen- und Waffenexperten bestand in der Abwehr von extraterrestrischen Bedrohungen sowie der geheimen Koordination der zu ihrer Umsetzung erforderlichen Maßnahmen.
Lionel Hamilton schaute bewegungslos und mit flachen Atemzügen auf das Sternenbanner, das auf dem Dach des Hauptgebäudes gegenüber wehte. Vor seinem inneren Auge liefen noch einmal die Ereignisse der vergangenen Monate ab. Zusammen mit seinen Leuten – es waren die Besten, mit denen er in seiner langen Laufbahn bei der Air Force zusammengearbeitet hatte – hatte er in wenigen Wochen das Konzept der komplexen Mission erarbeitet. Die Tage hatten mehr als sechzehn Stunden gehabt, Wochenenden gab es keine. Wochenlang hatten sie das Gelände in La Canada Flintridge nicht verlassen. Wieder und wieder hatten sie die unterschiedlichsten Szenarien durchgespielt und den Großrechner mit den Daten zur Simulation der Missionen gefüttert. Schließlich waren sie an einem Punkt angelangt, an dem die Umsetzung beginnen musste und sie sich für eine Strategie zu entscheiden hatten. Damals, Ende Mai, hatten sie sich in einem Besprechungsraum eingeschlossen und in quälend langen zweieinhalb Tagen das zu realisierende Missionskonzept verabschiedet. Zu viele Optionen waren zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bewertet und zu viele Unwägbarkeiten noch nicht analysiert und abschließend beurteilt. Doch die Zeit lief davon. Nach fast 48 Stunden, in denen sie ununterbrochen an einer Lösung gearbeitet hatten, hatte sich Lionel Hamilton schließlich gegen alle Bedenken seiner Leute durchgesetzt. Er hatte eine Entscheidung getroffen. Die meisten seiner Leute waren erleichtert, sich nach dem zermürbenden Abwägen von Chancen und Risiken der unterschiedlichen Optionen endlich auf einen konkreten Plan zu konzentrieren. Nach seinem Besuch im Weißen Haus Anfang April hätte er es niemals für möglich gehalten, nach so kurzer Zeit zu einem Ergebnis zu kommen. Doch der Direktor der NASA hatte nicht zu viel versprochen, als er ihm sofort nach seiner Rückkehr aus Washington, seine besten Männer und Frauen für dieses Projekt zugesagt hatte. Für sie tat es Lionel Hamilton am meisten leid.
Nach den Momenten des Nachdenkens drehte er sich um und ging zu seinem Schreibtisch an der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Er setzte sich auf den lederbespannten Schreibtischsessel. Dann öffnete er seinen Füllfederhalter und setzte seine Unterschrift mit wenigen, über Jahre eingeschliffenen Schwüngen unter das Minuten zuvor handschriftlich verfasste Dokument. Er faltete den Bogen fein säuberlich zusammen und steckte ihn in ein zuvor bereitgelegtes Kuvert, das er anschließend mit der angebrachten Gummierung sorgsam verschloss.
General Hamilton atmete noch einmal tief durch und öffnete dann die unterste Schublade seines Schreibtisches. Dort deponierte er den Briefumschlag.
Unter einem Stapel Papier im hinteren Teil der Schublade zog er eine Beretta M9 mit Schalldämpfer hervor. Er überprüfte die Munition im Magazin und entsicherte die Waffe. Zuletzt richtete er seinen Bürosessel exakt im rechten Winkel zur Tischplatte aus und legte den nach schräg oben weisenden Lauf der Waffe in seinen Mund. Noch einmal zog er die Luft tief in seine Lungen und schloss die Augen. Auf dem Gang vor seiner Bürotür hörte er Schritte schnell näherkommen. Wenige Augenblicke später öffnete sich die Bürotür.