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Definition: Lernen

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Lernen ist ein Prozess, bei dem es zu überdauernden Änderungen im Verhaltenspotenzial als Folge von Erfahrungen kommt.

Lernen ist der Prozess, in dessen Folge es zu einer Änderung eines Verhaltenspotenzials kommt. Von einem Potenzial und nicht vom Verhalten selbst wird gesprochen, weil sich das Produkt des Lernens (das Lernergebnis) nicht notwendigerweise unmittelbar in einem konkret beobachtbaren Verhalten niederschlagen muss (obwohl ein solcher Niederschlag zur leichten Feststellung des sichtbaren Lernerfolgs sehr hilfreich ist). Dass gelernt wurde, kann sich auch in zukünftigen Handlungen oder Verhaltensweisen noch zeigen. Der Prozess des Lernens unterscheidet sich von anderen Veränderungsprozessen (wie z. B. Reifungs- oder Degenerationsvorgängen) wesentlich dadurch, dass er unmittelbar an Erfahrungen gebunden ist.

Uneinheitlich sind allerdings die Auffassungen darüber, was genau diesen Lernprozess ausmacht, was genau eine überdauernde Änderung von Verhaltenspotenzialen – also das Produkt oder Ergebnis des Lernprozesses – charakterisiert und welche Art von Erfahrungen geeignet sind, den Lernprozess auszulösen.

Ungeachtet der durchaus kontroversen Sichtweisen zu diesen Fragen ist der vorangestellten Definition des Lernens aber zu entnehmen, dass Lernen nicht denkbar ist ohne eine besondere Instanz, in der die Ergebnisse von Lernprozessen konserviert werden – also einem Gedächtnis. Obwohl in der Lernforschung zeitweise die Ansicht vertreten wurde, dass Lernen auch ohne Gedächtnis funktionieren könne (so z. B. von John B. Watson, dem Begründer der behavioristischen Lerntheorie), sind sich Lernforscher spätestens seit der sogenannten Kognitiven Wende darin einig, dass jeder Lernprozess auch von einer mentalen Veränderung begleitet wird, die in irgendeiner Form das Lernergebnis konserviert und dauerhaft sichert.

So weit zu den Gemeinsamkeiten psychologischer Vorstellungen darüber, was Lernen ist. In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels sollen nun die wichtigsten und bis heute einflussreichen Auffassungen über Lernen dargestellt werden. Unsere Auswahl ist dabei notwendigerweise selektiv. Das ist schon allein aus Gründen der Darstellungsökonomie erforderlich. Bereits in den 1960er Jahren benötigten Hilgard und Bower (1966) für einen kompakten Überblick damals diskutierter Theorien des Lernens ein zweibändiges Werk, und seither sind eine Vielzahl neuer Erkenntnisse hinzugekommen (z. B. Anderson, 2000; Baddeley, 1998). Auf eine detaillierte Darstellung einzelner Lerntheorien wird deshalb völlig verzichtet. Stattdessen wird ein übergeordnetes Kategorienschema (Auffassungen über Lernen) gewählt, um zu beschreiben, welche Aspekte von Lerntheorien unter der Perspektive einer Nutzung in pädagogischen Situationen von besonderer Bedeutung sind. Vier grundlegende Auffassungen über Lernen werden dabei unterschieden: erstens, dass Lernen durch die Bildung von Assoziationen zwischen Sinneseindrücken und Handlungsimpulsen oder zwischen Reizinformationen zustande komme ( Kap. 1.1); zweitens, dass Lernen im Wesentlichen als Verhaltensänderung auf der Basis der operanten Konditionierungsgesetze zu beschreiben sei ( Kap. 1.2); drittens, dass Lernen im Wesentlichen als Erwerb deklarativen, prozeduralen und konditionalen Wissens als Folge mentaler Verarbeitungsprozesse im menschlichen Informationsverarbeitungssystem charakterisierbar sei ( Kap. 1.3); und viertens, dass sich Lernen am besten als eine individuelle Konstruktion von Wissen infolge des Entdeckens, Transformierens und Interpretierens komplexer Informationen durch den Lernenden selbst beschreiben lasse ( Kap. 1.4).

Um keine falschen Hoffnungen zu wecken: In den Teilabschnitten dieses Kapitels kann es nicht darum gehen, eine umfassende, für die Optimierung individuellen Lernens geeignete Theorie zu skizzieren. Eine solche Theorie haben wir nicht anzubieten. Denn trotz äußerst fruchtbarer Weiterentwicklungen der pädagogisch-psychologischen Lernforschung, die auch in den nachfolgenden Kapiteln 2 und 3 skizziert werden, gilt noch immer die von Hilgard und Bower vorgenommene Einschätzung:

Die Konstruktion einer völlig zufriedenstellenden Lerntheorie wird wahrscheinlich noch auf lange Zeit eine unvollendete Aufgabe bleiben. (Hilgard & Bower, 1966/1970, S. 29)

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