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Lebensmittelwerbung

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Marketing und Werbung spielen eine nicht geringe Rolle dabei, wenn Konsumentinnen und Konsumenten nach Produkten greifen, die weder besonders gesund noch gut verträglich sind. Die warme Tasse Kakao an einem deprimierenden Regentag, Karamellbonbons vom Großvater oder der spritzige Aperitif mit Freunden im Straßencafé: Dass wir Nahrung und Getränke mit Emotionen und Erinnerungen verbinden, macht sich die Lebensmittelwerbung häufig zunutze, indem sie die Produkte mit einem bestimmten Ambiente und Erlebnisqualitäten verknüpft. Was als „Wohlfühlnahrung“ oder „Soul Food“ angepriesen wird, ist oft energiereich und schnell sättigend (und kann dadurch tatsächlich beruhigend wirken).

Ein Großteil der täglichen Werbung entfällt auf Lebensmittel – und gerade aufwändig hergestellte und ungesunde Produkte werden besonders stark vermarktet: die knackigen Chips in der neuesten Geschmacksrichtung, die fluffige Pizza mit extra Käse, der noch cremigere Schokopudding – das Marketing suggeriert, dass die Verarbeitung Geschmack und Genuss immer weiter verbessert.

Besonders perfide sind die Marketing-Methoden der Lebensmittelindustrie bei Produkten, die sich gezielt an Kinder wenden: Wurst in Bärchenform gepresst, vergoldete Waffelsternchen zum Joghurt, lustige Spielzeuge als Zugabe. Das Angebot an industriellen Lebensmitteln für Kinder besteht zu einem großen Teil aus Snacks und Süßigkeiten. So warnt die Verbraucherorganisation foodwatch: 90 Prozent der Lebensmittel und Getränke, die für Kinder beworben werden, enthalten zu viel Fett, Salz und Zucker.39 Dabei sind in Deutschland 15 Prozent der Kinder übergewichtig, sechs Prozent gelten als adipös (fettleibig).40 Einer der Gründe dafür ist die Fehlernährung: Kinder nehmen zu viel Süßes, fettige Snacks und Fleisch zu sich, trinken zu viel zuckerhaltige Getränke. Unverarbeitete pflanzliche Nahrung wie Obst und Gemüse kommen dagegen zu kurz.

Die Lebensmittelwerbung trägt über die diversen Kommunikationskanäle gezielt dazu bei, dass Kinder neugierig auf die Industrieprodukte werden und sie probieren wollen. Die Fähigkeit, die Werbebilder und -botschaften einzuordnen, untersuchte 2013 eine Studie mit österreichischen Grundschulkindern. Dabei zeigte sich, dass deren Kompetenz, mit Lebensmittelwerbung umzugehen, nicht allein von ihrem Alter abhing. Faktoren wie ihr Gewicht, ihre Körperwahrnehmung, das Selbstbewusstsein und die üblichen Ernährungsgewohnheiten der Kinder spielten dabei ebenfalls eine Rolle.41

Zahlreiche medizinische Fachgesellschaften bis hin zur WHO fordern deshalb, dass an Kinder gerichtetes Marketing nur für gesunde Lebensmittel erlaubt sein sollte.

Fazit: Lebensmittel werden aus ernährungsphysiologischen, psychologischen, sinnlichen, kulturellen und vielen anderen Gründen gewählt. Daran zeigt sich, wie komplex die Faktoren sind, die unsere Ernährung, unsere Gesundheit und ernährungsbedingte Krankheiten bestimmen. In den Industrienationen nehmen die Unzufriedenheit mit dem eigenen Essverhalten sowie ernährungsbedingte Erkrankungen und Essstörungen zu. Neben dem Gesundheitsaspekt bestimmen viele weitere Faktoren unsere Nahrungsauswahl und unser Essverhalten – so auch das zunehmende Angebot, die industrielle Verarbeitung und die Bewerbung von Lebensmitteln. Verbraucherinnen und Verbraucher sind mit einer großen Menge an Produkten konfrontiert, denen es aber teilweise an Qualität fehlt und die natürliche Prozesse wie Hunger und Sättigung aushebeln können.

Das eigene Maß

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