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Snack to go – vom Dauerfuttern
ОглавлениеDer Geruch frischer Croissants oder eine appetitanregende Werbung: Nicht selten wird der Impuls zu essen spontan ausgelöst. In unserer gegenwärtigen Esskultur sind Speisen und Getränke praktisch permanent verfügbar – im gut gefüllten Kühlschrank zu Hause ebenso wie an Imbiss-Ständen oder in Fast-Food-Läden. Selbst Tankstellen bieten rund um die Uhr Schokoriegel und warme Gerichte an. Die Zahl der Menschen, die angaben, spontan zu essen, stieg von 2009 bis 2019 von 24 auf 34 Prozent.54 Statt fester Mahlzeiten wird immer mehr zwischendurch gegessen, auch wenn das ständige Naschen für den Stoffwechsel eine Belastung ist. Praktisch ununterbrochen könnten wir mit einem Kaffeebecher, einem Pizzastück, einem Smoothie oder einem Bagel durch die Gegend laufen. Durch das allgegenwärtige Angebot gewöhnen wir uns daran, uns beim Essen eher nach einem spontanen Verlangen zu richten als nach körperlichem Hunger.
„To go“, „Take away“, „Ready to eat“ – unter diesen modern klingenden Begriffen reagieren Gastronomie, Lebensmittelindustrie und Werbung auch auf eine wachsende Zeitnot in der Bevölkerung. Denn im Alltag ist unsere Ernährung oft von Eile geprägt: Rasch wird ein Fertiggericht erwärmt, ein belegtes Brot vor dem Bildschirm gegessen.
Da Einkaufen und Zubereitung viel Zeit kosten können, entstehen neue Produkte und Dienstleistungen: Küchenmaschinen, die wiegen, schneiden, garen und sich hinterher selbst reinigen. Vorkonfektionierte Kochboxen mit allen Zutaten und entsprechenden Rezepten, beworben beispielsweise für Berufstätige oder Mütter. Oder sogenanntes „Convenience-Food“ – also bequeme, vorgefertigte Nahrung –, von Tiefkühlpizza bis „Frühstückscerealien“. 2020 setzten die Hersteller damit rund 4,1 Milliarden Euro um.55 Bringdienste von Restaurants oder Supermärkten boomen ebenfalls: rund 3,4 Milliarden Euro gaben die Deutschen dafür im Jahr 2018 aus – mit steigender Tendenz.56 Diese Angebote im Ernährungsmarkt reagieren natürlich zum einen auf die Entwicklungen unserer Zeit und den Bedarf, der sich daraus ergibt. Zum anderen tragen sie auch selbst zur Beschleunigung bei, indem sie die Abläufe rund ums Essen – einen geplanten Einkauf, eine bewusste Nahrungszubereitung und eine Mahlzeit in ruhiger Atmosphäre – noch verkürzen.