Читать книгу Fachdidaktik für die Grundschule - Marianne Häuptle-Barceló - Страница 18
1.2.4 Erziehungsstile
ОглавлениеDie Herkunft der Kinder, ihre Familien- und ihre soziale Situation weisen einen deutlichen Zusammenhang mit der zu Hause praktizierten Erziehung auf. Die dritte Frage lautet also: Mit welchen Erziehungsstilen einschließlich der Erziehungsziele und der familiären Erwartungen werden die Weltbürgerkinder des 21. Jahrhunderts groß?
Erziehungsstile gehören zu den Standardthemen jeder Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, Grundschullehrkräften sowie Pädagoginnen und Pädagogen. Darunter werden Methoden, Grundsätze und theoretische Hintergründe verstanden, die vor allem bei der Erziehung zu Hause, aber eben nicht nur dort, angewendet werden.
Die klassische Dreiteilung unterscheidet zwischen autoritärem, sozial-integrativem/demokratischem und dem Erziehungsstil des laissez faire. Es gibt fließende Übergänge und Varianten, wenn von einem autoritativen, kommunikativen, egalitären, flexiblen, permissiven, verwöhnend-verzärtelnden, vernachlässigenden und negierenden Erziehungsstil gesprochen wird. Zum einen verdeutlicht diese Aufzählung die Vielfalt an Erziehungsverhalten, denen Kinder in ihren Elternhäusern ausgesetzt sind, zum anderen muss hinzugefügt werden, dass es wohl keinen Erziehungsstil gibt, der in Reinform praktiziert wird, und dass erzieherisches Verhalten sozusagen quer zum Sozialstatus verläuft. Es besteht keineswegs eine lineare Entwicklung von einem eher autoritären Erziehungsstil in den einkommensschwachen Gruppen hin zu einem eher demokratischen Verhalten in den oberen Sozialmilieus. Ebenso wenig herrscht autoritäres Verhalten nur in türkischen Familien vor.
Der Begriff der demokratischen oder sozial-integrativen Erziehung verweist darauf, dass bereits im Elternhaus, abhängig vom Erziehungsstil, erste Grundlagen des sozialen Verhaltens gelegt werden. Ob Kinder gelernt haben, Rücksicht zu nehmen, kooperativ und hilfsbereit zu sein oder sich solidarisch zu verhalten, lässt eindeutige Rückschlüsse auf die häusliche Erziehung zu. Wer wenig Zuwendung erfahren hat oder links liegen gelassen wurde, entwickelt eher egoistische Verhaltensweisen und Durchsetzungsstrategien.
Verallgemeinernd lässt sich zu den Erziehungsstilen feststellen, dass mit dem Wegfall der auf der elterlichen Autorität basierenden Erziehungsvorstellungen in vielen Familien oder familienähnlichen Partnerschaften eine große Verunsicherung eingekehrt ist. Pädagogische Ratgeber, populärwissenschaftliche Publikationen, „Fragen Sie Frau Brigitte“-Tipps oder Fernsehdiskussionen zur Erziehung haben Hochkonjunktur. Mit ihren einander oft widersprechenden Aussagen und den rasch wechselnden Hinweisen tragen sie keinesfalls zur Beruhigung fragender und Hilfe suchender Eltern bei. Deshalb wundert es nicht, dass „Alleinerziehende […] überproportional häufig Hilfen zur Erziehung“ erhalten (Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e. V. 2014, 11). Ihre Unsicherheit und auch die Schuldgefühle berufstätiger Mütter, die sich nicht genug um ihre Kinder kümmern können, werden mit Nachgiebigkeit kompensiert. Diese falsch verstandene Zuwendung geht meist mit Inkonsequenz und dem Mangel, keine Grenzen zu setzen, einher.
In den Ein-Kind-Ehen und in den Familien der Ober- und Mittelschicht spielt das Kind zunehmend eine große Rolle. Es erfährt mehr Zuwendung und Beachtung bis hin zum Phänomen der overprotection, was die kindliche Entwicklung zur Eigenständigkeit hemmt und zugleich mit einer hohen Erwartungshaltung an Leistungsfähigkeit verbunden ist. Diese Erziehungshaltung hat sich in den letzten Jahren derart verstärkt und verbreitet, dass dafür der Begriff der „Helikopter-Eltern“ geprägt wurde: Eltern, die das Kind kreisend überwachen – bis hinein in die Universität. Überehrgeizige Eltern überfordern nicht selten ihre Kinder, spornen sie zu Höchstleistungen an und tun alles ihnen Mögliche, um die akademische Karriere schon während der Grundschulzeit vorzubereiten. Die Zeit dieser Kinder ist mitunter so verplant wie die eines Erwachsenen, mit dem sie dann auch die Stresssymptome teilen, für deren Bekämpfung nicht selten leichtfertig zu Medikamenten gegriffen wird.
Im Gegensatz dazu erleben und erleiden Kinder in unterprivilegierten, d. h. finanzschwachen und anregungsarmen Milieus, eher eine Vernachlässigung bis hin zur Verwahrlosung. Wenn in solchen Familien mehrere Belastungsfaktoren zusammenkommen, darunter Armut, eine zerstörte Familie, psychotisches Verhalten eines Elternteils und beengte Wohnverhältnisse, werden langfristige Entwicklungs- und Verhaltensstörungen als fast unvermeidlich angesehen (Nelles 1999, 9). Andererseits berichtet Donata Elschenbroich (2002, 53) aus der Resilienzforschung von der erstaunlichen Unverwundbarkeit vieler Kinder in bedrückten Verhältnissen.