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Im Überlebensmodus gefangen

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Sobald wir ins Fühlen kommen, verlassen wir den einengenden Geist und verbinden uns über den Körper mit dem Moment. Bist du allerdings in deinen Gedanken verstrickt, bist du vom Körper, vom aktuellen Moment und vom Leben abgeschnitten. Dein Denken besteht aus vielen Fragmenten, kleinen Bruchstücken und Themen, die alle gleichzeitig und wie wild hin und her aktiviert werden. Es ist wie ein Raum, in dem hundert Leute gleichzeitig reden, aber keiner dem anderen zuhört, geschweige denn, dass einer zu Ende reden darf. Jedes Thema, jede Geschichte, jede Person, jeder Ort, jede Erledigung, jedes Problem und jedes Objekt in deinem Leben hat ein eigenes Areal in deinem Gehirn. Im Zustand des zwanghaften Denkens feuerst du ein Areal an, springst dann wahllos zu einem anderen, von dort zum Nächsten, wieder zurück zum Ersten, dann zum Vierten, zum Sechsten, zum Zweiten und so weiter und so fort. Du bist nicht in der Lage, einen Gedanken in Ruhe zu durchdenken, weil alles im Chaos gleichzeitig feuert. Du bist wie ein Hund an einer Kreuzung, der versucht, allen Autos, die vorbeifahren, hinterherzujagen, ohne eins davon zu erwischen. Das Witzige ist: Selbst wenn der Hund ein Auto erwischen würde, so würde er gar nicht wissen, was er damit soll. Er will nur jagen, nicht fangen.

Diese Unordnung in deinem Geist sorgt für Stress. Stress ist Anspannung und Druck. Du kannst das förmlich im Körper spüren, wie dieser sich anspannt. Die Zähne beißen sich zusammen, weil wir das, was wir mental durchkauen, auf körperliche Weise ausdrücken. Der Körper folgt jedem Signal des Gehirns, weil er macht, was der selbsternannte Chef sagt. Doch ganz von unserem Denken eingenommen, spüren wir unseren Körper nicht mehr. Sind wir völlig in Gedanken vertieft, leben wir in einer erdachten Welt. Die Inhalte des Denkens sind damit beschäftigt, die Zukunft vorherzusagen, Pläne zu entwickeln, wie man diese Zukunft aufbauen, anschieben, erzwingen, kontrollieren, beeinflussen und gestalten kann. Dabei wechselt der denkende Geist nicht nur von einem Thema zum Nächsten, von einer Person zur Nächsten, vom Job zum Partner, von der To-do-Liste zum nächsten Termin, sondern auch von der Zukunft zur Vergangenheit und wieder zurück. Die Vergangenheit ist dabei ein wichtiges Hilfsmittel des Verstandes, die Zukunft vorwegzunehmen. Sie bildet den Erfahrungsschatz des Verstandes. Und was er dort erlebt hat, nimmt er als Schablone, um sich in eine gewünschte Zukunft zu bewegen. Suchen wir nach Lösungen, scannen wir unsere Vergangenheit nach Dingen ab, die uns schon einmal bei einer ähnlichen Situation geholfen haben. Haben wir etwas gefunden, gehen wir wieder über in die Zukunft und versuchen eine Prognose zu erstellen, wie sich diese mit unserer gewählten Strategie entwickeln könnte. Haben wir keine Lösung, gerät unser Verstand nur noch mehr in Aufruhr und warnt uns. Er findet nun allerhand Material, welches uns zeigt, wo wir bereits gescheitert sind, und projiziert es ebenso in eine mögliche Zukunft. Nun aber in eine dunklere, angstvolle Zukunft. Da unser Verstand das Problem lieber mag als die Lösung, labt er sich natürlich lieber an dem zweiten, dem angstvollen Zustand. Selbst auch auf dem Weg der Lösungssuche ist er immer auch damit beschäftigt, nach Fehlern und möglichen Gefahrenquellen zu suchen. Damit er das, was jetzt geschieht, auch ordentlich auswerten kann, nutzt er das Jetzt dazu, weiter in seinem vergangenen Erfahrungsschatz zu wühlen und Prognosen für eine mögliche Zukunft zu erstellen. Es ist, als würdest du die Straße entlanggehen und dein Hund neben dir rennt immer ein paar Meter voraus, dann wieder drei Meter zurück und wieder zehn Meter vor, nur mit dem Unterschied, dass du glaubst, der Hund zu sein, während der Körper an der Leine hängt und in jede Richtung mitgeschleift wird.

Deine Aufmerksamkeit liegt komplett auf der äußeren Welt und den Dingen, die sie bereithält. Du bist vollkommen im Überlebensmodus gefangen, weil du ausschließlich damit beschäftigt bist, die Welt nach Gefahren zu durchsuchen, nach Dingen, die dich bedrohen könnten. Du empfindest eine unterschwellige Angst und versuchst dich zu retten, indem du angestrengt nach Auswegen suchst. Diese erhöhte Wachsamkeit engt deinen Fokus ein. Du bist konzentrierter und viel anfälliger für kleine Zuckungen im Gebüsch, hinter dem du den dich tötenden Tiger vermutest. Du bist in einer körperlichen Bereitschaft, sofort zu handeln. Es ist, als würde ein Kampf bevorstehen. Das siehst du vielleicht nicht so, aber dein Körper versteht es nur auf diese Weise. Denn er kennt nur Anspannung oder Entspannung, On oder Off, Gas und Bremse, Kampf und Flucht oder Ruhe und Regeneration. Dein Körper reagiert in Mini-Stress-Situationen auf die gleiche Art und Weise, wie im härtesten Kampf: Er erhöht den Blutfluss, vor allem in Armen und Beinen. Das Blut holt sich dein Körper aus dem Bauchraum und hemmt somit Verdauungs und Reparaturprozesse und schwächt dein Immunsystem, genauso wie die Libido, die nicht nur für Fortpflanzung und Sex verantwortlich ist, sondern auch für deine Freude, Kreativität und dem Genuss am Leben. Du kannst dich jetzt nicht ausruhen und das Leben genießen, weil dieses Problem vor dir erst gelöst werden muss, wobei »vor dir« in den allermeisten Fällen nur in deinem Kopf stattfindet. Es ist nur die Geschichte, die dein Kopf um die Situation herum ausschmückt. Die Situation selbst ist nicht das Problem, sondern nur die Story deines Wolfes, die sich darum dreht, was alles passieren könnte.

Damit das Blut stärker fließt, erhöht sich dein Herzschlag. Das Herz fängt an, schneller, wilder und unrhythmischer zu schlagen. Die Atmung beschleunigt sich und wird flacher, das heißt, du atmest nun in den oberen Brustkorb und nicht mehr in den Bauch. Das Zwerchfell wird hart, der Bauch spannt sich an sowie die Oberschenkel, Gesäß, Kiefer, Schultern und Arme. Dein Körper macht sich bereit zu kämpfen, zu fliehen oder sich zu verstecken. Was bei einer akuten Bedrohung noch normal und hilfreich ist, ist im normalen Alltag eine Bedrohung für unsere Gesundheit. Wenn auch oft nur leicht und unterschwellig, so ist immer eine erhöhte Grundanspannung vorhanden, die uns von unserer Lebenskraft und Freude abschnürt. Der Hahn ist immer leicht zugedreht und das Wasser der Lebendigkeit tröpfelt nur langsam heraus. Diese körperliche Unruhe nimmt das Gehirn weiter auf und verstrickt sich tiefer in seine ungeordneten Gedankenprozesse. Dein gesamter Organismus ist im Ungleichgewicht. Wir haben keine Möglichkeit zu entspannen, da der Feind in unserem Kopf sitzt und wir permanent auf ihn reagieren und uns ständig in Stress versetzen. Doch wir halten diesen Zustand für normal, weil wir uns so sehr daran gewöhnt haben, dass wir gar nichts anderes mehr kennen und deshalb nicht meinen, es sei ein Problem. Doch wer sagt das? Der Wolf. Warum? Weil das alles der Wolf ist und er sich selbst nicht für das Problem hält. Für ihn sind es immer die anderen, die Umstände und das Leben selbst. Nur dann, wenn er merkt, dass all sein »Wenn-und-Aber«, all seine Wut und sein Widerstand nichts bringen, dann richtet er sich gegen sich selbst und gibt sich die Schuld. Das ist der Punkt, an dem du dir selbst sagst, dass du nichts taugst, nichts kannst, nicht würdig bist.

Doch warum macht der Wolf das? Weil er nicht anders kann. Er braucht die Angst, weil er aus Angst besteht. Er braucht die Probleme, er braucht einen Feind, einen Gegner, etwas, wogegen er sein kann. Er sagt, er sei für etwas, aber er nutzt das, wofür er ist, nur aus, um sich dadurch gegen etwas stellen zu können. Er braucht diese ganze Welt der Teilung, der Trennung, des Mangels, des Schmerzes und des Stresses. Und du bist Teil seiner Welt. Er ist wie ein Parasit, der den eigenen Wirt ausnutzt, nur um zu überleben. Ganz egal, ob der Wirt stirbt. Er ist wie ein Virus. Nicht der Virus Mensch, sondern der Virus Wolf. Es geht nicht um dich, sondern um dieses erschaffene Bild deiner Selbst, welches dich innerlich auffrisst, klein hält und jeglichen Versuch, dich deinem Leben und deiner Größe gänzlich zu öffnen, sabotiert.

Der Schattenwolf in dir

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