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Im goldenen Käfig eingesperrt
ОглавлениеJeder Gedanke bedeutet einen hohen Energieverbrauch. Dein Gehirn verbraucht allein durch das Denken die meiste Energie. Und obwohl unser Organismus darauf aus ist, Energie einzusparen, um diese für seine Regeneration zu nutzen, und obwohl unser Verstand uns eigentlich nur vor Gefahren schützen will, damit wir in dem dafür notwendigen Ruhemodus verweilen können, so ist die Sucht des Denkens der eigentliche Auslöser dafür, dass wir uns eben nicht in diesem Ruhemodus befinden. Wir sind zu dem geworden, vor dem wir uns beschützen wollten. Wir kennen das bereits aus vielen Superhelden-Filmen beim Kampf um Gut und Böse: Mit einer eigentlich guten Absicht nutzte der Bösewicht allerdings die Mittel, die ihn erst zum Bösewicht machten. Deshalb ist Anakin Skywalker zu Darth Vader und Arthur Fleck zum Joker geworden. Ihre Absicht war eine Gute, doch sie verbanden sich mit dem Bösen. Statt sich mit dem, was sie wollten, auseinanderzusetzen, betrachteten sie immer nur das Böse, also das, was sie nicht wollten. Sie lernten das Böse in und auswendig kennen und füllten somit ihren Erfahrungsschatz an, aus dem sie dann die notwenigen Mittel zogen, sich ihre Wunschzukunft aufzubauen. Auge um Auge heißt die Devise, was wiederum heißt, dass der Versuch des Wolfes, die Gefahr zu vertreiben, dem Versuch gleicht, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Vom Regen also in die Traufe. Am Ende hast du zwei Parteien: das Böse und den, der das Böse beseitigen will – beide unterscheiden sich nicht mehr nach außen hin. Nur das, was sie sich einreden, wofür sie meinen zu stehen, ihr Glaube und ihre Überzeugungen sind unterschiedlich. Aber die Mittel und Wege sind die Gleichen.
Somit wurde aus deinem Wunsch, ein glückliches Leben zu führen, nun der Weg, den Stress zu suchen, um sich gegen ihn zu wehren. Der Wolf ähnelt typischen Helikopter-Eltern, die ständig um ihr Kind kreisen, aus Angst, ihm könnte etwas geschehen. Eigentlich wollen sie, dass es dem Kind an nichts fehlt, aber »wollen« entspringt immer aus der Angst. Und gerade deshalb erreichen sie das Gegenteil. Sie sperren ihr Kind in einen goldenen Käfig und wollen ihm weismachen, es wäre nur für sein Wohl. Das Kind selbst kennt nichts anderes und gewöhnt sich an diesen Knast. Genauso wie du dich an dein eigenes errichtetes Gefängnis gewöhnt hast. So sehr, dass du gar keine andere Welt mehr, keinen anderen Zustand kennst. Für dich ist das die Freiheit, die du kennst. Und dein Versuch, Freiheit zu erlangen, indem du das Böse bekämpfst, würde dennoch nur dazu führen, dass du, selbst wenn du das Böse besiegt hättest, wieder Böses auf der Welt generieren müsstest, weil du es so gewohnt bist. Ohne das Böse hättest du keine Aufgabe mehr. Du weißt nicht, wie du das Gute herstellst, sondern nur, wie du das Böse besiegst.
Wie willst du das Paradies erschaffen, wenn du nur das Böse bekämpfst? Kampf und Gegenwehr sind der einzige Grund, warum du dich vom Paradies getrennt fühlst. Du bist gegen jemanden, wehrst dich und kämpfst gegen ihn, mit der Absicht, dass dann, wenn das Übel beseitigt ist, Ruhe und Frieden einkehrt. Wie kannst du aber, wo du nur Gegenwehr kennst und aus Gegenwehr bestehst, dann Frieden und Einheit herstellen? Du würdest den Überlebensmodus, die Angst, den Wolf immer wieder herstellen und aufrechterhalten, weil das alles ist, was du kennst und worauf deine Handlungen abzielen. Aber reden wir lieber nicht von dir, denn du bist das nicht. Es ist nur dein einstudiertes System, das selbstständig und unhinterfragt im Vordergrund läuft und das du für dich hältst. Der Wolf kann keinen Frieden erlangen, weil er in diesem Frieden nicht leben könnte. Du kannst einen Fisch auch nicht zum Fliegen bringen, wenn er sagt, er sei des Wassers leid und wolle sich endlich in die Lüfte erheben. Dein Versuch, als Fisch zu fliegen, ist, als würde jemand den Fisch in die Luft werfen. Aber der Fisch würde dort ersticken. Er braucht das Wasser. Du kannst dem Fisch keine Flügel anbauen, genauso wenig, wie du dem Wolf den Frieden und die Fülle erklären kannst. Du kannst nur selbst den Vogel in dir finden, der bereits schon die ganze Zeit über dem Wasser kreist und darauf wartet, dass du ihn erkennst. Als Fisch schwimmst du im tiefen Dunkel des Meeres und wehrst dich gegen Haie, versteckst dich, bewegst dich schnell und vorsichtig und kämpfst ums Überleben. Als Vogel würdest du fliegen, leicht und schwerelos, dorthin, wohin auch immer du willst. Du würdest ein Leben in Leichtigkeit und Spontaneität leben, immer mir der frischen Brise des Lebens in deinem Gesicht. Diese Arbeit hier dient dazu, zu erkennen, dass du weder Fisch noch Vogel bist, sondern der Raum, in dem all das lebt und existiert. Sobald du dich als diesen Raum erkennst, kannst du dir, salopp gesagt, aussuchen bzw. dich bewusst dafür entscheiden, wer du sein willst. Was also willst du sein: Fisch oder Vogel?
Wenn du jetzt wieder ein innerliches »Ja, aber …« hörst oder Einwände, die sagen: »Ich soll mir aussuchen, wer ich bin? Also rede ich mir nur etwas ein, überzeuge mich selbst, irgendwer zu sein, der ich nicht bin und, und, und …«, dann erkenne, dass das, was sich gegen all das hier wehrt und deine Probleme in Schutz nimmt, nur die Stimme des Wolfes ist. Wenn du die andere Stimme in dir nicht hören kannst, dann lies unbedingt weiter und beschäftige dich mit den Übungen. Du wirst die andere Stimme schon bald hören können. Sie erkennt, dass es keine Probleme gibt. Sie erkennt den Wolf. Dieses Erkennen wird dich von dem Wolf trennen, der du glaubtest zu sein und dich dorthin bringen, wo der Wolf gern wäre, aber nie hinkommen kann.