Читать книгу Der Schattenwolf in dir - Marius Zerbst - Страница 31
Den Ruhemodus aktivieren
ОглавлениеIm letzten Teil der Übung »Schauen mit weichen Augen«, hast du vielleicht bemerken können, wie dein Objekt lebendiger wurde. Mir gelingt es oft, dass ich das, was vor mir ist, richtig fühlen kann. Ich fühle es, als wäre es ein Teil von mir und ich von ihm. Das gelingt mir auch immer besser mit Menschen. Menschen regen uns gern auf, provozieren uns und wir stecken sie schnell in Schubladen. Wir meckern über sie oder gehen keine richtige Verbindung mit ihnen ein, weil wir in unseren Gedanken gefangen sind. Doch gelingt es uns, unser Gegenüber mit dem Herzen zu sehen, dann können wir eine Verbindung herstellen, die uns auf eine gefühlte Art und Weise zusammenbringt. Dann schaue ich mein Gegenüber an und will nichts mehr von ihm. Ich bin aber vollkommen präsent, weil ich im Herzen, im Körper und in meinem Fühlen bin. Präsenz passiert hier automatisch, weil der Körper immer im Jetzt ist und nur der Kopf im Gestern oder Morgen umherirrt. Wenn ich einfach nur da bin, in meinem eigenen Sein ruhe, nichts von mir und auch nichts von meinem Gegenüber will, dann stellt sich Ruhe und Frieden ein. Es stellt sich sogar so etwas wie friedvolle Freude ein, manchmal sogar ein inneres Berührt-Sein, Sanftmut, Wohlwollen, Wertschätzung und eine Art mitfühlende Liebe.
Das kann sogar so weit gehen, dass Hohn, Spott und Kritik weichen und dafür Aufgewecktheit, Humor, Leichtigkeit und ein neugieriger Spieltrieb zum Vorschein kommen. Du hast den Ruhemodus aktiviert. Im Ruhemodus musst du dein Leben nicht mehr sichern, dich nicht schützen und auch nicht auf der Hut sein. Du entspannst vollkommen. Du bist nicht mehr so sehr mit der Außenwelt beschäftigt, weil du nicht gezwungen bist, diese nach Gefahren zu durchsuchen. Du kannst sie so sein lassen, wie sie ist und dich dabei so sein lassen, wie du bist. Dieses »So-Sein« ist ein wichtiger Aspekt, weil genau in diesen Momenten die schwere Last deines Ichs abfällt und du die Leichtigkeit spüren kannst, die sich einstellt, wenn dein Ich, dein Wolf, sich zur Ruhe legt. Allein das Fehlen dieser Schwere lässt dich Leichtigkeit spüren, die wiederum Freude mitbringt und dich in den Moment eintauchen lässt. Jetzt bist du da, wo du bist, und es kehrt Leben in dein Haus zurück. Du fühlst und bist und willst nichts mehr mit den Dingen (und mir dir selbst) machen. Du bist im Einklang, empfänglich und in deiner Ruhe.
Regelt sich der Stress in dir herunter, dann legt sich die Adrenalin und Cortisolausschüttung und der Körper befindet sich nicht mehr im Überlebensmodus. Er entspannt und kümmert sich um innere Reparatur und Heilungsprozesse, behandelt Entzündungen, stärkt das Immunsystem, bringt die Libido und deine Lebensfreude wieder auf Vordermann und beschenkt uns mit Hormonen, die für Zufriedenheit, Glück, Freude, inneren Frieden, Spieltrieb und Neugier sowie Liebe und Verbundenheit sorgen. Für Letzteres ist vor allem das Hormon »Oxytocin« verantwortlich. Es entstand bei den Säugetieren, die dadurch eine Bindung zu ihren Jungen aufbauten. Reptilien haben dies nicht. Die legen irgendwo ein Ei und verdrücken sich wieder. Aber Säugetiere fühlen einander und haben durch diese Bindung das Gefühl von Sicherheit und Schutz. Das ist es, was Oxytocin macht, wenn es denn mal ausgeschüttet werden darf. Sobald der Körper aus dem Überlebensmodus kommt, desto leichter gelingt uns dies. Mit weichen Augen zu schauen und eine einladende, empfängliche, nicht-wollende Haltung einzunehmen, setzt diesen Prozess in Gang. Denn wie auch die ersten Säugetiere nehmen wir viel über die Augen wahr. Sind wir in Sicherheit und ist das, was wir sehen, ein Auslöser für diese Sicherheit, dann wird das »parasympathische Nervensystem« in uns aktiv, welches diesen Ruhemodus steuert und reguliert. Ein Teil dieses Nervensystems ist der Vagus-Nerv, der sich über die Augen zum Herz bis hin zum Bauch erstreckt. Nehmen wir unsere Umgebung mit eben diesen sanften Augen wahr, so sendet der Vagus-Nerv dieses Signal zum Herzen, welches anfängt Oxytocin auszuschütten und uns ermöglicht, noch mehr in Verbindung mit der Außenwelt zu treten. Das können wir dann sogar im Bauch spüren. Entweder als ein entspanntes, wohliges Gefühl bis hin zu den Schmetterlingen im Bauch, die wir fühlen, wenn wir verliebt sind.
Das Interessante daran ist, dass wir unser Urgefühl von Verbundenheit und Wachstum (darauf komme ich später noch zu sprechen) sofort finden können, wenn wir den Verstand loslassen, in die Absichtslosigkeit gehen und den Moment und uns so sein lassen können, wie wir sind. Verbundenheit ist sofort spürbar und alle Gefahren, vor denen uns der Wolf beschützen wollte, sind weg. Wenn er das nur wüsste, dann würde er vielleicht öfter die Klappe halten. Aber da er es nicht kennt, müssen wir uns immer wieder in den Moment bringen und diesen Sprung wagen. Auch dann, wenn der Wolf an uns zerrt und uns zwingen will, es nicht zu tun.
Es ist aber auch witzig, dass gerade in diesem Ruhemodus die Antworten und Lösungen liegen, die der Wolf durch seine Anspannung und Schwere versucht zu finden. Ruhen wir im Moment und fühlen die Verbindung und die erhebenden, herzzentrierten Gefühle, wie Verbundenheit, Liebe, Nähe, Wohlwollen, Sanftmut, Freude, Frieden, Dankbarkeit, Mitgefühl und so weiter, dann fängt das Herz an, ruhiger und noch gleichmäßiger zu schlagen. Man spricht hier von Kohärenz, was so viel heißt, wie »geordnete Gleichschwingung«. Dieses Signal und auch das ausgeschüttete Oxytocin beruhigen das Alarmzentrum im Gehirn, sodass das Gehirn sich ebenfalls beruhigt und anfängt, in diese Gleichschwingung, diese Kohärenz überzugehen. Alle Areale, die zuvor noch in chaotischer Unordnung gefeuert haben, regulieren sich herunter. Das Gehirn beginnt ruhiger und gleichmäßiger zu arbeiten, es kommt in Balance und die Gehirnhälften arbeiten nun miteinander. Ordnung und Ganzheit entsteht, welches sich als positive Verstärkung auf den Körper überträgt und die Aufwärtsspirale antreibt, in der ein kohärentes Herz ein kohärentes Gehirn erzeugt, welches wiederum die Kohärenz des Herzens verstärkt (worauf ich später noch etwas genauer eingehen werde).
Im Gegensatz zur Abwärtsspirale, in der das Gehirn dafür sorgt, dass der Körper ins Ungleichgewicht fällt, und dieses Ungleichgewicht dafür sorgt, dass das Gehirn noch ungeordneter wird, haben wir hier das Herz, das den Ton angibt und uns genau dorthin bringt, wohin wir die ganze Zeit wollten: zu Verbundenheit, Freude, Frieden, Ganzheit und Ordnung. Über diesen Weg heben wir die Trennung auf, die der Verstand schafft und öffnen uns dem Leben. Es ist ein inneres Ankommen, indem du dir deiner Vollkommenheit bewusst wirst und im Leben verwurzelt bist. Und genau diese Verwurzelung bringt uns das gewünschte Wachstum. Plötzlich bekommen wir Ideen und Antworten, finden Lösungen und die Richtung im Leben, welche wir vorher nur verkrampft einzuschlagen versuchten, aber nie so recht wussten, wo es wirklich entlanggeht. Wir bekommen Klarheit, Einsicht und Verständnis. Wir sind wieder in Kontakt mit dem, was uns im Kern ausmacht und ebenso mit unserer Kreativität und unserer Begeisterung.