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Der bewusste Zustand

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Ich schrieb, dass sich das spontane Abwenden von unseren problembehafteten Gedanken für unseren Wolfs-Verstand anfühlen würde, als würden wir dem Tiger den Rücken zukehren und uns dem Tode hingeben. Da dieser Tiger (also die mögliche und meist nur erdachte Gefahr) eben gerade durch unser Betrachten ins Leben gerufen und auch am Leben gehalten wird, müssen wir dem Tiger den Rücken zukehren, sonst wird er nie verschwinden. Das heißt nicht, dass wir unser altes Denken gegen ein neues Denken austauschen, den alten Wolf gegen einen neuen Wolf ersetzen. Das würde zu den gleichen Problemen führen, denn ein Wolf kann nur tun, was ein Wolf tun kann. Vielmehr sollten wir es uns zur Aufgabe machen, nach dem zu suchen, was hinter den Gedanken liegt, ohne uns dabei gegen die Gedanken zu wehren. Die Gegenwehr sorgt nur wieder für Anspannung, dafür, »es anders haben zu wollen«. Und das entspringt dem gleichen Muster aus dem wir herausfinden wollen.

Anstatt also aus unseren Gedanken ein Problem zu machen, treten wir in den Raum ein, in dem es keine Probleme, keine Urteile, keine Wertung und keine Vergleiche gibt. Hier geht es lediglich um Wahrnehmung und Präsenz. Auch unsere Gedanken sind kein Problem, genauso wenig wie unser emotionaler Zustand. Allein das Vergleichen und Bewerten dessen, was wir vorfinden, sorgt entweder für Abneigung und den Versuch, sich dessen zu entledigen, oder für eine Anhaftung und das Verlangen, diesen Zustand nicht zu verlieren. Diese beiden Ängste (die Angst, nicht zu bekommen, was man will, und die Angst, das zu verlieren, was man hat) sind die größten Antreiber des Wolfes. Dabei richten wir unser Verhalten auf zwei Arten falscher Freiheit aus: Die eine, die du erlangst, wenn du endlich losgeworden bist, was du nicht willst. Und die andere, die du erlangst, wenn du endlich bekommen hast, was du willst. Doch all das entspringt deinem Wolf und wird dich nie füllen. Der Drahtzieher dieser beiden Freiheiten ist ebenfalls die Angst und Angst ist das, woraus der Wolf besteht. Wirkliche Freiheit erlangst du, wenn du sie aus deinem Inneren, deinem Herzen und der Anbindung zu deiner Quelle des tieferen Seins, dem, was du bist, herausfließen lässt. Dann gehst du deine Wege nicht mehr, um einen Zustand zu beseitigen oder dir einen besseren Zustand zu wünschen. Diese beiden Wege entspringen der Gegenwehr und Ablehnung. Du magst einen besseren Zustand, weil der aktuelle schlecht ist. Du glaubst, du möchtest den neuen Zustand, aber im Grunde sagst du, du willst den alten nicht mehr. Beide Seiten – der neue, wünschenswerte Zustand und der alte, unschöne Zustand – sind beides Seiten derselben Medaille, die der Wolf gebraucht, um dich zu führen.

Gleiches zieht Gleiches an und da du aus dem Mangeldenken heraus auf deine Verbesserung zugehst, wird dort auch nur der ankommen, der das Mangeldenken beherrscht. Und dein Mangeldenken wird auch dann wieder Mangel erzeugen und so wirst du immer einen Schritt hinter deinem Ziel sein und es nie erreichen oder lange halten können. Wenn du aber aus der Fülle heraus gehst, dann ist der, der das Morgen erreicht, voll und erfährt dort die Fülle, genauso wie im jetzigen Augenblick. Fülle zieht Fülle an und wenn du aus der Fülle heraus gehst, dann bewegst du dich von nichts weg und auf nichts zu, sondern du ziehst an, was dir entspricht und zu deinem Zustand passt. Da das Denken aber keine Ahnung von Fülle hat, nicht weiß, wie sich das anfühlt und die Welt nur als Teile, Objekte und von dir getrennte Formen erfährt, kannst du den Raum der Fülle nur durch dein Bewusstsein ergründen, welches kein Ich hat und alles beinhaltet. Du wirst in diesem Bewusstsein deine Gedanken sowie deine Gefühle, Emotionen, Erinnerungen, Empfindungen, Sinnesreize, Anhaftungen und Abneigungen finden. Doch nichts von dem ist dieses Bewusstsein. Dein Bewusstsein ist das, was all dem zugrunde liegt. Der Raum aus dem heraus jeder Gedanke und jedes Gefühl kommt und in den alles wieder verschwindet. Es ist das, was bleibt, wenn wir alles entfernen.

Du richtest also deine Aufmerksamkeit nach innen und wirst dir all deiner Gedanken gewahr. Und anstatt auf die Strömungen einzugehen, lässt du sie fließen. Jetzt bist du das Flussbett, in dem das Wasser fließt, ohne das Wasser zu sein. Dann steigen Körperempfindungen und Gefühle auf und laufen ins Leere, da kein verstärkendes Signal vom denkenden Verstand kommt. Werden sie nicht weiter angefacht, verändern und beruhigen sich auch diese und dein Organismus beruhigt und entspannt sich immer mehr. Statt den Körpersignalen zu deinen Gedanken zu folgen und bei diesen dann zu bleiben, verweilst du mit deinem Fokus im Erleben des jetzigen Moments. Da deine Gedanken nur in Vergangenheit und Zukunft leben, sind sie im jetzigen Moment nicht da. Dort aber bist du, mit deiner Wahrnehmung, als die Wahrnehmung selbst. Du trennst dich von Zeit und betrittst Raum. Hier kannst du nun Veränderungen und Möglichkeiten finden, da du nicht mehr in deiner alten Geschichte, den Umständen, dem Bekannten und Vertrauten und deinen Projektionen auf deine immer gleiche Zukunft gefangen bist. Dadurch, dass du dich in den Moment bringst, machst du dich frei.

Bei diesem Prozess musst du nichts »tun«. Du brauchst nur zu sein und geschehen lassen. Deine einzige Aufgabe ist es, nicht ins Unbewusste zu verfallen, sondern aufmerksam und dennoch offen und entspannt im Moment zu ruhen. Das, was in diesem Moment vor sich geht, damit musst du nichts machen. Lass es einfach so geschehen, wie es geschehen will, und erfahre, ohne zu kommentieren oder zu analysieren. Mit etwas Übung wirst du diesen Kreislauf aus Vergangenheit und der immer wieder gleichen, auf dieser Vergangenheit beruhenden Zukunft durchbrechen können. Du verwickelst dich nicht mehr in deine alten Geschichten und projizierst sie nicht mehr in die Zukunft. Du nimmst dich aus diesem Prozess heraus und bringst dich dorthin, wo weder deine Geschichten noch deine Angst zu finden sind: in genau diesem jetzigen Moment. Dort herrscht nur Präsenz, Wahrnehmung, Erleben und Spüren, aber kein Bewerten, Vergleichen, Kommentieren, Erinnern und Vorwegnehmen. Somit brichst du die alten Gewohnheiten auf und befreist deinen Körper aus den alten Reaktionen. Jetzt erlebst du freien Raum, aus dem heraus du neue, unbekannte Wege gehen kannst.

Der Schattenwolf in dir

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