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Der unbewusste Zustand
ОглавлениеDas, was du gerade siehst, denkst oder fühlst, sowie Dinge, die dich berühren oder deine Sinne treffen, lösen Gedanken aus, die dich aus dem Moment bringen. Diese Gedanken beschäftigen sich mit deiner äußeren Welt und ihren Personen, Dingen, Objekten und Erlebnissen. Doch sind diese äußeren Formen nur Auslöser dafür, gänzlich in deinen Gedanken versunken zu sein. Da, wo du gerade bist, bist du nicht anwesend. In Gedanken bist du immer einen Schritt voraus. Während du zum Supermarkt läufst, bist du gedanklich schon in den Regalen am Aussuchen. Auf dem Weg nach Hause kochst du gedanklich schon dein Essen und im Bett bereitest du dich schon auf dein Morgen vor. Du nimmst die Zukunft vorweg, indem du versuchst sie zu planen. Das macht der Wolf gern, denn so glaubt er die Kontrolle und somit die Sicherheit zu haben, damit dir nichts passiert. Dieser Versuch, die Zukunft zu kontrollieren, entspringt seiner Angst, die Zukunft könnte dich sonst töten. Doch der Wolf kann keine neue Zukunft kreieren, da »neu« auch immer etwas mit Kontrollverlust zu tun hat. Das Neue ist das Unbekannte und darauf kann sich der Wolf nicht einlassen, weil er davor Angst hat. Deshalb sucht er in der Vergangenheit nach den Wegen, die er nutzen kann, um seine Zukunft auf sichere Bahnen zu bringen. Deshalb wechselt er ständig zwischen den Geschehnissen aus der Vergangenheit und seinen Prognosen für eine mögliche Zukunft hin und her.
Der Verstand kreist im Grunde um zwei Dinge: Aufgaben und Probleme. Aufgaben sind die kleinen Probleme des Alltags, die es zu bewältigen gilt: das Einkaufen, der Haushalt, eben die kleinen Dinge, die alle organisiert und geplant werden müssen. Die meiste Zeit des Tages sind wir damit beschäftigt, unseren Alltag zu planen. Was essen wir zum Mittag? Was machen wir heute Abend? Was ziehe ich an? Wir verbringen so viel Zeit in unserem Kopf, dass wir das Leben kaum noch fühlen. Und dabei können wir das Leben nur fühlend erfahren. Der Gedanke kann nicht in einen Apfel beißen und wissen, wie er schmeckt. Das kann nur der Körper. Doch wenn wir unentwegt im leblosen Zimmer unseres Kopfes wohnen, dann merken wir, wie leblos unser Leben selbst über die Jahre geworden ist. Es dauert meist nicht lange, bis wir dies wahrnehmen und uns zu den größeren Aufgaben, den wahren Problemen in unserem Leben aufmachen, um dort nach Antworten auf die Frage zu suchen, wie wir ein lebendiges und erfülltes Leben leben können. Dank der inneren Leere sehen wir nun, wie eintönig unser Job ist, wie wenig knisternde Leidenschaft unsere Beziehung noch hat, wie abgetragen unsere Sachen sind, wie wenig Geld wir haben, um uns ein aufregendes Leben zu finanzieren und wie sinnlos doch eigentlich unser ganzes Leben ist, in dem wir nur arbeiten, schlafen, arbeiten und schlafen.
Alles, was wir haben, benutzen wir nur wie Objekte, die uns einen Schritt weiter auf unserem Weg in den nächsten, besseren Moment bringen sollen. Wir huschen über alles einfach nur kurz drüber, anstatt die Dinge und Menschen um uns herum wirklich zu fühlen und zu erfahren. Doch im Kopf verankert sind wir nicht fähig dazu, weil der Kopf weder das Fühlen kennt noch etwas davon versteht, zu leben. Er kann nur Gedankenkonstrukte bauen und seinen eigenen Gedanken hinterherrennen. Und dafür nimmt er in Kauf, dass alles um dich herum, einschließlich dir selbst, nur noch Mittel zum Zweck wird, um weiter seine leblosen Konstrukte zu erschaffen und ihnen nachzujagen. Die Leere, die du dabei empfindest, ist von deinem Denken selbst geschaffen. Und das Denken ist es, was für gewöhnlich einen Ausweg aus dieser gefühlten Leere sucht. Doch wie kann das, was die Leere erzeugt, die Leere vertreiben? Das Denken fragt sich, was es tun kann. Urlaub? Reisen? Neue Hobbys? Eine Affäre? Alles hinschmeißen und irgendwo von vorn beginnen? Tun wir dies, finden wir höchstwahrscheinlich nur kurze Befriedigung, weil sich dann auch dort unser Denken einschleicht und auch diese Erlebnisse in Eintönigkeit und Leere verwandelt. Dabei ist das auch völlig klar, denn kein Erlebnis der Welt kann uns für immer glücklich fühlen lassen, wenn wir unser Glück von den Erlebnissen abhängig machen. Der erste Glücksrausch ist schnell abgeklungen und der neue Pullover ist nach ein paar Tagen abgetragen und gibt uns nicht mehr das tolle neue Ich-Gefühl wie am ersten Tag.
Die Dinge um uns herum vergehen, nutzen sich ab, verändern und verfärben sich und sterben. Und was bleibt, ist das Gefühl der Leere, welches sich jetzt noch deutlicher zeigt. Denn je mehr wir versuchen diese Leere mit Dingen und Erlebnissen zu füllen, desto stärker merken wir, dass diese uns nicht das geben, was wir suchen, und desto schmerzlicher fühlt es sich an, wieder am Anfang zu stehen. Wir können nicht als leeres Gefäß hoffen, dass uns etwas dauerhaft füllt. Wenn wir nur die Leere kennen und zur Leere geworden sind (weil wir sie immer wieder selbst erst erzeugen und das, was diese Leere erzeugt, für uns halten), dann verwandeln wir letztendlich alles um uns herum in diese Leere. Selbst das, was uns anfänglich etwas zu füllen vermochte, wurde mit der Zeit leer. Alles wird leer, wenn wir selbst leer sind und auf die Welt mit leeren Augen schauen. Dann nutzen wir die Dinge und Menschen, Momente und Erlebnisse in unserem Leben nur aus, um ihnen etwas an Fülle auszusaugen und sie anschließend wegzuwerfen und gegen Neues auszutauschen. Bis uns auch hier wieder die Leere einholt und wir den Zyklus von vorn beginnen.
Wir können das Problem nicht auf dieselbe Weise lösen, wie es entstanden ist.
Je öfter wir dies erfahren, desto depressiver wird unser Blick auf unsere Vergangenheit und umso dunkler werden die Aussichten auf unsere Zukunft. Depression, Angst, und ein Hauch von Machtlosigkeit bleibt, weil unsere ganzen Taten bisher keine wirkliche Verbesserung gebracht haben. Entweder suchen wir einen dramatischen Ausweg oder flüchten uns in Ablenkungen und Süchte, wie Kaufen, Fernsehen, Kinder, Beziehungen, Social Media, exzessive Sammelleidenschaften, Drogen, Sex, oder Extremsport. Für einen kurzen Augenblick können wir dann die Lebendigkeit spüren, die uns im Alltag fehlt und die uns in der andauernden unterschwelligen Leere den nötigen Halt gibt, damit wir nicht in ihr untergehen und es doch noch zum nächsten Tag schaffen. Schauen wir jedoch zwischenzeitlich mal aus unseren Gedanken heraus auf unser Leben, finden wir nur Gefühle vor, die uns unsere Leere wirklicher werden lassen: Langeweile, Ohnmacht, Stress, Nervosität, Unruhe und Unsicherheit, Verwirrung und Chaos, Antriebslosigkeit, Druck, Rastlosigkeit gepaart mit Müdigkeit und Erschöpfung und vieles mehr. Mit diesen Gefühlen im Bauch wird unser Alltag noch trostloser. Der Job wird immer zäher, die Beziehung immer stumpfer, die eigene Lebensfreude immer schwächer. Wir werden angespannter, gereizter, abweisender, verhärten zunehmend und werden angestrengter in der Bemühung, all das zu ändern und zu ertragen. Wenn wir jahrelang Gefangene unseres Denkens waren, dann ist es schwer, in den Moment einzutauchen, weil wir dort auf all diese Gefühle treffen, denen zu entkommen wir unentwegt versuchen. Doch das Interessante dabei ist, dass all diese Gefühle nicht da wären, wenn wir eben nicht die meiste Zeit unseres Lebens im Kopf verbringen würden. Erst dadurch, dass wir als leblose Denker in der Welt umherlaufen, fühlt sich unser Leben so trostlos an. Unser Denken hat seine eigenen Geister gerufen, die er nun nicht mehr los wird. Und nun hat er Angst davor, diese Gefühle zu fühlen, weil sie die Probleme, die der Verstand so dringlich lösen will (aber dadurch nur verschlimmbessert), noch größer scheinen lassen.
Es ist ein Teufelskreis in einer selbsterschaffenen Welt, in der unkontrolliertes, zwanghaftes Denken uns vorgaukelt, die Welt bestünde aus Problemen. Und dadurch, dass wir diesem Trugschluss verfallen sind, verlieren wir unsere Lebendigkeit, was wiederum dazu führt, dass wir eine Menge unangenehmer Zustände erfahren, die wir wiederum auf unsere Lebensumstände zurückwerfen und denen die Schuld an unserem Zustand geben. Anstatt unser gewohntes Denken zu verlassen und die Gefühle zu fühlen (und dadurch aufzulösen), vor denen das Denken Angst hat, beginnen wir damit, noch mehr unsere Welt um uns herum ändern zu wollen, damit wir endlich Befreiung und Erfüllung finden. Wir erkennen nicht, dass unser Denken all das selbst geschaffen hat und immer wieder auslöst, ganz egal wo wir sind und was wir tun. Wir scheinen unserem Schicksal ausgeliefert zu sein und erzählen uns zum Trost, dass manches nicht für uns bestimmt sei, dass das Leben hart sei, das Glück nicht einfach so vom Himmel falle und nur der Fleiß einen Preis habe. Wir reden uns unsere Großartigkeit aus, entmündigen uns von unserer Macht und machen uns selbst klein. Dadurch wird das Chaos erträglicher und wir drehen nicht völlig durch.
Das Blöde daran ist nur, dass wir das alles anfangen zu glauben. So sehr, dass wir es anderen erzählen, uns mit denen verbinden, die das Gleiche glauben und es auch unseren Kindern und unserem Umfeld weismachen. Wenn alle um uns herum genauso denken wie wir, können wir uns selbst unsere Lügen umso mehr abnehmen. Und schade ist, dass dann diejenigen, die es anders machen wollen, verscheucht und verurteilt werden. Denn ihre Art das Leben zu leben, wie wir selbst es gern getan hätten, hält uns vor Augen, dass es scheinbar doch geht. Und das hieße, wir selbst lägen falsch und alles, was wir uns eingeredet haben, wäre auch falsch. Der falsche Glaube, der einst die innere Leere gefüllt hat, platzt nun auf und der ganze darunter liegende Schmerz taucht wieder auf. Wundere dich also nicht, wenn du bei deinem Bemühen, dich zu ändern, auf heftige Gegenwehr stoßen wirst. Dann versuchen diejenigen, die sich gegen dich stellen, deine Ideen herabzureden, oder sie belächeln dich und stempeln dich als naiv, esoterisch und unreif ab. Sie wollen dir damit nicht etwa Gutes tun und dich beschützen, sondern ihrem eigenen Schmerz entgehen.
Wenn wir jetzt sagen, wir werden gegenwärtig und nehmen unser Leben so an, wie es ist, dann wird uns der Wolf ins Bein beißen. Er kann das nicht (und bis zu einem gewissen Punkt fühlt es sich so an, als könntest du es nicht). Er kann doch nicht das alles einfach so sein lassen, was seiner Meinung nach erst dazu beiträgt, dass du dich so leer und sinnlos fühlst.
»Wenn du jetzt den Job, den Partner, die Freunde und was auch immer behalten würdest, dann würde dein Leben für immer so bleiben und du würdest dich für den Rest deines Lebens so beschissen und leer fühlen, wie du es die letzten Jahre schon getan hast. Und mit jedem Tag wird es immer schlimmer. Also schnell, unternimm gefälligst etwas und ändere dich und dein Leben! Suche nach neuen Wegen und Mögli chkeiten.«
Jetzt bist du in einer Endlosschleife aus Vergangenheits und Zukunftsdenken gefangen, die dich in deinem Kopf gefangen hält und dich vom Erleben abschneidet. Du bist ebenso in der Zeit gefangen, da du schaust, wie du das Problem beseitigen kannst, wie lange es schon andauert, was als Nächstes passiert und wann es passiert. Die gesamte Situation wirkt wie eine echte Bedrohung. Der Körper geht in den Überlebensmodus über. Von jetzt an gilt es, das zu vermeiden, was du bisher erlebt hast. Aber gerade weil du dich auf die Gefahr konzentrierst, wird sie immer gefährlicher und lebendiger. Das Gehirn pendelt zwischen all dem permanent hin und her und wechselt ständig seinen Fokuspunkt vom akuten Reiz, zu den Gedanken an die Zukunft und zu den Erinnerungen an das, was war. Es gerät völlig in Unruhe, Disbalance und Stress. Alles dreht sich nur noch um die erlebte Vergangenheit und die immer gleiche Zukunft, aus der du so dringlich herauswillst, die aber nur als Gedanke in deinem Kopf existent und somit gar nicht real ist. Und je mehr du dich mit der bedrohlichen Zukunft beschäftigst, desto wahrscheinlicher wird es, dass du sie herbeirufst. Denn dein Denken braucht diese Bedrohung, um sich gegen sie wehren zu können. Es will sagen:
»Hier schau, da ist sie, die schlimme Zukunft. Wie ich es dir gesagt habe. Du musst auf mich hören, damit du dich davon befreien kannst. Nur ich kann dich retten. Also vertraue und folge mir. Nur so wirst du deinen Frieden finden.«
Unsere Energie folgt unserer Aufmerksamkeit.
Was dir dabei entgeht ist, dass die Gangster in der dunklen Straße von deinem Denken selbst angeheuert wurden. Wir werden das Problem nicht los, wenn wir uns auf dieses versteifen. Denn dadurch bekommt es immer mehr Macht. Das heißt nicht, dass wir die Augen vor den Problemen verschließen, wegsehen oder vor ihnen fliehen sollen. Wir sollen nicht vor ihnen davonlaufen. Aber die Idee, das Problem mit dem Denken zu lösen, welches das Problem erst hat entstehen lassen, ist nur ein weiterer Kanister Benzin für das brennende Feuer. Denn so lebst du dein altes Schicksal weiter und kannst keinen neuen Ausweg herbeiführen.
»Ja, aber wie ist es mit den Problemen in der Welt? Die lösen sich ja auch nicht vo n selbst!«
Das ist ein gern benutztes Argument des Wolfes, um seine eigenen Probleme nicht loslassen zu müssen. Doch Gewalt erzeugt Gegengewalt und sich gegen das Problem zu stellen bildet zwei Fronten, die im Grunde die gleichen Mittel benutzen. Beide sind gegen und nicht für etwas. Und dieses »Dagegen-Sein« sorgt dafür, dass das, wogegen sie sind, nicht verschwinden kann, weil es genau das ist, woraus sie sich ihre Identität schaffen. Und genau deshalb muss und wird es am Leben bleiben. Unser Vorhaben, Gutes zu tun, in dem wir uns gegen etwas stellen, hält die Sache, gegen die wir sind, am Leben.
Dein Fokus ist bei diesem Kampf ganz auf die Gefahr gerichtet und wird zu einem starren, angespannten Tunnelblick, der zwanghaftes Verhalten, Panik und Stress auslöst, dabei aber keine Lösungen finden kann, da der Fokus nur auf das Problem gerichtet ist. Wir können nicht mehr von unseren Problemen loslassen, selbst wenn wir wollten. Wir müssen den Kampf aufrechterhalten und uns mit dem Krieg beschäftigen, anstatt die Waffen niederzulegen und uns mit dem Frieden auseinanderzusetzen. Denn das hieße, dem Tiger einfach so den Rücken zuzukehren, was schließlich unseren Tod bedeuten könnte. Doch da der Tiger nicht existiert und nur von uns selbst (also von unserem Denken) erschaffen wurde, so wird er immer da sein, wenn wir nach ihm suchen.
Wenn du dich auf die Suche nach einem Tiger machst, musst du damit rechnen, auf einen Tiger zu stoßen.