Читать книгу Big Ideas. Das Soziologie-Buch - Маркус Уикс - Страница 17
Schrittweise Akzeptanz
ОглавлениеWebers neue Perspektive bildete den Grundstein für eine zentrale Herangehensweise der Soziologie im 20. Jahrhundert. Er führte den Gedanken einer subjektiven, interpretierenden Untersuchung des sozialen Verhaltens der Individuen ein und bot damit einerseits eine Alternative zu Durkheims Positivismus – indem er verdeutlichte, dass naturwissenschaftliche Methoden sich nicht für Untersuchungen der Sozialwissenschaften eigneten – und andererseits zu Marx’ materialistischem Determinismus – indem er die Bedeutung von Ideen und Kultur gegenüber Wirtschaftlichkeitsaspekten hervorhob.
Obwohl einige Zeitgenossen Webers, etwa Werner Sombart und Georg Simmel, seine Ideen rezipierten, wurde er zu Lebzeiten eher als Historiker und Ökonom denn als Soziologe wahrgenommen. Erst viel später erfuhr sein Werk – von dem vieles erst posthum veröffentlicht und übersetzt wurde – die verdiente Aufmerksamkeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begegnete man seinem Begriff des subjektiven Verstehens und seiner Untersuchung individueller Erfahrung (statt des gesellschaftlichen Ganzen) zunächst mit großer Skepsis: Einige glaubten, ihm fehle die wissenschaftlich notwendige Stringenz und Objektivität; andere (vor allem Marxisten) bestritten Webers Darstellung der Entwicklung des westlichen Kapitalismus.
Franz Kafka beschrieb Schreckensvisionen der Bürokratie. Seine Erzählungen verhandeln zentrale Themen Webers, z. B. die Anonymität des Menschen und seine Entmenschlichung.
»Niemand weiß noch, wer künftig in jenem Gehäuse wohnen wird und ob am Ende … eine mächtige Wiedergeburt alter Gedanken und Ideale stehen [wird] …«
Max Weber
Als der Einfluss von Durkheims Positivismus zu schwinden begann, erfuhr Webers Ansatz schließlich eine schrittweise Akzeptanz – zum Beispiel bei den Vertretern der Kritischen Theorie am Institut für Sozialforschung in Frankfurt. Ihnen zufolge konnte die traditionelle marxistische Theorie nicht hinreichend den Weg erklären, den kapitalistische Gesellschaften im Westen genommen hatten. Deshalb bezogen sie Webers antipositivistische Perspektive und seine Analyse der Rationalisierung mit ein. Als Mitglieder der Frankfurter Schule vor den Nationalsozialisten fliehen mussten, nahmen sie Webers Ideen mit in die USA. Dort wurden seine Erkenntnisse enthusiastisch begrüßt und in der Nachkriegszeit vielfach rezipiert.
Der US-amerikanische Soziologe Talcott Parsons unternahm den Versuch, Webers Ideen mit den positivistischen Traditionen Durkheims zu versöhnen und sie in seine eigene Theorie zu integrieren. 1946 schließlich brachten C. Wright Mills und Hans Heinrich Gerth Webers Schriften durch ihre Übersetzungen und Kommentare dem englischsprachigen Publikum näher. Insbesondere Mills ließ sich von Webers Theorie des »eisernen Käfigs« inspirieren und entwickelte eine eigene Analyse der gesellschaftlichen Strukturen, in der er aufzeigte, welche bedeutenden – und bisher ignorierten – Implikationen Webers Ideen enthielten.