Читать книгу Pultstar - Martin Geiser - Страница 41
7
ОглавлениеVater, ich habe dich bewundert und geliebt. Es hat mich beeindruckt, wie du deine klaren Klangvorstellungen dem Orchester vermitteln konntest, wie du mir den Aufbau eines Werkes erklärt hast, einfach, klar, verständlich. Du hast mich alles gelehrt, was ich über Musik weiß, hast mich ermahnt, auf Nuancen zu achten und den kleinsten Details die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Du hast mich, schon als ich noch ein kleiner Bub war, ans Klavier gesetzt. Ich erinnere mich an ein Foto, das ich in den Alben gefunden habe, wo ich auf deinem Schoss sitze, am Klavier, vielleicht drei Jahre alt und, mit weit offenem Mund in die Kamera lachend, die Tasten bearbeite. Unbeschwert, neugierig, glücklich.
Du hast mir gezeigt, wie man auf dem Klavier ganz einfache Melodien nachspielen kann, welche du mir vorgesungen hast. Das absolute Musikgehör habe ich von dir geerbt. Du hast mich früh Klavierunterricht nehmen lassen, bei ganz verschiedenen Lehrern.
Wenn du das Gefühl hattest, dass ich nicht mehr weiterkomme, hast du einen anderen Lehrer engagiert, der dir meistens von Paul Glauser, deinem Professor am Konservatorium, empfohlen worden war.
Ich erinnere mich speziell an einen davon, Alfred Haller. Warum wohl ausgerechnet an ihn? Er hat mich nicht lange unterrichtet, aber ich glaube, er war der Einzige, der wegen meines Namens und meiner Herkunft nicht vor Ehrfurcht erstarrte. Unbeeindruckt davon hat er mich mit einer unglaublichen Strenge unterwiesen, wie ich sie bisher nicht gekannt hatte. Kein Detail wurde ausgelassen, am Anschlag musste ich gnadenlos arbeiten, meine Fingerfertigkeit wurde bis zur Erschöpfung gedrillt.
Ich hatte damals eine solche Unnachgiebigkeit bisher nicht gekannt, heute weiß ich, dass du, Vater, sie bei weitem übertriffst. Aber das sollte ich erst später feststellen und realisieren, aber nicht unbedingt verstehen.
Ich bin nicht lange bei Alfred Haller geblieben, vielleicht weil du es nicht ertragen konntest, dass dir jemand so unverfroren mit Hilfe deines Sohnes einen Spiegel vorgehalten hat oder vielleicht auch, weil er mich zwar rasch weitergebracht hat, aber dann nichts mehr mit mir anzufangen wusste. Oder vielleicht wolltest du deinem Sohn einfach keine so strenge Unterweisung zumuten, obschon gerade du ja eigentlich der Meister der Schinderei warst.
Ich erinnere mich, dass du zwischen deinen Konzerten im Ausland immer wieder nach Hause kamst, mich bei den Großeltern in Köniz abholtest und mich nach Hause an den Murtensee nahmst. Ich genoss die Zeit mit dir zusammen, im Sommer tagelang auf deinem Schiff, schwimmen, spielen, herumtollen, mit viel Freude, Elan und Kindlichkeit. Du nahmst mich in die Arme, lachtest mit mir, tröstetest mich und spendetest mir viel Freude. Und doch war die Musik immer da, allgegenwärtig, uns Zwei verbindend.
Da wusste ich noch nicht, dass gerade die Musik einmal zwischen uns stehen und uns unerbittlich trennen würde. Ich habe dich enttäuscht, wurde deinen Erwartungen nicht gerecht und schaffte es nicht, den Namen Steinmann so in die Welt heraus zu tragen, wie du das getan hast.