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FRANZL! – SISSI!

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Wenn man in Bad Ischl nach einer Führung durch die Kaiservilla, einem anschließenden Gang über den Kreuzplatz und einem kleinen Schwarzen im Café Ramsauer in der Kaiser-Franz-Joseph-Straße in die enge Schulgasse neben der Pfarrkirche einbiegt, gelangt man in ein hübsches Kaffeehaus, das originellerweise Katharina heißt – nach der großen russischen Zarin des 18. Jahrhunderts! Ein bunter Fleck in der Salzkammergutmetropole, in der doch sonst alles ausschließlich vom Fluidum der Habsburger bestimmt ist.

83 seiner 86 Sommer verbrachte Franz Joseph auf Sommerfrische in Ischl, ja, er wurde wie seine drei jüngeren Brüder sogar hier gezeugt – so sagt es zumindest eine der unzähligen Sagen und Legenden rund um die Kaiserfamilie.

In der frischen, häufig verregneten Atmosphäre des Salzkammerguts regierte Franz Joseph allsommers sein Reich vom Schreibtisch seiner Villa aus, konsequent begleitet und umzingelt von einem Schwarm aus Nachzüglern, Hofangehörigen, Adabeis und Kurgästen.

Wir nehmen im nostalgisch ausgestalteten Café Katharina eine Jause zu uns und kommen mit dem Wirt ins Gespräch.

Vor welchem der vielen hier ausgestellten authentischen Bilder historischer Persönlichkeiten werden Ihre Gäste denn wohl am liebsten fotografiert?

Wortlos deutet er vorbei an den Reproduktionen schöner Gemälde auf ein kleines Bildchen an der Wand hinter der Bar. Neugierig treten wir näher heran und sehen – ein simples Szenenfoto aus einem Sissi-Film! Romy Schneider und Karlheinz Böhm geben das Kaiserpaar … nein, falsch: Sie sind das Kaiserpaar! Vor diesem, und fast nur vor diesem Foto aus einem Heimatfilm als Hintergrund schießen die Touristen aus Japan, den USA und anderer Herren Länder ihre Selfies! Die Darstellungen der tatsächlichen historischen Personen lassen sie links liegen. Typisch ignorante, ungebildete, nichts wissende …?


Moment einmal, liebe Österreicher, nicht so vorschnell geurteilt! Ich erinnere mich da an einen Wiener Touristen in Budapest, der angesichts einer kunstvollen Büste der Kaiserin Elisabeth zu seiner Frau gewendet den Ausruf »Ah! Da ist’s ja, die Romy!« tätigte.

Derart wirkmächtig haben sich die zuckerlfarbig kolorierten Szenen der erfolgreichsten deutschsprachigen Filme der Nachkriegszeit vor die Ahnung einer historischen Realität geschoben, dass auch das kollektive Gedächtnis der Österreicher eher von den Fantasien der kitschtriefenden 1950er-Jahre geprägt wird als von anderen, ohnehin schon durch Nostalgie verzerrten Geschichten und Anekdoten der Zeugen der Zeit vor 1916. Die großartigen Schauspieler Romy Schneider und Karlheinz Böhm sind an den Neben- und Nachwirkungen dieser klebrigen Etikettierung künstlerisch fast zerbrochen, Schneider vielleicht sogar als Mensch.

Manche nehmen’s leichter. Den coolsten, wenn auch nicht gesundheitsfördernden Umgang mit der »Sissi«-Trilogie bekam ich bei einer Studentengruppe aus Würzburg mit, die sich gerne vor dem Fernseher zum »Sissi-Saufen« einfand. Die Regeln des Trinkspiels: Immer wenn im Film der Name »Sissi« fällt, muss kollektiv ein Stamperl Schnaps geleert werden! Rechnen Sie einmal nach, wie oft einander die beiden Hauptdarsteller allein im ersten Teil »Franzl!«– »Sissi!« zurufen …

Zur Ehrenrettung und Würdigung des Filmwerks des österreichischen Autors und Regisseurs Ernst Marischka sei gesagt, dass »Sissi« nicht nur unbeschwerte Unterhaltung bietet (auch ohne »Sissi-Saufen«), sondern zudem einige Körnchen der wahren Geschichte in sich birgt. So hat die bayerische Wittelsbacher-Prinzessin Elisabeth wie im Film auch in Wirklichkeit ihren Cousin Franz Joseph 1854 in der Wiener Augustinerkirche geheiratet. Und selbst, wenn die kaum 17-jährige Braut Elisabeth familienintern nicht wie im Film Sissi, sondern Sisi oder Lisi gerufen wurde, so stimmt auch, dass die Tochter des Herzogs Max in Bayern, eines reichen, lebenslustigen Aristokraten, der froh war, nichts mit Politik oder anderer Arbeit zu tun zu haben, genau das war, was ihre Schwiegermutter Erzherzogin Sophie in ihr sah: ein »Fratz«.


Dieser bayerisch-österreichische Ausdruck für eine Göre birgt die Doppelbödigkeit in sich, dass das Mädchen wirklich reizend gewesen sein muss, von springlebendigem Wesen und so süß, dass sie das Herz des 23 Jahre alten Kaisers im Sturm eroberte, der sie der eigentlichen Heiratskandidatin, ihrer älteren Schwester Helene, genannt Néné, vorzog. Andererseits war Elisabeth selbst für eine hocharistokratische Tochter überaus verwöhnt und vor allem zwanglos erzogen worden. Nicht nur das Zeremoniell am Kaiserhof sollte ihr zu schaffen machen, sondern, dass sie im Gegensatz zu ihrem Ehemann keine Sekunde lang darauf vorbereitet worden war, Kaiserwürden zu tragen. Und sie wollte das auch gar nicht, wie sie nicht nur ihren Poesiealben anvertraute (»Ich bin erwacht in einem Kerker – Und Fesseln sind an meiner Hand«), sondern auch Teilen ihrer Umgebung nicht verschwieg.

Ihr angeblich so nachhaltiger politischer Einfluss zugunsten der Ungarn in der Monarchie entspross sicherlich einer ehrlichen Haltung, wird aber gewöhnlich stark übertrieben dargestellt und ist gleichermaßen ein Mythos wie eine Mär. Der Kaiser orientierte sich in seiner Politik nicht so sehr an der Meinung seiner Frau, sondern an ganz anderen Kriterien, wie wir gegen Ende unserer Zeitreise noch sehen werden.

Nach dem frühen Tod ihrer ersten Tochter 1857 hatte ihr die böse Schwiegermutter Sophie, eine hantige Bayerin, die zugleich ihre Tante war, noch dazu den 1858 geborenen Sohn Rudolf zwecks strenger Erziehung zum Thronfolger abgenommen, und Elisabeth suchte ihr Heil in der Flucht. 1860 verreiste sie und kam nur mehr gelegentlich nach Wien zurück.


Die Popularität Franz Josephs war nach der verlorenen Schlacht von Solferino 1859 auf dem Tiefpunkt angelangt, und wie man sich erzählte, ging er fremd. Noch im 20. Jahrhundert wollte der Schriftsteller Alexander Lernet-Holenia in Ischl mehrere einheimische Männer besten Alters gesehen haben, die dem Monarchen verdächtig ähnlich sahen …

Alles Gründe für die Kaiserin, bis zu ihrem gewaltsamen Tod durch Anarchistenhand 1898 in Genf mehr oder weniger permanent auf Reisen zu sein und sich nur mehr um sich selbst und die Menschen ihres Herzens zu kümmern. Vergleiche mit einer britischen Prinzessin des 20. Jahrhunderts drängen sich geradezu zwangsläufig auf – jedem Volk seine Lady Diana.

Die kaiserliche Ehe war nach sechs Jahren bereits de facto gescheitert. Ein gerüttelt Maß Anteil daran hatte Franz Josephs Mutter Sophie, die seit seiner Geburt darauf hingearbeitet hatte, ihn zum Kaiser zu machen.

Diese Tochter von König Maximilian I. von Bayern und Karoline von Baden hatte bald nach ihrer Übersiedlung nach Wien 1824 den Ruf, der »einzige Mann bei Hof« zu sein. Umgeben von schlappen, vom langfristigen Inzest gezeichneten Habsburgern hatte sie einen der schlappsten von ihnen, ihren Ehemann Erzherzog Franz Karl, so weit in der Hand, dass er einwilligen sollte, zugunsten des Sohnes auf die ihm zustehende Erbfolge nach seinem Bruder, dem regierenden Kaiser Ferdinand I., zu verzichten. Und der Thron würde bald zur Disposition stehen.

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