Читать книгу Franz Josephs Land - Martin Haidinger - Страница 17

KELTENS (T)AAT

Оглавление

Die Illyrer, wer immer sie gewesen sind, haben keine Chance. Schwer bewaffnet fallen die Kelten über sie her. Ihr Stammland Gallien, also weitgehend das heutige Frankreich, ist überbevölkert, und sie suchen neue Lebensräume.

Für die Kelten gilt nun erst recht die schon bei den Illyrern ausgesprochene Unschärfevermutung. Denn wie genau man sich Kelten zwischen Britannien und Westungarn vorzustellen hat, von der Hallstatt- zur Laténe-Zeit und anderen kulturellen Ausformungen und das in einem Zeitraum von 600 vor bis wer weiß schon wie viel nach Christus, ist vollkommen unklar. Die vielen Stämme, die unter diesen Sammelbegriff fallen, nannten sich selbst sicher nicht »Kelten«. So schade das für Comic-Fans sein mag, waren sie nicht einmal herrliche Asterix-Gestalten, und auch wenn der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky im August 1975 im Herrenmagazin Playboy bemerkt hat, die Österreicher stammten seiner Meinung nach von den Kelten ab, so war das doch nur eine von vielen Versuchen, die durch die Nazizeit in Verruf geratenen Germanen nachträglich loszuwerden und die unverfänglichere Keltenkarte auszuspielen.


Ich benutze den Begriff trotzdem weiter, weil sich in diesem Völkerreigen sonst überhaupt keiner mehr auskennt – die penible Fachwelt möge es mir nachsehen …

Im Westen setzen die Kelten irgendwann nach Britannien über, werden im Süden 387 nur durch schnatternde kapitolinische Gänse an der Eroberung Roms gehindert, dringen ostwärts nach Böhmen vor (das von den keltischen Boiern seinen Namen erhält), und überfallen von Mur- und Drautal kommend die Illyrer. Noriker heißen die Kelten dieses großen Stammes, und sie machen sich das Land zwischen den Karawanken im Süden und der Donau im Norden untertan. Ihr Hauptquartier schlagen sie am Magdalensberg in Kärnten auf. Zunächst installieren sie einen Adelsclub als Regierungsteam, das sich dann irgendwann zu einem Königtum auswächst. Anarchistisch eingestellte Zeitgenossen haben nun Anlass für Weh und Klage, denn die Noriker schleppen nicht nur ihr Konzept von Staatlichkeit ein, sondern stellen auch den ersten uns bekannten Herrscher Österreichs. Cincibilus wird jener König Noricums von den lateinischen Chronisten genannt, der mit den südlichen Nachbarn, den Römern, einen Freundschaftsvertrag über die Duldung keltischer Stämme im Grenzgebiet und die Lieferung norischen Eisens abschließt.


Gemeinsam ist Kelten und Römern das Grauen vor dem unbekannten und unheimlichen Norden des Kontinents. Von dort, jenseits der Donau, erhält man alsbald unsanfte Liebesgrüße in Form von durchziehenden und marodierenden germanischen Stämmen der Kimbern und Teutonen. Angesichts dieser Gefahr lassen die Kelten erstmals römische Soldaten ins Land, die aber nicht etwa die Grenzen Noricums eisern absichern, sondern das tun, was 2000 Jahre später als »Raumverteidigungskonzept« des österreichischen Bundesheeres den Schutz bedeutender Schlüsselpositionen statt das krampfhafte Halten von linearen Grenzen vorsehen wird. Einer dieser wichtigen Punkte ist im Jahr 113 vor Christus jener sagenhafte Ort, der nach der keltischen Muttergöttin Noreia benannt und möglicherweise am Magdalensberg, vielleicht aber auch beim Berg Gračarca südlich des Klopeinersees gelegen ist. Oder auch ganz woanders – wir wissen es nicht. Bekannt ist nur, dass bei Noreia die römische Armee zum ersten Mal eine dermaßen gewaltige Ohrfeige von den Germanen ausfasst, dass noch die österreichischen Deutschnationalen im fernen 19. und 20. Jahrhundert ihre eigene Zeitrechnung triefend vor Hohn mit diesem Jahr der ersten vernichtenden Niederlage der Römer 113 vor Christus beginnen lassen werden.

Die Geschlagenen haben indes Glück im Unglück, denn die Kimbern und Teutonen ziehen von Noreia nicht südwärts nach Italien und Rom weiter, sondern wenden sich nach Westen in Richtung Rhein.

Für alle Beteiligten, ob Römer oder Kelten, steht nun fest, dass der Feind aus dem Norden kommt und Noricum ein Grenzland ist, ein durch Invasoren gefährdetes Gebiet. Ein bestimmender Charakterzug späterer österreichischer Mentalität ist geprägt. Sie beinhaltet die so felsenfeste wie illusionäre Meinung, dass die Amerikan… ähhh die Römer oder andere starke Mächte dem liebenswerten kleinen Volk schon irgendwie aus der Patsche helfen werden, wenn ein Feind ins Land hereindrängt.

Franz Josephs Land

Подняться наверх