Читать книгу Franz Josephs Land - Martin Haidinger - Страница 13

DER FLUCH

Оглавление

Dezember 1848. Die kaiserliche Familie und der Hof sind aus dem revolutionären Wien nach Olmütz in Mähren geflüchtet. Der Aufstand im Oktober des Jahres in der Hauptstadt trägt bedrohliche Züge. Vielleicht reift da im jungen Thronanwärter Franz Joseph schon die Idee, dass man die einengenden Stadtmauern rund um Wien niederreißen muss, damit nie wieder Aufständische die Stadt so einfach übernehmen und zur Festung machen, oder umgekehrt die kaiserliche Familie darin belagern können. Breite und schnelle Zugangswege für helfende Entsatztruppen gehören her, die ständig in Garnison rund um die Stadt liegen müssen. Am geistigen Horizont des Erzherzogs taucht möglicherweise bereits die Idee zu einem breiten Boulevard und zu jenen Militärbauten auf, die später als Arsenal und Kronprinz-Rudolf-Kaserne (die nachmalige Rossauer Kaserne) errichtet werden … Jedenfalls wird der traumatisierte Habsburger seine Skepsis gegenüber Wien und seinen Bewohnern seit dem Herbst 1848 nicht mehr ganz ablegen und sie mit vollbesetzten Kasernen umzingeln.

Am 2. Dezember übergibt Kaiser Ferdinand im Prunksaal der fürsterzbischöflichen Residenz zu Olmütz seinem 18-jährigen Neffen Franz Joseph die Kaiserwürde. »Es ist gerne geschehen«, sagt der Gütige zu seinem vor ihm knienden Nachfolger.


Franz Joseph führt auch als Kaiser den Doppelnamen, der an zwei seiner Vor-Vorgänger gemahnt, den Reaktionär Franz I. und den Reformer Joseph II., wählt als Devise »Viribus unitis« (»Mit vereinten Kräften«) und erklärt in seinem Manifest zur Thronbesteigung, dass er die Herrschaft der Krone wiederherstellen will, aber bereit sei, die Vertreter des Volkes dabei mitreden zu lassen. Das ist – mit Verlaub – eine Lüge, die ihm sein schlauer Ministerpräsident Fürst Felix Schwarzenberg diktiert hat. Denn in Kremsier, ebenfalls in Mähren, tagt gerade ein Reichstag, eine Versammlung von Delegierten, die eine neue Organisation der Monarchie ausarbeiten – eine Verfassung. Sie sollen durch das Versprechen des neuen Kaisers ebenso hingehalten werden wie die aufständischen Ungarn und Italiener.

Die Tatsache, dass die erste Aufgabe des jungen Kaisers sein wird, diese revolutionären Tumulte endgültig niederzuschlagen, war eine schwere Hypothek gleich zu Beginn seiner Regierung. Um die politischen Umstände zu verstehen muss man mehr darüber wissen, und das werden wir erst gegen Ende unserer Reise.

Nur so viel vorweg: Als der ungarische Ministerpräsident und Revolutionär Graf Lajos Batthyány dem jungen Kaiser sicherheitshalber huldigen wollte, wurde er in Pest auf Betreiben des österreichischen Generals Haynau gleichzeitig mit 13 ungarischen Revolutionsführern und Generälen (diese in Arad) hingerichtet. Jener 6. Oktober 1849 ging als ein bitterer Tag in die ungarische Geschichte ein und schuf Märtyrer und Nationalhelden, die über viele Generationen verehrt wurden und noch werden.

Diese und andere Bluttaten wurden im Namen des Kaisers verübt. Viele Menschen verfluchten Franz Joseph in den Tagen der Gräuel, aber besonders wirkungsvoll soll es Batthyánys Frau getan haben: »Himmel und Hölle sollen sein Glück vernichten, sein Geschlecht soll vom Erdboden verschwinden, und er selbst soll heimgesucht werden in den Personen derer, die er liebt! Sein Leben sei der Zerstörung geweiht und seine Kinder sollen elend zugrunde gehen!« – Und so geschah es auch. Franz Joseph konnte ja angesichts dieser Verwünschung nichts anderes als Pech im Leben haben.


So sehen es zumindest Fatalisten.

Realisten hingegen wissen, dass alle Monarchen des 19. Jahrhunderts an Leib und Leben gefährdet und Attentate an der Tagesordnung waren. Trotzdem werden gerade beim langlebigen Franz Joseph gerne die Schicksalsschläge aufgezählt, die ihn in den folgenden Jahrzehnten trafen:

■ 1854 überlebte er durch Glück und Tapferkeit zweier besonnener Retter ein Attentat.

■ 1867 wurde sein (ihm denkbar unähnlicher) Bruder Maximilian als Kaiser von Mexiko erschossen.

■ 1889 schied sein (von ihm unverstandener) Sohn Rudolf aus dem Leben.

■ 1898 wurde (die ihm entfremdete) Kaiserin Elisabeth in Genf ermordet.

■ 1914 schließlich schoss der serbische Attentäter Gavrilo Princip auch noch den (von ihm ungeliebten) Thronfolger Franz Ferdinand samt Gemahlin Sophie tot.

Doppelt tragisch, wichtige Menschen zu verlieren, denen man persönlich nicht oder nicht mehr nahe ist.

Ja, es stimmte, es blieb ihm sprichwörtlich »nichts erspart«. Und par distance litten viele mit ihm. Je älter er wurde, desto schwerer wog die Tragik, die auf diesem entrückten Mann lastete, wurde er zum Schmerzensmann, in dem viele Untertanen die Sorgen ihres eigenen Lebenskampfes wiederzuerkennen meinten, der doch so ungleich härter war als das Dasein der kaiserlichen Herrschaften.

Meine eigene Großmutter, Katharina Haidinger (1896–1983), gemeinsam mit ihren Geschwistern aus Zlabings in Südmähren eingewandert, seit den 1910er-Jahren wohnhaft in der Brigittenau, dem 20. Wiener Gemeindebezirk, eine arme Frau in einer armen Gegend, verdiente das Geld für sich und ihre Familie mit Wäschewaschen, und es langte gerade für das Notwendigste. Schon als junges Mädchen hatte sie ein Hobby: Sie sammelte Zeitungsausschnitte und Bilder des alten Kaisers! Sie, die Bitterarme, die schon durch ihre soziale Stellung wie selbstverständlich sozialistisch eingestellt war und dann in den 1920er-Jahren die erste rote Emanzenzeitschrift Die Unzufriedene (Kampfruf: »Wenn die Frauen vorwärtskommen wollen, müssen auch sie unzufrieden sein!«) las, lebte und fühlte offenbar mit dem konservativen Monarchen mit. Wem das paradox vorkommt, der analysiere die Psyche der Mindestpensionistinnen unter den Leserinnen der bunten Blätter der Gegenwart, die sich über die schweren Schicksale so machtloser wie steinreicher Königinnen und Adelshäuser Sorgen machen. Im Unterschied zu diesen war Franz Joseph wenigstens das eigene Staatsoberhaupt, mit einiger Machtfülle ausgestattet, und solcherart sicher eher der Beachtung wert.


Einen realpolitischen Hintergrund hatte die Liebe zum Kaiser vor allem für die »kleinen Völker«. Als sich in ganz Europa Nationen im Sinn eines Nationalismus bildeten, kristallisierte sich heraus, dass Österreich von »historischen Nationen« dominiert wurde, die eigene Eliten hatten, Adelige, Bürger und Intellektuelle, die entweder etwas besaßen oder vor allem die Gebildeten in ihren Reihen hatten: Deutsche, Ungarn, Italiener und Polen. Benachteiligt waren hier die Tschechen, die sich politisch und ethnisch von den Deutschen und die Kroaten, die sich von den Ungarn bedrängt fühlten. Andere, wie Slowaken und Ruthenen (also Ukrainer), Rumänen und Illyrer (alle nichtkroatischen Südslawen am Balkan, orthodoxe Serben, muslimische Bosnier), wurden gar nicht als eigene Ethnien wahrgenommen und allenfalls als Bauern- oder Hirtenvölker gesehen. Ein Sonderfall waren die Juden, deren im 18. Jahrhundert begonnene Anpassung (heute würde man von Integration sprechen) an die christlichen Gesellschaften durch einen wachsenden Antisemitismus wieder zunichtegemacht wurde.


Wenn nun das Habsburgerreich zerfiele und die großen Nationen sich an ein geeintes Deutschland, ein vereinigtes Italien oder ein neues Polen anschließen würden oder ein selbstständiges Ungarn entstünde, wo blieben dann die Kleinen? Das war der springende Punkt, warum der tschechische Historiker und Revolutionär František Palacký 1848 die Reißleine zog, eine Teilnahme als Delegierter im gesamtdeutschen Parlament in der Paulskirche ablehnte und meinte, man müsse Österreich erfinden, wenn es nicht schon bestünde.

Der »Autroslavismus« band also Teile der Tschechen, Slowaken, Ukrainer, Slowenen, Bosnier, Serben und auch die Kroaten an ein Österreich, das ihnen Schutz vor den Zudringlichkeiten der Großen versprach. Das war einer der Gründe, warum 1848 gerade der kroatische Banus (Vizekönig) Joseph Jellacic mit besonderer Energie die ungarisch-deutsche Revolution niederzuschlagen half und warum Wien mit serbischen und (nichtslawischen) rumänischen Rebellen in ihrer Agitation gegen Ungarn gemeinsame Sache machte. Und solange Russland die Entstehung eines neuen Polen blockierte, waren auch die Polen der Monarchie froh, Obhut unter dem Dach Österreichs zu finden. Franz Joseph schien der Garant dafür zu sein. Er wusste das auch und regierte in einem komplizierten Schaukelspiel mithilfe der kleinen Völker durch eine Balance der Gewichte. Eine vertrackte Situation, deren Ursachen in früheren Jahrhunderten wurzeln, die wir noch kennenlernen werden.

Wer als einfacher Untertan jedweder Nationalität direkten Kontakt mit dem Kaiser haben wollte, musste um eine öffentliche Audienz ansuchen. Eingeführt hatte sie einst Joseph II. und parallel dazu »alle diejenigen noch von den Kaisern aus Spanien hergebrachten Gebräuche (…) abgestellt«, wie der Reformer selbst sich ausdrückte. So waren zu Zeiten Franz Josephs I. auch das spanische Mantelkleid und andere Mätzchen verschwunden, die den Österreichern »spanisch vorgekommen« waren.


Nach den morgendlichen Rapporten der Obersten Hofchargen ging der Kaiser in ein Kabinett am sogenannten Kontrollgang im Mezzanin des Leopoldinischen Trakts der Hofburg. Dort warteten meistens viele Bittsteller. Franz Joseph hörte sie an und ließ ihre Bittschriften an seine Sekretäre aushändigen. Das Besondere daran: Zum Kontrollgang war jedermann zugelassen, einerlei welche Kleidung er trug – einzigartig am sonst so formenversessenen Wiener Hof!

Jeden Freitag wurden zusätzlich Bürger in Achtergruppen vom Kaiser empfangen. »Was wollen Sie, wie heißen Sie, haben S’ etwas Schriftliches bei sich?«, lautete die stereotype Frage des Allerhöchsten. Dann hörte er das Anliegen an und endete mit dem Satz »Nun wollen wir schon sehen, was zu machen ist.«

Das alles spielte sich Freitag für Freitag von 7 Uhr früh bis 13.30 Uhr nachmittags ab.

Formeller waren die vorgeschriebenen Audienzen für Diplomaten und Hofbeamte. Sie hatten in »hoffähiger Kleidung« zu erscheinen. Selbst der Leibarzt Josef Ritter von Kerzl hatte Frack anzulegen, wenn er den Kaiser untersuchte. Der Doktor, so heißt es in einer gern erzählten Geschichte, wurde einmal in Straßenkleidung ans Bett des alten Kaisers gerufen, da der in einem plötzlichen schweren Anfall nach Luft rang. Der Monarch hätte ihn verscheucht, nur das Wort »Frack … Frack …« japsend.

Wahr ist jedenfalls, dass sich Franz Joseph um untergeordnete Details selbst kümmerte. Jeden Gesandten, jeden Beamten, jeden Offizier ernannte er persönlich. In seiner Regierungszeit kamen mehr als 250 000 Audienzen in der Hofburg, in Schönbrunn, in Prag und in Budapest zusammen. Dabei vereinsamte er inmitten der Hofgesellschaft und seiner beiden bürgerlichen Mätressen (oder »Bekannten«, wie das in Wien so fesch und augenzwinkernd genannt wird), Anna Nahowski und Katharina Schratt.

Die Hofburgschauspielerin Schratt bevölkert bis heute ganze Bände von Anekdoten – zusammen mit dem Kammerdiener Eugen Ketterl oder dem ständig besoffenen Badediener, der den kaiserlichen Leib allmorgendlich im portablen Gummibassin in Schönbrunn zu säubern pflegte und dabei einmal volltrunken in die Wanne fiel – oder dem Schauspieler Alexander Girardi, der als Gast des Monarchen ob seiner Nervosität von Franz Joseph befragt und zum Possenreißen aufgefordert wurde und zur Antwort gab: »Jausnen Sie einmal mit einem Kaiser, Majestät!« Und so weiter und so fort.

Die bekannten Worte »Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!« soll sich der Kaiser zugelegt haben, da er wusste, dass ein ehrliches, womöglich negatives Urteil über Personen, Dinge oder Zustände in der Öffentlichkeit genau registriert wurde und schwerwiegende Folgen haben konnte. So erhängte sich der Architekt Van der Nüll angeblich wegen der kaiserlichen Kritik an Mängeln an der von ihm und Siccardsburg erbauten neuen Hofoper.

Franz Josephs nachhaltigste Großtat in und für Wien war ab 1858 der Abriss der Stadtmauern und die Errichtung der Ringstraße samt jenen Prachtbauten, die bis heute im wahrsten Sinn des Wortes das Kapital der Stadt sind. Da bekam der Kaiser seinen repräsentativen Boulevard und zugleich die breiten Zufahrtsmöglichkeiten für Polizei und Militär.

Die alten Wiener dagegen jammerten vor allem wegen des Verlusts ihrer Erholungsgebiete im Umfeld der Stadtmauern, des Glacis und des sogenannte »Paradeisgartels« mit den beliebten Grünflächen. Das heute so berühmte »Alte Wien« hat also auch einmal als umstrittenes »Neues Wien« angefangen.

Nebenbei wurden die Riesenbaustellen und danach die Wiener Weltausstellung 1873 zum Nährboden für gewaltige politische Umwälzungen. Denn die aus anderen Kronländern, vor allem aus Böhmen, zugewanderten Bau- und Ziegelarbeiter ließen das Proletariat und die Vororte rapide anwachsen. Das veränderte nicht nur die Wiener Sprache, den Dialekt, der tschechische Laute und Färbungen wie das »Meidlinger L« in sich aufnahm, sondern die Platzprobleme, die Wohnungsnot und die von den liberalen Fabrikanten gebotenen harten Arbeitsbedingungen schnürten den armen Menschen auch die Luft ab. Findige Intellektuelle wie der Wiener Armenarzt und Journalist Victor Adler schufen auf dieser Grundlage nach reichsdeutschem Vorbild eine mal mehr, mal weniger revolutionäre sozialdemokratische Arbeiterbewegung, deren Geschichte uns später noch beschäftigen wird. Ebenso wie eine weitere Massenbewegung, die christlichsoziale, und diverse deutschnationale, liberale und völkische Parteien. Sie alle lösten die altliberalen und konservativen Kräfte ab, die unmittelbar nach 1848 die politische Bühne dominiert hatten. Der neuen Bewegungen Herr zu werden oder gar die soziale Frage zu lösen, gelang ebenso wenig, wie das ausweglose Dilemma der unterschiedlichen Völker zu meistern.


Nach und nach gestand man nur mehr dem Kaiser selbst zu, sie alle zu vereinen – er wurde zur Personifikation seines Reichs, der echteste, ja der einzig echte Österreicher.

Zur vollkommenen Erfüllung dieses Klischees haperte es freilich in einem Punkt: Franz Joseph hat bis heute den Ruf eines Kunst- und Kulturbanausen. Tatsächlich war er unmusikalisch und an Theater und Literatur desinteressiert, förderte weder die Künste übermäßig, noch behinderte er sie diesseits der sittlichen und moralischen Schranken seiner Zeit. Die zeitgenössische Malerei, die Wiener Secession – alles spanische Dörfer! Auch die moderne Technik wie Telefone und Autos verweigerte er.

Und so kam es, dass zwischen 1848 und 1916 unter Franz Joseph Kultur und Wissenschaft das Land und sogar die Welt veränderten, von ihm selbst aber weitgehend unbeachtet blieben. Zum Vergleich:

■ 1848 wird der Radetzkymarsch von Johann Strauß Vater (1804– 1849) uraufgeführt.

■ 1916 wirken bereits die Komponisten und Vertreter der Atonalität, der »Wiener Schule«, Arnold Schönberg (1874–1951), Anton von Webern (1883–1945) und Alban Berg (1885–1935) in der Reichshaupt- und Residenzstadt.

■ 1849 gelingt der österreichischen Marine zum ersten Mal das technische Kunststück, einen Ballon von einem Schiff aus zu starten, um das aufständische Venedig zu bombardieren (Letzteres scheiterte allerdings am ungünstigen Wind).


■ 1911 ist Albert Einstein Professor für Theoretische Physik an der deutschen Universität Prag und wird österreichischer Staatsbürger. Zu diesem Zeitpunkt hat er längst die Spezielle Relativitätstheorie publiziert.

So verlief die Ära Franz Joseph zwischen Radetzkymarsch und Atonalität, zwischen trudelnden Luftballons und der Elektrodynamik bewegter Körper.

Von den aufkommenden Moden schenkte der Greis nur dem bewegten Bild, dem Film Aufmerksamkeit, wohl, weil er in hellen Momenten die volkstümliche Wirkung des neuen Mediums erkannte.

Die französische Firma Pathé erhielt bis 1914 praktisch ein Monopol auf kaiserliche Filmaufnahmen und kam dem Monarchen sehr nahe – ein glücklicher Umstand, dem wir packende Stummfilme des Kaisers und seiner Umgebung verdanken.

Auch hier wieder eine Analogie: Als Franz Joseph sein Amt antrat, war die Fotografie (Daguerreotypie) gerade einmal seit neun Jahren patentiert und die Abbildung lebender Personen wegen der langen Belichtungszeit noch eine ziemliche Prozedur. In seinem Todesjahr 1916 gab es schon die ersten Experimente mit frühen Tonfilmen unter Kombination von Laufbildern mit Grammophonaufnahmen.

In der Politik erlebte und überlebte Franz Joseph mehrere Generationen. Sein erster Ministerpräsident Fürst Felix Schwarzenberg war Geburtsjahrgang 1800 gewesen, sein vorletzter Karl Graf Stürgkh Jahrgang 1859, also beinahe 60 Jahre jünger.

Parallel dazu verging das Reich Schritt für Schritt, wich nach und nach von den Schauplätzen der Weltpolitik zurück, wurde zur »kleinsten Großmacht«. Als der junge Mann den Laden übernommen hatte, herrschten zwar Aufruhr und Finanznot, aber wenigstens erbte er einen zentralistischen Staat, dessen Macht nach vielen Seiten zu den Nachbarn hin ausstrahlte. Dann scheiterte Franz Josephs Führungsstil sowohl diplomatisch (durch die Neutralität im Krimkrieg) als auch militärisch 1859 (Solferino) und 1866 (Königgrätz), Österreich wurde aus Deutschland und Italien hinauskomplimentiert, seine Einflusssphäre auf den Balkan reduziert, und der Kaiser musste außerdem nach etlichen Versuchen, sich mit Tricks darum herum zu mogeln, eine dauerhafte Verfassung zulassen. Gerade er, der 1851 in einem Brief an seine Mutter noch frohlockt hatte: »Wir haben das Konstitutionelle über Bord geworfen und Österreich hat nur mehr einen Herrn!« – »Gott sei gelobt!«, hatte die Frau Mama damals daneben notiert.


Vor allem aber erhielten die Ungarn im Ausgleich 1867 ihren eigenen Staat, was einerseits zur Unregierbarkeit des Länderhaufens beitrug und andererseits die k. u. k. »Doppelmonarchie« hervorbrachte, die im Rückblick einerseits verklärt (als »gute alte Zeit«), verniedlichend bespöttelt (»Kakanien«) oder wütend verdammt (»Völkerkerker«) wurde. Sie existierte nur 51 Jahre lang und war eine späte Blüte – die letzte, knapp vor dem Verwelken des Habsburgerreiches, das bis dahin eine ganze Ewigkeit bestanden hatte und keine halbe mehr vor sich hatte.

Die Stellung hielten als einende Klammern die Beamten und Militärs mit dem Kaiser an der Spitze, der – wenigstens hierin egalitär – eine Uniformkappe trug, die denselben einfachen Schnitt hatte wie jene seiner Generäle und Briefträger.

Franz Josephs Land

Подняться наверх