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2 Das Drama mit dem Gugelhupf 2.1 Thema Ihrer Bachelorarbeit: „Backen Sie einen Gugelhupf!“

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Stellen Sie sich vor, Sie studieren „Bäckereiwesen“ und sollen eine Bachelorarbeit schreiben – Thema: „Backen Sie einen Gugelhupf“. Ihre Bearbeitungszeit beträgt drei Stunden; Sie gehen nach Hause und denken sich „Klar, Gugelhupf! Kein Thema! Kenn ich! Da gibt’s im Internet bestimmt „echt geile“ Rezepte. Und Zutaten hab ich ja auch zu Hause.“

Nach so viel Nachdenken setzen Sie sich erst einmal zehn Minuten aufs Sofa, um sich entspannt zurückzulehnen: „Gott sei Dank! Gugelhupf backen als Thema der Bachelorarbeit – und nicht etwa Berliner, Amerikaner, Kipferl oder ähnlich Kompliziertes. Hätte sonst echt voll schwierig werden können. Aber so! Wird echt voll easy!“ Nach zwanzig Minuten – Sie waren dann doch mal kurz eingenickt, was aber nicht weiter schlimm ist (geht ja dann doch alles ziemlich fix) – setzen Sie sich an Ihren Computer, um im Internet nach einem Rezept zu surfen.

Sie staunen nicht schlecht, als Sie feststellen, dass es nicht nur EIN Gugelhupfrezept gibt, sondern Hunderte! So finden Sie neben dem Elsässer Original u. a. das von der „Uroma überlieferte Rezept“ sowie den „Gugelhupf nach Großmutters Art“. Bereits Mozart scheint ein einzigartiges Rezept entwickelt zu haben; jedenfalls bietet man Ihnen das Rezept für einen „Mozart-Gugelhupf“ an. Neben Rezepten für Mohren- und Möhren-Gugelhupf stoßen Sie auf den Advent- und den Dominostein-Gugelhupf, der „schön weihnachtlich“ schmeckt. Wie wär’s mit einem Eierlikör-Gugelhupf – gerne auch in der Eierlikör-Mandel- oder Eierlikör-Schoko-Variante? Stutzig macht Sie der gerollte Quarkteig-Gugelhupf mit saftigem Teig und „variabler Füllung“ (ohne Ei!). Schließlich finden sich unter den Internetleckereien auch zahlreiche „deftige Gugelhupfs“:

• Glühwein-Gugelhupf,

• Pizza-Gugelhupf,

• Gugelhupf mit Bier,

• Schinken-Gugelhupf (zu Wein),

• Brez’n Gugelhupf.

Dann vielleicht doch lieber die „Lightversion vom Gugelhupf“? Kein Problem – alles da.

Nach kurzem Überlegen – die Zeit läuft – entscheiden Sie sich ganz spontan für den Klassiker. Der Betreuer hat ja nix von einer „Spezialversion“ erzählt. Und außerdem: Wenn schon all die Bäcker dieser Welt sich nicht einigen können, wie ein echter Gugelhupf aussehen und schmecken muss, kommt’s wohl bei Ihnen als kleinem, unbedarftem Studenten des Bäckereiwesens schon gar nicht so genau drauf an, sich mit all den Varianten auseinanderzusetzen – so sinnvoll oder sinnlos all die Gugelhupfrezepte auch sein mögen.

Sie eilen zum Vorratsschrank, um die Zutaten zusammenzustellen. Wie war das noch gleich?

• Ein Pfund Mehl? 500 Gramm – so viel!? Nun ja: 200 Gramm sind noch da. Muss reichen.

• 1 Teelöffel Salz? Massig da. Passt.

• ½ Pfund Butter. Butter? Nicht da; aber dafür hinreichend Margarine. Glück gehabt.

• 6 Eier? Jawohl. Haltbarkeitsdatum abgelaufen? Wurscht. Merkt der Korrektor ohnehin nicht.

• 100 g Zucker. Kandiszucker wird’s wohl auch tun. Sooo kleinlich wird der Betreuer der Bachelorarbeit ja wohl nicht sein.

• 1/8 l Milch? Heute morgen den Rest getrunken, aber die kann man sich ja vom WG-Nachbarn „leihen“.

• 35 g Hefe. Nicht da. Aber was sind schon 35 Gramm, da kann man mal locker drauf verzichten.

• 60 g Rosinen? Nö, Weintrauben tun’s auch.

• Etwas geriebene Zitronenschale? War da nicht noch irgendwo eine Mandarine von Weihnachten?

• Mandeln? Fehlanzeige. Ist aber ohnehin nur Schnickschnack, den Kuchen zu verzieren.

In null Komma nix haben Sie alle Zutaten zusammengetragen – und atmen erst einmal tief durch. Die Zeit, die Sie durch das Einnicken auf dem Sofa verpennt haben, konnten Sie durch das Internet zumindest teilweise wettmachen. Und die Zutaten haben Sie ja auch alle parat. Logo!

So. Nun aber nix wie ran an die Buletten. Der Kuchen sollte nämlich möglichst ein bisschen früher fertig werden; denn schließlich wollen Sie heute mit Kommilitonen schon mal auf den zukünftigen Bachelor anstoßen. Und mit dickem Kopf backt’s sich schlecht.

Sie hauen also erst einmal alle Zutaten in die Schüssel. Zwar steht auf dem Rezept, dass es wichtig sei, Zucker, Mehl und Eier abwechselnd und unter ständigem Rühren unter die Butter zu geben; aber zum einen haben Sie’s eilig, zum anderen – so besagt ein altes Sprichwort – kommt im Magen ja sowieso alles zusammen. Und außerdem: Wichtig ist, wie der Kuchen am Schluss aussieht – und da haben Sie schon eine echt total tolle Idee, mit der Sie Ihren Betreuer echt voll total überraschen werden! Der kann dann einfach nur ’ne echt total gute Note drauf geben, es sei denn, der hat keine Ahnung von Desktop-Publishing – sorry: von modernem Kuchendesign.

Das Rühren des Teigs macht Ihnen dann doch etwas Mühe, da Sie keinen elektrischen Rührbesen besitzen. Um beim Verrühren mit dem Kochlöffel nicht allzu sehr ins Schwitzen zu geraten, brechen Sie den „Prozess“ nach gut einer Minute ab, da dann alles schon „ziemlich gut vermischt aussieht“. Nun geben Sie noch eine gehörige Portion Salz hinzu. War zwar nicht erforderlich, haben Sie aber hinreichend im Vorratsschrank. Warum also nicht!?

Damit der Gugelhupf auch als solcher erkennbar ist, sollte er (eigentlich) in einer typischen, hohen Kranzform (aus Metall oder Keramik mit einem „Kamin“ in der Mitte) gebacken werden; diese ähnelt der klassischen Puddingform und lässt den Teig gleichmäßig garen. Da Sie eine solche Form nicht besitzen („Ist voll teuer!“) und Ihren Betreuer ja ohnehin mit einem speziellen Äußeren überraschen wollen, beschließen Sie, einen Kontrapunkt zu setzen: Sie nehmen die Kastenform, die Ihnen Ihre Mutter zu Studienbeginn aus dem Altbestand überlassen hat. Das wird den Korrektor aber überraschen! Der vermutet bestimmt, dass Sie damit was ganz Besonderes ausdrücken wollen. Dass Sie gar keine passende Form haben, erkennt der im Leben nicht.

So. Nun den Gugelhupf noch kurz gehen lassen. Da Sie sich beim „Erstellen“ des Kuchens in der Zeit verschätzt haben, müssen 45 Minuten, in denen der Kuchen gehen kann, einfach reichen. Das Werk muss auf jeden Fall pünktlich fertig werden … Bachelor-Vorfeiern steht ja heute noch auf dem Programm!

Nach einer Dreiviertelstunde hat sich der Kuchen keinen Millimeter nach oben bewegt (wie auch – ohne Hefe!), weshalb Sie beschließen, Trick 17 anzuwenden: Sie lassen den Kuchen einfach etwas länger backen und drehen die Backtemperatur hoch! Die Hitze wird dem guten Stück schon Beine machen (he, he!). Als der Gugelhupf nach der vorgesehenen Backdauer noch immer nicht gegangen ist, werden Sie langsam unruhig und rufen – selbstverständlich rein prophylaktisch – Ihren Betreuer an: Er soll sich keine Sorgen machen. Sie haben alles im Griff – Sie wollen den Kuchen einfach etwas länger backen lassen, weil eben … künstlerische Freiheit. 15 Minuten später als ursprünglich vorgesehen holen Sie Ihr Meisterstück aus dem Ofen, aus dem es bereits gewaltig raucht. Allerdings hat die extra Hitze – das erkennen Sie auf den ersten Blick – nicht zu dem erhofften Resultat geführt. Angesichts der zahlreichen verkohlten Stellen beschließen Sie, den Titel Ihrer Arbeit leicht zu modifizieren: Sie verkaufen ihn einfach als „Dunklen Zwerg-Gugelhupf: Backresultat unter besonderer Berücksichtigung zusätzlicher Hitzezufuhr“.

Glücklich reichen Sie Ihr Werk nach drei Stunden und 15 Minuten bei Ihrem Betreuer ein. Dieser reibt sich verwundert die Augen, flucht (weil er sich an dem noch heißen Kuchen die Finger verbrennt), schneidet auf, probiert – und lässt Sie durchfallen. Die ganze Mühe – umsonst.

Was war schiefgelaufen?

Es ging das schief, was auch bei manch einer wissenschaftlichen Arbeit danebengeht. Wie Sie der Gegenüberstellung in Abb. 1 entnehmen können, sind zwischen dem Backen eines Kuchens und dem Anfertigen einer wissenschaftlichen Arbeit (hier = Bachelorarbeit) zahlreiche Parallelen zu erkennen. Beispielsweise sind in beiden Fällen die Zutaten sehr bedeutsam – statt Eiern, Mehl usw. eben Literatur, Ergebnisse empirischer Studien oder etwa Resultate einer eigenen Befragung. Eine ganz entscheidende Rolle spielt überdies die Art der Zubereitung (d.h. Gliederung, Argumentation, Stil usw.). All dies sind äußerst wichtige Elemente, die im Folgenden beschrieben werden und deren Bedeutung eingehend zu diskutieren sein wird.

Abb. 1: Kuchen backen und wissenschaftliches Arbeiten: Gemeinsamkeiten

Was beim Backen schieflief: Was beim Verfassen einer Bachelorarbeit geschehen würde:
Sie „verpennen“ einen Teil Ihrer Zeit und schenken der Vorbereitung auf das Backen zu wenig Aufmerksamkeit. Sie nehmen sich zu wenig Zeit, um Ihre wissenschaftliche Arbeit vorzubereiten (z.B. Suche nach einem geeigneten Thema / nach einer unbeantworteten Forschungsfrage; Literaturrecherche). Sie verpassen damit die Gelegenheit, Ihre Forschungsfrage zu präzisieren. Außerdem vertrödeln Sie wertvolle Zeit, die Ihnen später fehlen wird.
Sie verzichten auf Hefe. In einer wissenschaftlichen Arbeit ist die Forschungsfrage das Backtreibmittel; denn wenn Sie keine konkrete Vorstellung davon haben, was Sie tatsächlich erforschen wollen, dann fehlen Ihnen auch Ziel und Antrieb (= Impetus). Fragen Sie sich also: „Welche Forschungsfrage bewegt mich wirklich? Was will ich mit meiner wissenschaftlichen Arbeit erreichen?“
Sie verwenden weniger Mehl als vorgeschrieben. Ihrer Arbeit mangelt es an Substanz: Da Sie viel zu wenig Literatur verarbeiten, können Sie nicht oder nur wenig fundiert argumentieren.
Statt Butter nehmen Sie Margarine. Sie verarbeiten keine oder zu wenig hochwertige Literatur bzw. Information (z.B. Beiträge aus Fachzeitschriften / Journals).
Sie verwenden Eier mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum. Ihre theoretischen und empirischen Befunde stammen überwiegend aus alten bzw. älteren Quellen. Wegen der Halbwertszeit des Wissens und der Schnelllebigkeit mancher Themen ist es jedoch unabdingbar, (auch) aktuelle Befunde zu verarbeiten. Diese finden sich vorzugsweise in Journals bzw. Fachzeitschriften (z.B. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Journal of Management).
Sie verzichten auf die Zitronenschale; statt Rosinen nehmen Sie Weintrauben. Die Qualität Ihrer Arbeit hängt nicht nur von der verwendeten Literatur ab: Sie können den Inhalt auch dadurch anreichern und aufwerten, dass Sie bspw. eine eigene Primärstudie durchführen (z.B. Befragung) oder vorhandene Daten auswerten (= Sekundäranalyse).
Sie versalzen den Kuchen. Praxisbeispiele, d.h. konkrete Fälle und Ereignisse, die sich in der Realität (z.B. in Unternehmen, bei Konsumenten, in der Politik) zugetragen haben, sind das „Salz in der Suppe“ vieler wissenschaftlicher Arbeiten. Aber eben nur das Salz. Zu viel davon verdirbt den guten Geschmack: Auch mit noch so vielen Beispielen können Sie letztlich nichts beweisen. Grundsätzlich gilt: Sie benötigen zunächst ein theoretisches Fundament und erst dann – quasi zur Illustration – reale Beispiele, die Ihre Darstellung greifbar machen.
Die Milch „leihen“ Sie sich vom Nachbarn. Eine wissenschaftliche Arbeit müssen Sie eigenständig verfassen. Eigenständigkeit meint selbstverständlich auch, dass SIE für Inhalt und Beschaffung der Quellen bzw. Informationen (= Zutaten) zuständig sind.
Anstatt Schritt für Schritt vorzugehen, geben Sie alle Zutaten zugleich in einen Topf. Weil Ihrer Arbeit ein entscheidungslogischer Aufbau fehlt, können Sie nicht strukturiert vorgehen. Dies ist jedoch unabdingbar; denn ohne eine schlüssige (äußere) Gliederung ist eine konsistente (innere) Struktur nicht möglich.
Sie nehmen nicht den feinen Zucker, sondern groben, schwer verdaulichen Kandiszucker. Sie verzichten darauf, zu argumentieren und die in der Literatur gefundenen Aussagen „auseinanderzunehmen“. Stattdessen legen Sie dem Leser die Brocken unverdaut vor. SIE aber sind gefordert, sich mit Ihrem Thema auseinanderzusetzen, Lösungen zu erarbeiten, Konsequenzen abzuleiten, Statements zu begründen, Probleme aufzudecken und und und. Kurzum: Machen Sie aus dem Kandiszucker Feinstaub!
Sie rühren lediglich ein paar Mal um. Mit Ihrem Text und Ihrem eigentlichen Thema beschäftigen Sie sich nur sehr oberflächlich. Eine intensive Auseinandersetzung ist aber gerade bei wissenschaftlichen Arbeiten unabdingbar. Es genügt auf keinen Fall, Zitat um Zitat aneinanderzureihen. Entscheidend ist vielmehr, was Sie daraus machen, d.h. WIE Sie mit diesen Zutaten umgehen (z.B. Art der Argumentation, Kritik usw.).
Statt moderner Hilfsmittel (hier = Rührbesen) nehmen Sie den Kochlöffel. Moderne Hilfsmittel wie PC, Drucker und Internet erleichtern Ihnen die Arbeit und sind deshalb auch und gerade in der Wissenschaft nahezu unverzichtbar. Allerdings kommt es immer darauf an, wie Sie diese Instrumente einsetzen. Es versteht sich z.B. von selbst, dass Sie im Internet veröffentlichte Arbeiten Dritter nicht verwenden dürfen, ohne die entsprechende(n) Quelle(n) anzugeben.
Sie setzen auf ein eigenes Design: Statt der für den Gugelhupf typischen Kranzform verwenden Sie eine Kastenform. Sie halten sich nicht an Formvorschriften (z.B. Korrekturrand, Seitenränder, Zitierweise, Gestaltung der einzelnen Seiten). Diese Regeln haben jedoch äußerst wichtige Funktionen. Beispielsweise dient der Seitenrand dazu, Korrekturen anzubringen.
Sie verzichten auf Mandeln als „Appetizer“. Abbildungen und Tabellen fertigen Sie „nach Gusto“ an, ohne deren Wirkung und Bedeutung für Ihre Argumentation zu beachten. Allerdings sind Grafiken für eine wissenschaftliche Arbeit äußerst wichtig: Sie • fassen das Gesagte zusammen, • eignen sich zur Darstellung komplexer Zusammenhänge, • sind „Eye-catcher“, die den Leser neugierig machen.
Sie haben zu wenig Zeit, den Kuchen gehen zu lassen. Wegen mangelhaften Zeitmanagements haben Sie am Ende keine Gelegenheit, Ihre Arbeit ein paar Tage ruhen zu lassen bzw. Freunden und Bekannten zu geben, die einen kritischen Blick darauf werfen könnten.
Sie überschreiten die Backzeit. Wer zu lange an seiner Arbeit „herumdoktert“, läuft Gefahr, sie zu „verschlimmbessern“. Der Satz „Viel hilft viel.“ trifft nicht immer zu.
Sie wählen eine zu hohe Backtemperatur. Mangel an Zeit erhöht den Druck und führt u. a. zu einem Schlafdefizit. Die Konsequenz sind z.B. Flüchtigkeitsfehler aufgrund von ungenügender Konzentration.
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