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3.1.2 Was tun, wenn es Ihren Kuchen bereits gibt?

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Haben Sie ein tragfähiges Thema gefunden, dann sollten Sie vor allem in der Literatur einschlägige Informationen sammeln. Ganz generell kommen verschiedene Quellen in Betracht (vgl. hierzu Kap. 4). Die breit gefächerte Suche nach Wissen ist aus verschiedenen Gründen zweckmäßig.

• Sie können Ihr Themengebiet konkretisieren und Ihr Thema derart eingrenzen, dass es sich mit Blick auf Zeit, Seitenumfang und Verfügbarkeit der Informationen auch tatsächlich bearbeiten und handhaben lässt.

• Sie lernen Ihr Fachgebiet aus der „Hubschrauberperspektive“ kennen – ein unschätzbarer Vorteil, wenn Sie erfahren wollen, mit welchen Themen sich die „Scientific community“ derzeit und in der jüngeren Vergangenheit beschäftigt (hat).

Hinzu kommt ein weiterer Grund. Mit einer intensiven Literaturrecherche können Sie prüfen, ob eine Bearbeitung Ihres Problems überhaupt erforderlich und sinnvoll ist. Vielleicht hat sich ja bereits ein Dritter mit Ihrer ins Auge gefassten Frage beschäftigt? Oder um bei unserem Beispiel zu bleiben: Vielleicht hat schon jemand einen Gugelhupf „Elsässer Art“ gebacken. In diesem Fall wäre es u. U. nicht sinnvoll, noch einen solchen Gugelhupf abzuliefern; denn das wesentliche Ziel einer jeden Wissenschaft besteht bekanntermaßen darin, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Eine Forschungsfrage, die von anderen bereits aufgeworfen und beantwortet wurde, ist deshalb weniger zweckmäßig: Wie ein „Klassischer Gugelhupf Elsässer Art“ schmeckt, wissen wir halt schon – leider.

Abb. 5: Möglichkeiten zur Eingrenzung des Themas einer wissenschaftlichen Arbeit

Kriterium zur Eingrenzung Beispielhaftes Thema
Anwendungsbereich konkretisieren („am Beispiel von“) Die Bedürfnisse von Stromkunden: eine empirische Analyse am Beispiel Ökostrom
Aspekt auswählen („vor dem Hintergrund von“) Stellenwert des Ökomarketings vor dem Hintergrund der sich verändernden sozioökonomischen Struktur
Betrachtungsebene festlegen Einfluss des Ökomarketings auf das Konsumentenverhalten: Eine soziologische Betrachtung
Beziehungen herstellen Ursachen für das Scheitern von Ökomarketingkonzepten: Beitrag von Principal / Agent-Ansatz und verhaltenswissenschaftlichen Theorien
Einzelfall hervorheben („am Beispiel von“) Möglichkeiten und Probleme des Ökomarketings am Beispiel „Frosch-Reiniger“
Institutionen / Personen auswählen Bedeutung des Club of Rome für die Entwicklung des Ökomarketings
Neues hervorheben Stellenwert des Internets für das Ökomarketing
Quellen eingrenzen („im Spiegel der“) Entwicklungslinien des Ökomarketings im Spiegel der angloamerikanischen (deutschsprachigen; französischsprachigen) Literatur
Schwerpunkt setzen („unter besonderer Berücksichtigung von“) Möglichkeiten des Ökomarketings unter besonderer Berücksichtigung der Umweltgesetzgebung
System eingrenzen Einfluss von Umwelt- und Prestigebewusstsein auf die Bereitschaft zum Kauf von Ökoprodukten
Überblick geben Neuere empirische Studien zum Einfluss des Ökomarketings auf den Unternehmenserfolg: Ein Überblick
Variablen / Einflussfaktoren spezifizieren Determinanten der Umsetzung von Ökomarketingkonzepten in klein- und mittelständischen Unternehmen
Zeitlich eingrenzen Entwicklung des Ökomarketings von 1980 bis 2000

Und dennoch: Selbst wenn ein Thema bereits bearbeitet wurde, ist noch längst nicht aller Tage Abend! Am Anfang dieses Buches haben wir gesehen, dass auch ein Gugelhupf nicht nur in einer Variante angeboten wird. Ähnlich ist es bei wissenschaftlichen Themen: Man kann sie aus verschiedenen Perspektiven betrachten und ihnen damit eine ganz neue, ganz persönliche Note verleihen. Wir könnten bspw.

• den Kuchen in einem Backsteinofen garen lassen, weil er dann einen besonderen Geschmack annimmt, was ihn (in gewisser Weise) zu etwas Neuem macht,

• in den Teig bspw. kandierte Mandeln geben,

• die Zutaten in einer anderen Reihenfolge zusammenrühren und damit etwas Neues kreieren,

• ….

Übertragen auf wissenschaftliche Arbeiten ist damit gemeint, dass wir ein bestimmtes Thema aus einer neuen Perspektive betrachten (vgl. Abb. 6):

• mit einem neuen methodischen Ansatz und / oder

• mit einem neuen theoretischen Fundament und / oder

• mit einer neuen Forschungsfrage (vgl. hierzu Kap. 3.2).

Mit „neu“ ist in diesem Fall gemeint, dass der methodische Ansatz oder das theoretische Fundament zumindest für das zu lösende Forschungsproblem neu ist.

Im Übrigen ist es grundsätzlich möglich, ein bereits bearbeitetes Thema (dennoch) erneut auf ein und dieselbe Art und Weise zu lösen, etwa dann, wenn Sie mit einer Replikationsstudie prüfen wollen, ob sich die früher ermittelten Werte verändert haben.

Abb. 6: Ansätze zur Konzeption von Forschungsthemen


Neuer methodischer Ansatz

Die meisten Themen kann man mit unterschiedlichen Methoden bearbeiten. Wurde in einer Studie bspw. die schriftliche Befragung eingesetzt, so könnte man dasselbe Forschungsproblem u. U. auch mit einem Experiment oder per Beobachtung lösen.

Beispiele

(1) Zur Messung bzw. Bewertung von Kundenzufriedenheit steht eine Vielzahl von Verfahren zur Verfügung. Die am weitesten verbreiteten nachfragerorientierten Messansätze rücken die Perspektive der Kunden in den Mittelpunkt und lassen sich in objektive und subjektive Messansätze unterteilen. Abb. 7 vermittelt einen Eindruck von den mannigfaltigen Möglichkeiten, mit denen man die Zufriedenheit von Kunden bewerten könnte.

Abb. 7: Verfahren zur Bewertung der Kundenzufriedenheit


Quelle: Schneider/Kornmeier (2006, S. 48).

(2) Auch zur Bewertung des Zusammenhangs zwischen Absatzmenge und Preis (= Preis / Absatz-Funktion) kann man auf verschiedene Ansätze zurückgreifen. Diese beruhen teils auf primär-, teils auf sekundärstatistischen Daten. Überdies werden zu deren Analyse unterschiedliche Verfahren herangezogen, z.B. Regressionsanalyse (bspw. mit linearem oder multiplikativem Funktionsverlauf), Conjoint Analyse, probabilistische Preis-Response-Modelle usw. Die Daten wiederum können z.B. aus Kundendatenbanken, Expertenbefragungen, Feldstudien oder Experimenten stammen.

Sie sehen: Ein und dasselbe Thema (hier: Kundenzufriedenheit; Preis / Absatz-Funktionen) lässt sich mit unterschiedlichen Methoden bearbeiten. Selbst wenn ein Forschungsobjekt bereits Gegenstand einer Studie war, so bedeutet dies folglich nicht, dass kein Raum für weitere Analysen bliebe. Im Gegenteil: Greifen Sie zu!

Neues theoretisches Fundament

Folgende Beispiele verdeutlichen, dass sich die Herangehensweise an ein Thema auch dann ändert, wenn man auf ein theoretisches Fundament zurückgreift, das zur Lösung des Forschungsproblems bislang nicht verwendet wurde.

Beispiele

(1) Die Frage, warum Unternehmen Auslandsmärkte betreten, lässt sich aus vollkommen unterschiedlichen theoretischen Perspektiven betrachten, z.B. aus Sicht der

• klassischen Außenhandelstheorie (z.B. Vorteile in der Faktorausstattung),

• Entscheidungstheorie (z.B. Risikofreude),

• Verhaltenswissenschaften (z.B. psychische Nähe / Distanz).

(2) Die Betriebswirtschaftslehre hat u. a. das Potential der sog. Neuen Institutionenökonomie für sich nutzbar gemacht (v. a. Principal / Agent-Ansatz, Transaktionskostenansatz, „Property rights“-Ansatz). Große Bedeutung erlangte diese theoretische Ausrichtung zunächst in Teilbereichen wie Finanzierung und Rechnungswesen, bald darauf in anderen Funktionsbereichen, z.B. Organisationslehre, Personalwirtschaft und Marketing. Dort verknüpfte man u. a. folgende Themen mit dem Theoriengebäude der Neuen Institutionenökonomie:

• Personalmarketing,

• Make-or-buy-Entscheidungen im Marketing bzw. der Distributionspolitik,

• Marketing für die Unternehmensberatung,

• Wahl internationaler Markteintrittsstrategien.

(3) Winter (2005, S. 83 ff.) erarbeitete ein Gerüst an theoretischen Ansätzen, um die vielfältigen Beziehungen zwischen Mitarbeiter-und Kundenzufriedenheit zu erklären (vgl. Abb. 8). Beispielsweise lässt sich der Einfluss der Zufriedenheit von Mitarbeitern und Kunden auf deren Verhalten mit der Equity-Theorie begründen, aber auch mit der Instrumentalitätstheorie (vgl. hierzu im Detail Winter 2005, S. 85 ff.). Der Einfluss von Kundenverhalten auf Mitarbeiterzufriedenheit sowie von Mitarbeiterverhalten auf Kundenzufriedenheit kann wiederum mit

• Inhaltstheorien der Zufriedenheit,

• Dissonanztheorie und

• Rollentheorie

erklärt werden. Auch „Emotional contagion“ ist ein wesentlicher theoretischer Baustein; da es auf der Annahme beruht, dass Zufriedenheit wechselseitig übertragen wird, eignet sich dieses Konzept, um den Einfluss der Mitarbeiter- auf die Kundenzufriedenheit zu begründen et vice versa.

Abb. 8: Theoretische Ansätze zum Zusammenhang zwischen Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit


Quelle: Winter (2005, S. 84).

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