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2.4.2 „Schreibprobleme“ lösen – aber wie?

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Zunächst sollten Sie sich vor Augen führen, dass beim Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit – weil komplex und vielschichtig – Probleme durchaus typisch sind; denn wenn alles reibungslos verliefe und „Hinz und Kunz“ ohne Schwierigkeiten wissenschaftlich schreiben könnten, worin läge dann das Besondere? Die spezifische Herausforderung? Und derlei gibt es in einer wissenschaftlichen Arbeit viele:

• So müssen Sie nicht nur hochwertige Information sammeln, sondern diese auch noch sondieren, sortieren, in Beziehung setzen, mit eigenen Gedanken verknüpfen.

• Überdies müssen Sie argumentieren, erklären, Konsequenzen ableiten usw.

Wahrlich kein leichtes Unterfangen! Dass in dieser Phase Zweifel am eigenen Handeln aufkommen, liegt doch auf der Hand:

• Habe ich die relevante Literatur vollständig erfasst?

• Habe ich die Literatur korrekt wiedergegeben?

• Habe ich die richtigen Schlüsse gezogen?

• …

Sie sehen: Respekt vor dem leeren Blatt ist durchaus gut und wünschenswert, Angst hingegen kontraproduktiv – und damit schlecht.

Um die Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit zu erfüllen, benötigt man ein ganzes Set an unterschiedlichen Fähigkeiten (neudeutsch: „personal skills“), v. a.

• Geduld (z.B. beim Sammeln der einschlägigen Literatur),

• Weitsicht (z.B. beim Entwickeln des Zeitplans für das Anfertigen der Arbeit),

• Intelligenz (z.B. beim kognitiven Erfassen und Verarbeiten der verfügbaren Information),

• Fähigkeit zur Analyse (z.B. beim Beantworten der Frage, welches Forschungsziel man mit seiner wissenschaftlichen Arbeit tatsächlich verfolgt),

• Selbstvertrauen (z.B. beim Argumentieren oder beim eigenständigen Formulieren der Schlussfolgerungen).

Und wenn’s nicht klappt wie gewünscht, wird unser Ego überdies durch Frust oder Ärger herausgefordert.

Wie also kann man Ihnen bei den ersten Gehversuchen als Autor einer wissenschaftlichen Arbeit behilflich sein?

Ganz generell gilt:

(1) Wenn es Ihnen an den soeben skizzierten „personal skills“ mangelt, dann beheben Sie dieses Defizit, bevor Sie mit Ihrer wissenschaftlichen Arbeit beginnen; es handelt sich nämlich um Fähigkeiten bzw. Voraussetzungen, die Sie benötigen, um Ihr wissenschaftliches Projekt erfolgreich durchzuführen. Vermutlich wird es Sie kaum überraschen, dass Faulheit (als erlernte schlechte Gewohnheit) ebenso wenig „honoriert“ wird wie falsches Zeitmanagement oder Schwächen in der Rechtschreibung.

(2) Gehen Sie davon aus, dass nur sehr wenige Menschen die Gabe besitzen, Texte – zumal wissenschaftliche – bereits in einer sehr frühen Phase druckreif zu präsentieren. Da auch aus dem Wissenschaftshimmel bislang KEIN Meister gefallen ist, müssen Sie sich das erforderliche Handwerkszeug erst einmal aneignen, gleichgültig, ob Sie eine Dissertation, eine Magister-, Diplom-, Bachelor- oder bspw. „nur“ eine Seminararbeit schreiben wollen.

Für das Verfassen wissenschaftlicher Texte braucht man vor allem Erfahrung! Diese können Sie sich u. a. dadurch aneignen, dass Sie Bücher zum Thema „Wissenschaftlich arbeiten/schreiben“ lesen. Weitaus bedeutsamer aber ist folgende Vorgehensweise:

• Setzen Sie sich mit wissenschaftlicher Literatur auseinander, indem Sie diese lesen UND verstehen; besonders relevant sind Beiträge in Fachzeitschriften (sog. Journals) sowie Dissertationen und andere Fachbücher.

• Verfassen Sie selbst einschlägige Texte und entwickeln Sie auf diese Weise Routine.

(3) Haben Sie den Mut, NICHT perfekt sein zu wollen! Grübeln Sie nicht allzu sehr über Ihr vermeintliches „Schreibproblem“, sondern halten Sie sich an Erich Kästner; dieser brachte es einst – wenngleich in einem anderen Zusammenhang – auf den Punkt: „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es!“ Also: Ran an die Buletten – und schreiben. Sie müssen dabei zunächst nicht so sehr darauf achten, dass Sie stilistisch perfekt formulieren; den Inhalt Ihrer Ausführungen können Sie präzisieren, wenn Sie Ihre erste Fassung überarbeiten. Auch genügt es, wenn Sie Fragen zum Stil erst bei der zweiten oder dritten Überarbeitung Ihres Textes stärker in den Mittelpunkt rücken.

Die folgenden Ratschläge und Techniken können Ihnen dabei helfen, Probleme beim Schreiben zu verhindern oder aber zu mindern; vorweg aber noch eine Anmerkung. Gelegentlich wundere ich mich nämlich, welche Tipps und Tricks die Literatur bisweilen bereithält, um Schreibprobleme bei wissenschaftlichen Arbeiten zu beheben.

• So findet man hie und da den Hinweis, man solle während des Schreibens äußere Störfaktoren vermeiden, z.B. Geräusche wie Telefon, Posteingangston des E-Mail-Programms, Straßenverkehr, Gespräche im Nachbarzimmer. Dem Entdecker des „Ruhe-Phänomens“ sei an dieser Stelle herzlich gedankt; die Wissenschaftswelt steht tief in seiner Schuld! Ich bin sicher, ohne diese wichtige Information würden sich die meisten Autoren wissenschaftlicher Arbeiten mit CD-Player und Handy bewaffnet in den stark frequentierten Flur des Studentenwohnheims setzen, in die sehr belebte Fußgängerzone oder an ein offenes Fenster im Erdgeschoss – vorzugsweise zur Hauptverkehrszeit.

• Nicht minder trivial ist der Rat, man solle ungelöste persönliche Probleme bewältigen, bevor man mit der eigentlichen Arbeit beginnt, da man anschließend einen „freien Kopf“ habe – so als ob das Lösen persönlicher Probleme ein spezifischer Schlüssel zum Erfolg bei wissenschaftlichen Arbeiten wäre.

Nun ja … wenigstens richten die edlen Hinweisspender mit ihren tollen Ratschlägen keinen Schaden an.

In Abb. 3 finden Sie einige Probleme, die beim Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit auftreten können, sowie Lösungsmöglichkeiten.

Abb. 3: Probleme und Lösungsmöglichkeiten beim Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten

Ihr Problem beim Schreiben der wissenschaftlichen Arbeit Lösung
• „Ich weiß gar nicht, welches Thema ich bearbeiten soll. Es gibt doch so viele Möglichkeiten.“ • „Woher soll ich denn wissen, welches Thema tragfähig ist.“ Ein Thema zu finden ist letztlich gar nicht so schwer. Bei Ihrer Wahl können – und sollten – verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, z.B. Ihr Detailwissen, Interesse, Motivation, Möglichkeiten für den Berufseinstieg. Und falls ein Dritter das anvisierte Thema bereits bearbeitet hat – kein Beinbruch! Für Ihre wissenschaftliche Arbeit könnten Sie ja bspw. eine andere Perspektive wählen; so wäre denkbar, dass Sie das theoretische Fundament oder den methodischen Ansatz ändern oder eine neue Forschungsfrage in den Mittelpunkt rücken. Möglich wäre sogar, dass Sie ein bereits bearbeitetes Thema erneut auf dieselbe Art und Weise bearbeiten; damit könnten Sie nämlich z.B. prüfen, ob sich Ergebnisse früherer Studien im Zeitverlauf geändert haben. → Hinweise s. Kap. 3.1
• „Ich weiß gar nicht genau, warum ich die Arbeit schreibe. • „Worin besteht das eigentliche Ziel meiner Arbeit?“ • „Wohin soll das alles bloß führen?“ Auch das Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit ist letztlich Kommunikation. Beantworten Sie zu Beginn Ihrer wissenschaftlichen Arbeit folgende Fragen und halten Sie die Antworten schriftlich fest: • Welches Forschungsziel verfolge ich mit meiner wissenschaftlichen Arbeit? Welche Forschungsfrage(n) will ich beantworten? • Welche Botschaft will ich vermitteln? An wen wendet sich mein Beitrag? Welche Kenntnisse / Bedürfnisse hat meine Zielgruppe? Legen Sie das Ergebnis Ihrem Betreuer vor bzw. stimmen Sie es mit ihm ab. → Hinweise s. Kap. 3.2
• „Wenn ich etwas Neues schreibe, finde ich meine Ideen immer „total super“; aber wenn ich meinen Text überarbeite, habe ich das Gefühl, das ist alles Mist.“ • „Woher soll ich denn wissen, dass die in meinem Text vertretenen Positionen, Meinungen usw. richtig sind?“ In der Wissenschaft gibt es streng genommen kein „richtig“ und kein „falsch“. Etwas überspitzt formuliert: Wer seine Position mit einem tragfähigen Fundament unterlegen kann, darf (fast) alles schreiben. Denn OB und WIE es Ihnen gelingt, Ihre Meinung zu verdeutlichen und Ihre Leser zu überzeugen, richtet sich v. a. danach, • welche Fakten Sie präsentieren, • wie Sie die Fakten präsentieren bzw. argumentieren. Ihre Überzeugungskraft hängt v. a. davon ab, ob Sie Ihre Aussagen • gleich oder aber differenziert behandeln, • aufzählen oder diskutieren, • als Dogma betrachten oder aber in Frage stellen, • beschreiben oder kritisieren, • behaupten oder belegen (z.B. durch Quellenverweis oder logische Herleitung). Jedoch: Korrekt und stringent argumentieren können Sie nur dann, wenn Sie das relevante Wissen vollständig erfasst haben. Nehmen Sie sich also ausreichend Zeit (i. d. R. mehrere Wochen!), um durch Literaturstudium einen umfassenden Überblick über Ihr Thema zu gewinnen. Suchen Sie intensiv nach hochwertiger Information, so dass Sie fundierte Kenntnisse über Ihren Forschungsgegenstand besitzen. Sie müssen das Rad nicht noch einmal erfinden! Nutzen Sie ggf. aber nicht nur Literatur; denkbar wäre u.U. auch, dass Sie • Fallstudien oder andere sekundärstatistische Information auswerten (z.B. vom Statistischen Bundesamt), • primärstatistische Daten erheben und analysieren (z.B. mit Hilfe einer eigenen Befragung). → Hinweise s. Kap. 4 sowie Kap. 5.4.2.2
• „Ich finde keinen Anfang.“ • „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“ • „Ich verheddere mich in einem Knäuel von Textfragmenten.“ Entwerfen Sie auf Basis Ihrer (erworbenen) Erkenntnisse eine möglichst detaillierte Gliederung und ordnen Sie Ihre Gedanken den einzelnen Gliederungspunkten zu. Einen „Fahrplan“ (= Gliederung) zu haben ist nämlich aus mindestens zwei Gründen vorteilhaft: • Sie können den Inhalt der von Ihnen verfassten Exzerpte einzelnen (Unter-)Kapiteln zuweisen. • Wenn Sie während des Schreibens an einer Stelle nicht weiterkommen, können Sie an „irgendeiner anderen“ weiterarbeiten. Allerdings: Grundsätzlich bietet es sich an, chronologisch vorzugehen. Um Ordnung im Gedankenwirrwarr zu schaffen, kann es mitunter auch helfen, einen zentralen Begriff sowie damit assoziierte Begriffe auf ein Blatt zu schreiben und durch Linien zu verbinden (= Clustering / Mind map). → Hinweise s. Kap. 5 sowie Kap. 4.2
• „Wissenschaftlich schreiben liegt mir halt einfach nicht.“ Keine Angst! Auch Sie können wissenschaftlich schreiben! Es ist einfacher als Sie denken, falls – ja falls – Sie sich von bestimmten Vorurteilen und vermeintlichen Philosophien befreien; denn: Wissenschaftlich schreiben bedeutet bspw. NICHT, dass Sie • in einem spröden, schwer lesbaren Wissenschaftsstil schreiben – möglichst kombiniert mit umständlichem (und häufig missverständlichem) „Beamtendeutsch“, • komplexe Sätze formulieren, deren Inhalt „ja ohnehin nur Wissenschaftler und andere Experten verstehen sollen“, • möglichst viele Fremdwörter verwenden. Sie brauchen keinen „Ah! Oh!-Schreibstil“, der „total wissenschaftlich klingt“. Im Gegenteil! Schreiben Sie für Leser – und zwar für möglichst viele! → Hinweise s. Kap. 6
• „Ich lasse mich immer wieder ablenken.“ • „Ich habe einfach keine Lust zu schreiben.“ • „Wenn ich Pausen einlege, habe ich immer ein schlechtes Gewissen.“ • „Wenn ich mal nichts tue, weil ich müde oder kraftlos bin, erwacht sofort das Gefühl, dass ich zu wenig arbeite.“ Entwickeln Sie einen möglichst detaillierten Zeitplan und bauen Sie Zeitfenster ein, in welchen Sie sich „ganz bewusst ablenken“ lassen (z.B. durch Freunde, Hobbys) oder in denen Sie entspannen (z.B. durch Ruhephasen, autogenes Training), ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. → Hinweise s. Kap. 8
Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht

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