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14. Geplatzte Träume
ОглавлениеAls wir die Tür aufschlossen, roch es verraucht, wie in einer Kneipe. Überall lagen Zigarettenschachteln herum. Verteilt in den drei Zimmern fanden wir zahlreiche offene und in jeder Ecke weitere noch geschlossene Packungen. Es muss ihr sehr schlecht gegangen sein. Viel geraucht, wenig gegessen.
In der Küche nämlich fanden wir nichts Essbares. Der Kühlschrank war zwar vollgeräumt, aber überwiegend mit schon lange nicht mehr genießbaren Lebensmitteln. Entweder waren sie schimmlig, vergoren oder vertrocknet, auf keinen Fall essbar.
Sie hatte vor einigen Wochen noch mehrere große Dosen irgendeines Nahrungsergänzungsmittels gekauft, die zum großen Teil noch ungeöffnet herumstanden. Altes Brot, im staubigen Korb, salzige Kekse in nahezu allen Schubladen im Schlaf- und Wohnzimmer. Sonst nichts.
Ich bemerkte eine Besonderheit erst bei meinem zweiten Besuch. Die Wohnung war exakt so geschnitten, wie die meiner Oma in Oldesloe. Kleiner Flur, alle Räume gehen davon ab. Links das Schlafzimmer, rechts das kleine Bad, mittig links das Wohnzimmer, gegenüber die kleine Küche und geradeaus das Arbeitszimmer. Zudem hatte sie verschiedenste Möbel meiner Oma geerbt, die an sie erinnerten.
Die Wohnung wirkte, trotzdem sie vollgeräumt und gemütlich eingerichtet war, wie eine Modellwohnung. Alles war irgendwie hübsch arrangiert, wirkte aber nicht wirklich lebendig, irgendwie nur hingestellt und ungenutzt. Und es roch nicht nach meiner Mutter, sondern nach Problemen und nach Rauch.
Wir fanden auch nichts Persönliches von ihr. Kein Autoschlüssel, keine aktive Handtasche, kein Portemonnaie, Ausweis, Krankenkassenkarte, Tagebücher, nichts.
Auch im Schreibtisch keine aktuellen Unterlagen, außer denen, die ich selbst vor drei Monaten einsortiert hatte. Es war seltsam.
Ich rief bei Beate an. Sie war der einzige Halm im Ort, den ich zunächst ausgemacht habe.
Nein, sie wisse auch nichts. Aber das werde sich sicherlich noch klären, sagte sie mir. Wann Harald kommen würde, wollte sie noch dringend wissen. Seltsam.
Es war alles total merkwürdig. Mit allen diesen unbeantworteten Fragen bauten Nadia und ich uns unser Nachtlager auf. Der Hund blieb mindestens in dieser Nacht noch bei der Nachbarin, hatten wir mit denen am Telefon verabredet.
Im Bett meiner Mutter zu schlafen, kam überhaupt nicht in Frage. Obwohl sie ja in der Küche zusammengebrochen war. Dort hatte ich noch Blut und Erbrochenes weggeputzt. Wir fühlten uns jedoch wahrlich nicht heimisch, sondern wie Besucher. Dies hier war kein Elternhaus, mit dem man Erinnerungen verbindet, sondern fremd, neu und unbenutzt. Ein Elternhaus hatte ich ohnehin nie gehabt. Einmal waren wir in Westerland schon umgezogen, die dritte Wohnung in Kühren, als ich im Internat war, zogen meine Mutter und mein Bruder nach Grebin um, in der Nähe von Plön. Dort bekam ich nicht mal mehr ein eigenes Zimmer. Meine Ma hatte dem Bedarf (sicherlich auch der finanziellen Lage) entsprechend nur eine drei Zimmer Wohnung für ausreichend erachtet. Mein Zimmer war im Internat.
Vor dem Einschlafen zog ich die dünnen beschriebenen Blätter eines Abreißblocks aus der Klarsichtfolie heraus, die mir Beate in die Hand gedrückt hatte, inzwischen war ich sehr neugierig, was meine Mutter mir geschrieben hatte.