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4. Kalte Reise durch die weiße Nacht
ОглавлениеOhne Nadia wäre ich völlig kopflos. Es tat so gut, von allem nur die Hälfte denken zu müssen, weil sie die andere Hälfte übernahm. Gut, dass sie so ruhig ist, so besonnen und so nah. Es war spät geworden, vier Uhr nachmittags und schon zappenduster. Mir war elendig kalt, als wir losfuhren. Erst vor wenigen Tagen kam der Winter kalt und überraschend.
Trotz Heizung zitterte ich am ganzen Körper. Es war aber mehr als frieren. Ich war höllisch aufgeregt, wusste nicht, was mich erwartet. Immer wieder schüttelte es mich. Immer wieder spürte ich zum Glück die Nähe Nadias, die mich auf dem Boden hielt, mir unglaublich viel Kraft gegeben hat, alles Kommende durchzustehen.
So besonnen wie möglich, feinfühlig in der Lenkung, im Schneckentempo über Land zu der seit heute leerstehenden Wohnung meiner Mutter…
Ständig rollten mir die scheiß Tränen runter. Die konnte ich jetzt am wenigsten gebrauchen.
Abgerissene Kurzgespräche.
„Ich fasse es nicht. Fällt einfach um und ist nicht mehr. Was sollen wir denn jetzt alles machen?!“
„Kriegen wir schon hin, das wird schon alles. Erst mal ruhig ankommen, Schlüssel holen und rein. Dann in Ruhe alle anrufen, Infos holen, Zettel machen, Abhaken.“
Ihre warme Hand auf meinem Rücken. Sie hatte recht. Wird schon irgendwie.
„Scheiße. Sie hat vorgestern zwei Mal versucht, anzurufen. Ich Arsch bin nicht rangegangen.“
„Das war eben so, Michi. Man kann das nicht ändern und vielleicht hättet ihr euch dann doch wieder gestritten. Du warst noch nicht bereit, in dem Moment tiefgründige und schon heftige Dinge zu diskutieren, hast selbst gesagt, du rufst Thea diese Woche noch an.“
„Ich hab in dem Brief an Thea sogar geschrieben, dass wir dringend und schnell reden und das klären müssen. Man wisse nie, wie viel Zeit noch bleibt. Ohne jeden genauen Grund habe ich das einfach so geschrieben und nun ist es sogar wahr geworden!“
Nadias warme Hand auf meinem Rücken. Kalte nackte Bäume ziehen an uns vorbei. Ich erinnere mich an den letzten Herbst.