Читать книгу Briefe lügen nicht - Wie wir wirklich waren - Martina E. Siems-Dahle - Страница 14
ОглавлениеBriefe an einen Toten
Rüdershausen, den 6.VI.44
Lieber Jan!
Schon sind wieder drei lange Wochen vergangen und ich erhielt keine Zeile von Dir. Hüllst Du Dich absichtlich in ein so geheimnisvolles Schweigen oder zwingen Dich Deine näheren Umstände dazu? Na, als Trost will ich es mal hoffen.
Wie ist es denn eigentlich mit der Invasion? Seid Ihr schon damit fertig geworden? Ich warte täglich auf den entscheidenden Schlag. Anscheinend tut uns der Engländer aber nicht den Gefallen. (…) Deine Elly
11.VII.44
Lieber Jan!
Da ich meine sämtlichen Aufgaben in der Trigonometrie nicht kann, soll die Zeit damit ausgefüllt werden, Dich doch noch mal an Deine Pflichten zu erinnern. Am Sonntag schrieb ich Dir ja schon, daß es am 11. zwei Monate her ist, wo Du die letzte Post an mich geschrieben hast. Und zwar ist das der Geburtstagsbrief, wo Du mir viel Glück im Beruf wünschst. Hätte ich Dich in dem Moment, als ich das las, hier gehabt, hättest Du eine saftige Ohrfeige gekriegt. – Sei doch nicht immer so häßlich zu mir, Jan. (…)
Alle Deine schönen Zeichnungen, die ja zum Teil schon einen Rahmen bekommen hatten, habe ich wieder entrahmt und haben nun alle einen Ehrenplatz eingenommen. Erst jetzt kommt es mir richtig zum Bewußtsein, was ich in den ersten Monaten von Dir gehabt habe. (…) Lieber Jan, wie lange muß ich noch auf einen Brief warten? Tue mir doch den einen Gefallen und lasse von Dir hören. Auch wenn es schwer ist. (…) Deine Elly
24.VII.44
Lieber Jan!
(…) Ich warte immer noch auf einen Gruß von Dir, den ich doch hoffentlich bald erhalte? Ich grüße Dich ganz herzlich Deine Elly
Jan Claus‘ Vater wurde am 11. Juli 1944 benachrichtigt, dass sein Sohn seit dem 11. Juni vermisst wurde. Die Briefe meiner Mutter an Jan wurden an sie zurück geschickt.
Welche Rolle der Frau im Ersten Weltkrieg zugedacht war, verrät nachstehende Feldpostkarte, die meine Oma Henny Büsing, geborene Hillmer, von ihrem damaligen Verehrer und zukünftigen Mann, Albert Büsing, der bei Verdun in den Gräben lag, erhalten hatte:
An Deutschlands Frauen
Frauen, die ihr euer Liebstes gegeben,
Gatten, Geliebten, Bruder, Sohn,
Denkt, welch ein herrliches Ziel sie erstreben!
Winkt nicht auch euch bald ein glänzender Lohn?
Ich rate Euch Frauen,
Auf Gott zu vertrauen.
In Not und in Sorgen
Bleibt deutsch bis ins Mark.
Und ohne zu klagen,
Lernt Leid zu ertragen,
Wie’s Deutschen geziemet:
Ihr Frauen, seid stark!
Männer, die selbst vor dem Tode nicht zittern,
Sind eines Landes scharfschneidendes Schwert,
Herzen der Frauen sind gleichsam das Werkzeug,
Das zu dem Härten des Stahles gehört.
Es gilt zu beweisen,
Wie stark Stahl u. Eisen,
Wie kräftig die Eiche,
Die deutsche im Holz.
Ob Stürme auch toben,
Schaut aufrecht nach oben
Erhobenen Hauptes!
Ihr Frauen. Seid stolz!
Lindert die Schmerzen des grausamen Krieges,
Schaffet und zeiget euch hilfebereit!
So, wie auf Regen der Sonnenschein folgt,
kommt auch nach dieser die bessere Zeit.
Die Opfer, ihr Lieben,
Steh’n ewig geschrieben.
Im Herzen des Volkes
Mit flammender Loh!
Wem gelten die Siege
Im furchbaren Kriege?
Auch Deutschlands Frauen!
Ihr Frauen, seid froh!
Trockne, o Träne! Verstumme, o Klage!
Rauscht doch heran schon der siegreiche Aar.
Groß sind die Zeiten, Groß zeiget auch ihr euch!
Was ihr gehofft und gewünscht, es wird wahr.
Was ihr verloren,
Wird wieder geboren,
Kriegshelden u. Männer
Aus euerem Blut.
Ihr dürft nicht verzagen,
Denn bald wird es tagen
Am Himmel des Friedens
Ihr Frauen, faßt Mut.
Von: Albert Scheu, 4. Komp., Landw.-Inf.-Regt. 382, 44
Großvater Heinrich Siems präsentierte sich als ein Kenner und Genießer der schönen Seiten der Frau. Er schrieb am 22.6.1942 an seinen Sohn Hans-Jürgen, meinen Vater, der damals bei der Flak[3] in Hannover-Bothsfelde war:
„Mutti hat heute die Schneiderin Frau K. aus Oldenburg bei sich. Frauen müssen sich immer mal verändern können in ihrer Kleidung. Das macht sie schöner. Heute ist das natürlich bei der Stoffknappheit für den einzelnen Verbraucher so ein Kunststück. Aber man staunt, wie die Frauen doch noch immer wieder etwas Neues zusammenzaubern können. Ich mag es auch sehr gerne, wenn Mutti sich recht geschmackvoll kleidet. Großen Staat braucht man ja auch garnicht zu treiben; die einfach aber geschmackvoll gekleidete Frau macht stets den feineren Eindruck. Du merkst, daß man auch im Alter von mehr als 50 Jahren als Mann hierfür Augen haben kann. (…) Dein Vater
Sonnabend, den 20. Mai 1944
Mein lieber Hans Jürgen!
(…) Sonst können wir hinsichtlich der Kleiderbeschaffung geradezu von Glück sprechen. Mutti hat ein neues Kostüm bekommen, das fabelhaft sitzt. Wenn sie ihren neuen roten Hut, der ganz modern ist und einen ziemlichen Umfang hat, dazu aufsetzt, sieht sie ganz flott aus. Z.T. ist das männlicher Egoismus, man möchte gerne mit seiner Frau protzen. Lore und Mutti sind sich allerdings manchmal nicht einig, wer ein neu beschafftes Kleidungsstück am nötigsten hat. Du mußt nämlich wissen, daß Lore bereits in dem Alter ist, wo sie sich gerne putzen möchte. Das ist ja nicht einmal eine schlechte Eigenschaft eines jungen Backfisches. (…) Dein Vater