Читать книгу Briefe lügen nicht - Wie wir wirklich waren - Martina E. Siems-Dahle - Страница 22
Leni Siems‘ Geburtstage
ОглавлениеOpa Heinrich Siems kannte ich nur als Rentner. Leni, meine Omi, und er wohnten in Oldenburg, in der Winkelmannstraße, in einer Drei-Zimmer-Wohnung in der zweiten Etage.
Omi hatte Geburtstag. Es war Sonnabend, der 4. Oktober. Meine Mutter half – das wurde auch von ihr erwartet– in der Küche mit. Es duftete nach frisch aufgebrühtem Filterkaffee, Apfeltorte, Frankfurter Kranz, Sahnetörtchen standen zum genüsslichen Verzehr bereit. Die Blutsverwandten meines Vaters waren allesamt süße Leckermäuler. Die Damen „zuckerten“ ihren Kaffee mit Süßstoff. Der Stubentisch wurde liebevoll gedeckt mit dem Rosenthaler „Maria Weiß“, die Spitzendecke und Serviettenringe hatte meine Omi mit ihren geschickten Händen selbst gehäkelt und gestickt.
In den tiefen, stoffbezogenen Sesseln und der dazu passenden Couch versanken die Älteren. Die Kinder der Älteren, also die Generation meines Vaters, saßen auf Stühlen, und am Katzentisch, der ebenfalls im engen Wohnzimmer Platz hatte, saßen wir Enkel.
Nach dem Kuchenschmaus, der von halb vier bis sechs Uhr genossen wurde, kamen Likörchen und Salzgebäck auf den Tisch. Für die Herren Cognac und Bier. Um viertel vor sieben war „Sportschau“- Zeit. Opa „Oldenburg“ ließ sich höchst ungern aus seinem Tagesablauf bringen. Es ging sehr geordnet zu und deshalb schauten wir alle die Bundesliga.
Omi hatte ein schmales, hellhäutiges Gesicht, das zu meiner großen Verblüffung bis ins hohe Alter von hellblondem, feinem Haar gerahmt wurde. Verblüffung deswegen, weil ich damals noch nicht wusste, dass „frau“ sich die Haare färben konnte. Meine Mutter hatte seit Anfang ihrer 40iger graues Haar.
Opas Schädel war eher rundlich, erstaunlich glatt, wenig Haare, die ebenfalls mal blond gewesen waren.
Das Ehepaar Siems war immer gut gekleidet: knielanger Rock, Bluse, oder ein feines Kleid; gräuliche Stoffhose mit Bügelfalte, weißes Oberhemd, darüber entweder eine Weste oder Strickjacke. Nie habe ich die beiden leger oder gar nachlässig angezogen gesehen. Selbst bei der Gartenarbeit nicht, den Opa sehr gut zu bestellen wusste, ob Gemüse-, Spargel- oder Blumenbeet.