Читать книгу Briefe lügen nicht - Wie wir wirklich waren - Martina E. Siems-Dahle - Страница 24
Vom Glück, immer etwas auf dem Herd stehen zu haben
ОглавлениеAuf einem grünlichen, in fleckigem Leinen gebundenen, dünnen Büchlein steht in goldenen Lettern geschrieben: „Für Küche und Haus“, für Henny Hillmer, Hamburg 1914, Mai.
Handschriftlicher Eintrag:
Wer nicht kochen kann,
Ist übel dran,
Aber wer es kann,
kriegt bald `nen Mann.
Denn so hört ich sagen,
Der Männerliebe geht durch den Magen.
Drum, so prophezei ich der geprüften Kochkünstlerin
Dass sie in diesem Jahr noch sich
Kocht in den Ehestand rein.
Diese Zeilen kam von Lotte von Jaminet aus Hamburg-Bergedorf, bei der Henny Hillmer, geboren 1894, bis 1917 eine sogenannte Jungmädchenzeit absolvierte, in der das Erlernen von Haushaltsführung und Kochen im Mittelpunkt standen.
Oma Büsing und Frau v. Jaminet entwickelten ein freundschaftliches Verhältnis. Die wirtschaftliche Stellung der Familien von Jaminet und Büsing vertauschte sich im Zweiten Weltkrieg. Hinzu kam, dass die von Jaminets den Großteil ihres Vermögens während der Weltwirtschaftskrise 1929 verloren hatten. Die „Wohlhabenden“ waren nunmehr Oma und Opa aus Rüdershausen, die „Arme“ war Frau von Jaminet, wie ihren Briefen zu entnehmen ist.
Bergedorf, den 15. Dez. 1947
Meine liebe Frau Büsing, aber auch noch meine liebe Henny!
(…) Ja, mein liebes Kind, ich habe so furchtbar schwere Jahre hinter mir, daß ich nicht zurückdenken mag, was ich alles mit durchmachen mußte.
Wir bekommen schon seit Monaten weder Milch, noch Eier und für Butter, da habe ich die letzten 2 Perioden gerade 50 gr. abscheuliche Margarine gekriegt. Was wir früher zu fett und zu gut gegessen haben, das müssen wir jetzt büßen. Sie haben es jetzt gut, liebe Henny, Sie sind eine reiche Frau gegen uns arme Städter. (…) Wir kaufen auch schwarz, aber das kann man auf die Dauer nicht fortsetzen, denn wenn es mir auch pekuniär ganz gut geht, aber man weiß ja nicht wie lange man noch lebt und was man noch durchmachen muss. (…) Ich lege heute 200 Mark bei, ich hoffe, daß Sie mir irgend welche Fettigkeiten, vielleicht ein bißchen Speck schicken können. Wie froh wäre ich, wenn wir mal ein ordentliches Stück Rind oder Schweinefilet im Topf hätten, aber so etwas werde ich wohl nicht mehr erleben. Sie haben ganz recht, man muß sich zu Tode wundern, wo all die Sachen hinkommen, die die Bauern abliefern müssen, wir Städter werden hiervon nichts gewahr, das geht wohl mit dem Flugzeug übers Meer und die da oben an der Spitze sitzen, denen geht nichts ab.
(…) Ich habe nur noch einen Wunsch, daß ich bald zu meinem lieben Mann und meinem lieben Kind komme [beide waren schon verstorben, Anm. d. Autorin], so ist das Leben unerträglich.
Bergedorf, 11.3.48
Meine liebe Henny,
nun komme ich endlich dazu Ihnen nochmals herzlichst zu danken für all das Liebe und Schöne was Sie mir eingepackt hatten und was mir die liebe Elisabeth mitbrachte. Ich bekam ordentlich das Zittern als ich die herrlichen Sachen sah, ich konnte mich nicht satt genug sehen an all dem Guten. Aber nun habe ich alles gut eingeweckt, auch die Wurst und die Schweinerippchen, denn nun muß es noch lange vorhalten. Zu den Rippchen hatte ich mir Wurzeln [Karotten, Anm. der Autorin] geschrappt und alles so portionsweise in ein Glas getan, so habe ich noch lange Freude an Ihren schönen Sachen und denke noch oft in Dankbarkeit an meine liebe Henny zurück. Das Schönste von Allem war natürlich die Sandtorte und der große Schweinenacken, mir blieb sozusagen die Spucke weg als ich das herrliche Stück sah.
(…) Was müssen Sie alle doch so zufrieden und so glücklich sein, wo Sie so im Vollen drin sitzen, alles haben, während der halbe Erdball hungert. Dazu die schönen Mädchen, ich kenne zwar nur Alice und Elisabeth, aber die beiden anderen werden wohl ebenso schön und tüchtig sein und klug und tüchtig in ihrem Beruf, sodaß sie gar keine Sorgen um Ihre Kinder zu haben brauchen. Elisabeth hat mir besonders gut gefallen, klug und gescheit, und überall weiß sie Bescheid, in allen Sätteln ist sie sicher und kann mitreden. Ich gäbe was darum, wenn ich solch ein liebes Menschenkind um mich hätte, dann wollte ich wieder aufatmen, dann würde ich auch wieder gesund, so bin ich auch nur ein halber Mensch. (…)
Gruß und Dank von Ihrer Lotte von Jaminet
Ein Brief von Ellis ältester Schwester Alice vermittelt, dass zur Diphterieerkrankung meiner Mutter kurz nach Kriegsende noch schlechte Verpflegung hinzukam.
(….) denn es ist augenblicklich sehr schlecht mit der Ernährung, es gibt zu wenig Brot, wie es mit den Selbstversorgern wird, wissen wir noch nicht, Mehl gibt es überhaupt nicht wieder. Liebe Elly, das Brot, was Mutti Dir schmiert, ißt DU doch auf? Daß Du ja nichts verschenkst, (…). Unsere Hühner legen fast garnicht mehr ein Ei am Tage, die Gänse legen auch noch nicht. Ja, das ist auch nicht zu verwundern, die Tiere bekommen ja nichts, es sieht im großen Ganzen traurig aus. Demnächst bekommen wir auch noch Flüchtlinge, das ist das Schlimmste und die sollen wir auch noch mit ernähren, und wir haben nicht mehr Kartoffeln. (…). Ich habe mich bemüht wegen Kaffeebohnen, es wird mir wohl nicht gelingen.(…)
Schmackhafte Grüße aus der Heimat an einen hungrigen Soldaten:
Freitag, den 28.Juli 1944
Mein lieber Hans Jürgen!
(…) Es ist schade, daß wir Dir zur Wiederherstellung Deines körperlichen Normalgewichts nichts senden können. Aber wenn, wie Du schreibst, bei Euch die Verpflegung immer noch gut ist, dann wirst Du die verlorenen Pfunde sowieso wieder zunehmen.
(…) Sie [Mutti] hat sonst immer noch flott mit dem Einmachen zu tun. Unser Garten liefert hierfür in diesem Jahre wieder recht viel. Seit 14 Tagen essen wir regelmäßig neue Kartoffeln. Gestern Abend sagten wir noch, als wir eine große Portion Bratkartoffeln mit Salat auf dem Tisch hatten, wenn unser Hans-Jürgen doch daran teilnehmen konnte. Dein Vater
Dienstag, 1. August 1944
Mein lieber Hans Jürgen!
(…) Himbeeren, Johannesbeeren und Stachelbeeren sind kaum noch im Garten zu finden. Mutti hat radikale Ernte gehalten und alles eingekocht. Mein Rundgang durch den Garten ist daher zunächst nicht mehr so angenehm für meinen Gaumen. Bald kommt aber das erste Obst und dann kann der tägliche Spaziergang mangs den Delikatessen wieder ausgeführt werden. (…) So gibt es immer etwas zu erledigen. Ist es nicht ein Segen, daß wir alle viel zu tun haben? Dann kommen einem nicht unnütze Gedanken. Unangenehm ist die Zeit am Abend vor dem Einschlafen. Wenn man dann zur Ruhe kommt, denkt man nach und fragt man nach unserm Jungen, der ferne im Osten ist. Vater