Читать книгу Wie aus dem Ei gepellt ... - Martina Meier - Страница 35
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Dominiks Osterüberraschung
„Papa“, durchdringt Dominiks Stimme die Stille des Arbeitszimmers. „Mami wird erst heute Mittag nach Hause kommen, oder?“
Geistesabwesend hebt der Vater den Kopf und blickt dem kleinen Jungen entgegen. Zustimmend nickt er, bevor er wortlos den Blick wieder auf die Papierstöße auf seinem Schreibtisch wendet. Schließlich muss er die Berichte rechtzeitig fertigbringen.
Doch Dominik bleibt hartnäckig: „Glaubst du, dass der Osterhase uns heuer trotzdem etwas bringen wird?“
Seine braunen Augen mustern den Vater lebendig, als dieser antwortet: „Also, ich denke, du bist schon groß genug, um zu wissen, dass ...“
Da ruft der kleine Schelm raunzend dazwischen: „Ich meine doch nur, weil Mami mit dem neuen Baby beschäftigt ist und du hast auch so viel Arbeit.“
Nachdenklich nimmt der Papa die Brille von der Nase und streicht mit der Hand über sein Kinn. „Vielleicht müssen wir das Ostereiersuchen heuer tatsächlich ein wenig verschieben.“ Liebevoll streicht er über den Kopf seines Sohnes. „Mal sehen, Dominik“, meint er dann zerstreut. „Wir werden das schon irgendwie machen.“ Damit kehrt er sich wieder konzentriert seiner Arbeit zu und der Junge marschiert in die Küche. Unzufrieden lässt er sich auf einen Stuhl plumpsen und sieht zum Fenster hinaus. Sein großer Bruder Elias füttert zusammen mit Oma die Hühner. Aufgeregt scharren die Vögel auf dem Boden um die beiden herum. Dominik findet, dass es wie ein Tanz aussieht. Er mag die Hühner und den eingebildeten Hahn auch. Mit schnellen Schritten eilt er auf den Hof hinaus. Vielleicht weiß Oma eine Lösung für sein Problem. „Liebe Omi“, ruft er der älteren Dame munter zu. „Hast du nicht eine Idee, wie wir doch noch ein schönes Osterfest feiern können?“
Die Großmutter schaut erst einmal etwas verblüfft und runzelt die Stirn. „Wieso denn?“, fragt sie aufmerksam. „Warum sollten wir denn kein schönes Osterfest haben?“
Geschwind erklärt Dominik, dass die Mutter ja noch im Krankenhaus ist und der Papa allem Anschein nach auch ausscheidet.
„Hm“, überlegt die weißhaarige Frau, „dann müssen wir dem Osterhasen wohl ein bisschen helfen!“
Elias ist von diesem Vorhaben natürlich auch sofort begeistert. „Was kann ich machen, Oma?“, johlt er eifrig. „Ich will auch mithelfen!“
Mit einem vielversprechenden Lächeln auf den Lippen teilt die Großmutter die bevorstehenden Arbeiten auf. „Du, Dominik, holst aus dem Stall noch Eier und bringst sie in die Küche. Ich habe vorhin schon einige in einem Körbchen unten auf dem Boden vorbereitet.“ Dann wendet sie sich dem großen Bruder zu und weist ihn an: „Elias, du musst die Farben zum Färben der Ostereier anrühren. Uns bleibt nicht mehr allzu viel Zeit. Hopp, hopp!“
Sofort laufen die Kinder los, um ihren Auftrag auszuführen. Dominik schaut sich kurz im Hühnerstall um. Er freut sich schon riesig darauf, seine Eltern zu überraschen. Flink schnappt er sich ein Flechtkörbchen vom Stapel. Ganz sachte sammelt er einige Eier und legt sie in den Korb hinein.
Plötzlich stürzt sich eine Henne wie wild auf ihn. Sie gackert aufgeregt und laut. Stürmisch pickt das Tier auf seine Schuhe hin und zupft an seinem Hosenbein. Erschrocken eilt der Junge mit seiner Beute in die Küche, wo Elias bereits ein paar Gefäße mit Wasser angefüllt hat.
Nun muss er nur noch die Tüten mit dem Farbpulver hineinmischen, dann kann es schon losgehen. Einstweilen hat die Großmutter den Teig für ihren berühmten Osterkuchen fertig gerührt. Ein fröhliches Lied summend gießt sie die Masse in eine spezielle Form und schiebt sie sogleich in den Backofen. „Noch schnell die Eieruhr stellen, damit es auch gelingt“, gluckst sie beschwingt vor sich hin.
Gerade als sie sich zu den Jungs umdreht, läutet es an der Haustüre. Papa ruft ausgelassen von draußen: „Es ist Mama mit eurer kleinen Schwester Marie!“
Die Großmutter rennt so schnell sie kann hinaus, um die beiden willkommen zu heißen. Auch Elias ist schon gespannt auf sein Schwesterchen und läuft mit. Nur Dominik bleibt in der Küche zurück.
Natürlich will er seine Mutter auch begrüßen und seine neue Schwester kennenlernen. Doch die Überraschung ist ihm auch wichtig. Also macht er sich schnell alleine ans Werk die Eier zu färben. Hurtig taucht er jedes, so gut es geht, von allen Seiten in die Farbtöpfchen. Zum Trocknen bleibt jedoch keine Zeit, deshalb bläst er so stark er kann auf die feuchten Eier. „Egal“, murmelt Dominik vor sich hin, „bis sie die bunten Eier gefunden haben, sind sie sicherlich trocken.“
Sichtlich zufrieden betrachtet der kleine Bursche sein Werk. Eine ganze Schüssel voll wunderschöner Ostereier hat er ganz alleine hergestellt. Stolz schnappt er sich die Kunstwerke.
„Dominik!“, hört er den Vater rufen. „Kommst du?“
Nervös beißt sich der Junge auf die Unterlippe. Was nun? Rasch flunkert er: „Sofort! Muss nur noch schnell zur Toilette!“ Dominiks Puls rast. Jetzt muss alles richtig schnell gehen. Hektisch stürmt er die Treppe hoch. Im Schlafzimmer seiner Eltern wird er bestimmt ein paar gute Verstecke finden. Ruck zuck hat er die besten Plätzchen entdeckt. Das rote Ei legt er in Mamas Kommode, weil sie Rot doch so gerne mag. Eines kommt in Papas Hausschuh. Dominik muss schmunzeln. Dann legt er das schönste Osterei in Maries Bettchen und die Restlichen lässt der tüchtige Bursche vorsichtig unter den Schrank rollen.
Überstürzt poltert er die Stiegen hinunter. Völlig atemlos fällt er nun endlich seiner Mutter in die Arme. „Ich hab dich so vermisst!“, lächelt er sie glücklich an.
Doch viel mehr Worte können sie im Augenblick nicht wechseln, weil das kleine Mariechen nun bitterlich weint. „Ich werde sie erst einmal in ihr Bettchen legen“, seufzt Mama. „Nach all den Aufregungen will sie bestimmt schlafen.“
„Großartig!“, denkt Dominik. Das ist ihm sehr recht, denn schließlich wartet dort die große Osterüberraschung.
Die ganze Familie begleitet entzückt das neue Familienmitglied hoch zum Schlafplatz. Mittlerweile hat sich die Kleine auch schon beruhigt und döst gemütlich in Mamas Arm. Alle verhalten sich ganz still, um sie nicht zu wecken. Doch als die Mutter das Neugeborene in das Bettchen legt, ertönt ein seltsames Geräusch.
Dominik kichert: „Überraschung! Marie, du hast das erste Osterei gefunden!“
Da bemerkt die Großmutter einen kleinen Farbfleck auf dem Kissenbezug und wird ganz blass: „Hast du die Eier etwa alleine gefärbt? Die waren doch noch roh!“
Dominik rümpft die Nase. Mist! Das hat er doch nicht wissen können. Behutsam hebt Mama das Baby wieder aus dem Bettchen. Papa nimmt das Kissen heraus. Das ist nun wirklich eine Osterüberraschung! Ein winziges Küken sitzt dort und schaut verdutzt in die Runde.
Im selben Moment hören sie erneut das Knacken von Eierschalen. Gleich darauf piept es ganz zart aus allen Richtungen im Raum. Mit großen Augen beobachten alle, wie Oma die putzigen Flaumknäuel einsammelt. „Was für ein Glück, dass wir sie nicht gekocht haben!“, meint die Großmutter andächtig. „Wie es aussieht, hast du die falschen Eier gebracht.“
Sofort bringt sie die Küken hinaus in den Hühnerstall, wo die Henne aufgebracht gackert und mit den Flügeln schlägt. Etwas später, als die Familie gemeinsam den leckeren Osterkuchen verspeist, ist wieder alles in bester Ordnung. Doch diese gelungene Osterüberraschung wird wohl keiner so schnell vergessen.
Doris Bel Haj Salah wurde 1973 in Wien geboren, wo sie auch heute noch mit ihrer Familie lebt. Das größte Glück sind für sie ihre drei Töchter und ihr Ehemann, mit denen sie viel Zeit verbringt. In ihrer Freizeit liest, schreibt und zeichnet sie sehr gerne.