Читать книгу Wie aus dem Ei gepellt ... - Martina Meier - Страница 37
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Vergiftete Schokoladeneier zu Ostern
„Siehst du ihn?“ Felian versucht, so leise wie möglich zu sprechen. Jeder Ton könnte im Lüftungsschacht widerhallen und sie würden entdeckt.
„Dort drüben ist Charly. Er ist an diese Maschine angebunden“, flüstert Juliet. Ihr achtjähriger Klassenkamerad muss schmunzeln. Juliet bekam vor wenigen Tagen eine herausnehmbare Zahnspange und kommt noch nicht ganz zurecht damit.
„Warum grinst du, Felian?“
„Ich liebe es, wie du das S lispelst.“
Juliet kichert. „Du liebst doch alles, was ich tue.“
Gerade will Felian etwas antworten, als sich der Chemiker verdächtig nähert. Noch hat er die beiden nicht entdeckt.
„Ist das dieser Darian Lehmhart, von dem du mir erzählt hast?“
„Das ist er, Juliet. Ich erkenne ihn an seiner dunklen Stimme, seinem dicken Bauch und dem ungepflegten Vollbart. Und der andere, den du an der Maschine siehst, ist sein Kollege. Darius nennt ihn immer Wolf. Wahrscheinlich für Wolfgang, keine Ahnung.“
„Und die beiden Schurken hast du ganz alleine belauscht?“
Felian nickt. „Manchmal ist es doch gut, die Regeln zu brechen, um Gutes zu tun.“
„Aber nur dann“, murmelt Juliet. „Du weißt, du darfst eigentlich gar nicht auf dieses Gelände. Die Fabrik ist baufällig. Stand sogar in der Zeitung.“
„Ja, Mama“, antwortet Felian schnippisch. „Jetzt aber zum Plan. Wolf verlässt immer pünktlich um 20.00 Uhr die Fabrik.“ Er blickt auf seine Armbanduhr. „Es ist fünf vor acht. Wenn Wolf weg ist, befreien wir Charly.“
„Du hast mir noch nicht verraten, warum diese Ganoven Charly entführt haben.“
Felian blickt noch einmal auf die Uhr. „Kurzfassung: Charly ist der gehorsamste Hund in dieser Stadt. Vielleicht sogar weltweit. Als ich gesehen habe, wie er entführt wurde, bin ich mit dem Fahrrad hinterhergedüst und habe die beiden belauscht. Darius will Charly irgendwie das Gehorsamkeitsgen herausoperieren.“
„Und das will er dann in die Schokolade schmuggeln, mit der er Schokoladen-Ostereier herstellen will?“
„So ist es, Juliet. Jede Minute zählt.“
„Du hättest die Polizei rufen sollen, Felian.“
„Damit die mich auslachen? Nee, danke. Erwachsene glauben nur das, was sie sehen und selbst daran zweifeln sie noch. Es ist acht Uhr“, sagt Felian nach einem weiteren Blick auf seine Armbanduhr. Er drückt das Gitter des Luftschachts vorsichtig weg, das er bereits am Vortag aufgeschraubt hat. Dann dreht er es behutsam um und legt es neben sich. „Komm da ja nicht ran, Juliet. Wir müssen leise sein.“
Juliet nickt. „Schaffst du das mit deinem Bein?“
„Klar. Tut doch nicht mehr weh.“
Darius folgt Wolf, um die Tür hinter ihm abzuschließen. Dabei ist die Fabrik löcheriger als jeder Käse. Felian steigt als Erster aus dem Luftschacht. Ein kleiner Sprung und er ist unten. Dann hilft er Juliet. Gemeinsam schleichen sie zu dieser Maschine, an der viele Knöpfe bunt blinken und ein Hebel am anderen angebracht ist.
Charly liegt rücklings auf einem kleinen Tisch, der an dieser Höllenmaschine befestigt ist. Charly winselt, als er Felians Stimme hört. Er kennt sie aus dem Tierheim, in dem Felian in jeder freien Minute aushilft. Schon oft sind sie zusammen im Park spazieren gegangen. Einmal musste Felian Charly suchen, da er flitzen gegangen ist. Doch nach einer Nacht kam er wieder.
„Du musst leise sein“, sagt Felian und legt den Zeigefinger auf seine Lippen. Als wenn Charly ihn verstehen würde, hört er auf zu winseln. Felian löst die Gurte, mit denen Charly festgebunden wurde. In dem Moment betritt Darius den Lagerraum.
„Was geht hier vor?“, schreit er wütend.
Wegen seines bandagierten Fußes kann Felian nicht so schnell abhauen wie Juliet. Darius schnappt sich den Jungen, setzt ihn auf einen Küchenstuhl und fesselt ihn daran. Ganoven haben immer ein Seil herumliegen, mit dem sie die Guten fesseln können.
Juliet konnte sich so flink verstecken, dass Darius sie nicht bemerkt hat.
„Willst du mein Projekt sabotieren?“
Felian steht der Schweiß an der Stirn, doch er versucht, locker zu bleiben. „Ich weiß, was Sie mit Charly vorhaben. Ich weiß nur nicht, warum.“ Während er spricht, verdreht er seine Finger hinter dem Rücken, um an seine Gesäßtasche heranzukommen. Wenn er sein Handy erreichen könnte, könnte er den Notruf wählen, den er im Kurzwahlspeicher unter 1 abgelegt hat.
Darius zwirbelt seinen schwarzen Bart. „Warum ich das Gehorsamkeits-Gen haben will, kann ich dir erklären. Du wirst es eh nicht weitererzählen können.“ Er grunzt kurz, als er lacht und erklärt: „Ich habe lange gebraucht, um diesen Hund zu finden und ich werde weitersuchen, um andere für mein Projekt zu finden. Es müssen keine Hunde sein. Das mit Charly war nur zufällig. Ich habe euch im Park beobachtet und gesehen, wie er dir gehorcht.“
„Aber wofür das alles?“ Felian will Darius mit Fragen ablenken, um weiterhin nach dem Handy zu kramen.
„Ich will ihm das Gen entnehmen, dann werde ich es verflüssigen und in meine Schokoladeneier spritzen, die ich dann in der ganzen Welt verkaufen werde. Die Kinder sollen dermaßen gehorsam sein, dass sie ihren Eltern nie wieder widersprechen.“
„Sie haben Ihr Gehirn wohl im Schokoladenbottich verloren.“
Unbeirrt erklärt Darius, wie es zu der Scheidung von seiner Ehefrau kam, weil seine beiden Kinder so aufmüpfig waren, dass es jeden Tag Zoff gab.
„Ich gab meiner Frau die Schuld, weil sie die Kinder zu weich erzogen hat und sie gab mir die Schuld, weil ich wohl zu streng war. Aber mit meinen Ostereiern wird es Frieden auf Erden geben.“
Felian schüttelt ungläubig den Kopf.
Darius trottet siegessicher auf seine Maschine zu, nachdem er Charly wieder eingefangen und festgeschnallt hat. Da bemerkt er entsetzt, dass jemand Limonade über das Schaltpult geschüttet hat, während er Felian von seinem Plan erzählt hat. Die Funken sprühen ihm entgegen, die Knöpfe sind verklebt und die Instrumente spielen verrückt.
Während Darius ungläubig dasteht und seiner Maschine nachtrauert, befreit Juliet Charly. Für Charly, der in letzter Zeit stark zugenommen hat, ist das alles zu stressig. Er zieht sich zurück und legt sich zwischen die verpackten Schokoladeneier, die noch präpariert werden sollten. Felian und Juliet beobachten den geschwächten Charly. Nachdem Juliet ihren Felian befreit hat, humpelt dieser zu Charly.
„Fußball ist wohl doch nicht so gesund“, sagt Juliet und will mit dieser Aussage die Lage beruhigen. Währenddessen kniet Felian neben Charly und stützt dessen Kopf.
Plötzlich löst Darius seine Gedanken von der Ostereier-Maschine und stürzt auf die beiden Kinder zu. Zur selben Zeit stürmen zwei Polizisten den Lagerraum, die Felian informieren konnte. Mit ihrem Geschrei verdutzen sie Darius so sehr, dass er sich nicht einmal wehrt, als er festgenommen wird.
„Wie sind Sie hier hereingekommen?“, fragt Darius erschreckt.
„Durch eines der vielen Löcher in den Mauern“, antwortet einer der Polizisten.
Da kommt Felian hinzu, mit Charly auf dem Arm.
„Ist er tot?“, fragt der andere Polizist.
Felian lächelt vergnügt. „Nein, sie ist Mama.“
Darius dreht sich zu den Kindern um. „Charly ist ein Mädchen?“
Nun gesellt sich auch Juliet zu der kleinen Gruppe, mit vier kleinen Welpen auf dem Arm. „Das ist wohl das Ergebnis, als sie ausgebüxt ist, und der Grund, warum sie immer dicker wurde.“
Alle, bis auf Darius, lachen und streicheln die Hundemama mitsamt ihren Babys. Darius schaut traurig zu.
„Trauern Sie um Ihre Maschine, um Ihren Plan, der nicht aufging, oder um das verlorene Gehorsamkeitsgen?“, fragt Felian schnippisch.
Darius blickt betrübt auf die quiekenden Hundebabys. „Da hätte ich fast Mist gebaut, hm?“
Ostern ist gerettet, die Kinder dieser Welt dürfen auch mal unartig sein, solange sie nachher wieder lieb sind und Darius bekommt nur eine Geldstrafe als Denkzettel. Ein Hundemädchen darf er sogar behalten und kümmert sich rührend um sie.
Carmen Matthes wurde 1971 in Reutlingen geboren und lebt seit einigen Jahren glücklich verheiratet in Heilbronn. Nach der Tätigkeit als Übersetzerin begann sie Ende 2009 mit dem Schreiben von Geschichten und veröffentlichte bereits einige in Anthologien und Zeitschriften.