Читать книгу Die Vergütung von Betriebsräten - Martina Schlamp - Страница 10

A. Von den Anfängen bis zu ersten gesetzlichen Regelungen des Teilhabegedankens

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Betriebliche Teilhabegedanken waren in Deutschland schon sehr früh, noch vor der industriellen Revolution zu verzeichnen. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es erste Ansätze, Arbeiterinteressen im Betrieb durch paritätisch besetzte Fabrikvereine oder Arbeiterausschüsse gebündelt zu vertreten.14 Die entsprechende Vorlage eines Entwurfes zu einer Gewerbeordnung in der Nationalversammlung im Jahre 1848/49 hatte sich allerdings nicht durchgesetzt; obwohl diese Bestrebungen gesetzlich nicht festgeschrieben wurden, gelten sie dennoch als Vorläufer des heutigen Betriebsverfassungssystems.15 Letztendlich ausschlaggebend für die Idee einer Teilhabe an Entscheidungen des Arbeitgebers war die in den folgenden Jahren zunehmende Industrialisierung in Deutschland und die florierende Wirtschaft mit zahlreichen neuen Fabriken. Die Mechanisierung der Produktion mit Erfindung der Dampfmaschine sowie die vermehrten Fortschritte der Elektrotechnik ermöglichten eine Massenproduktion von Gütern, welche rasch zu einer grundlegenden Veränderung der Arbeitsbedingungen in den deutschen Fabriken führte. Die Arbeiter waren ihren übermächtigen Fabrikanten schutzlos ausgeliefert. Nicht nur die Arbeitsbedingungen, die u.a. durch lange Arbeitszeiten und Kinderarbeit geprägt waren, sondern auch die neuen Gefahren, die durch die veränderten maschinellen Arbeitsabläufe und die gesundheitsgefährdenden Arbeiten in den Kohle-, Stahl- und Chemiebetrieben für die Arbeiter bestanden, ließen die Rufe nach einer Arbeitnehmervertretung laut werden.16 Trotzdem blieb es in der Zeit nach der Nationalversammlung in den Betrieben zunächst lediglich bei vereinzelten und nur auf freiwilliger Basis gegründeten Arbeiterausschüssen einiger liberal eingestellter Unternehmer.17 Erst Ende des Ersten Weltkrieges wurden gesetzlich verankerte, obligatorische Arbeitnehmerausschüsse jedenfalls für die Bereiche des Bergbaus und – aufgrund der Kriegsmüdigkeit sowie des militärischen Zusammenbruchs Deutschlands – in anderen, für den Krieg und die Versorgung wichtigen Betrieben mit über 50 Arbeitern und Angestellten eingeführt.18

Umfassend anerkannt wurde die gleichberechtigte Mitbestimmung dann zum ersten Mal in der Weimarer Reichsverfassung von 1919, in deren Artikel 165 ein Rätesystem mit Betriebsräten auf unterster Stufe vorgesehen war. Realisiert wurde dieses Prinzip in dem Betriebsrätegesetz im Jahr 1920, das die Mitbestimmung erstmals innerhalb der Betriebsverfassung gesetzlich regelte, wenngleich die Befugnisse der Arbeitnehmervertretungen relativ gering waren.19 Dennoch enthielt dieses Gesetz Regelungen zur Rechtsstellung und insbesondere zur Vergütung der Betriebsräte. Auch wenn hier primär noch keine Arbeitsbefreiung für Betriebsratsarbeit vorgesehen war und Betriebsratssitzungen nach § 30 BRG nach Möglichkeit außerhalb der Arbeitszeit abgehalten werden sollten, hat das Gesetz in seinem § 35 BRG ausdrücklich angeordnet, dass die Betriebsratsmitglieder ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt zu verwalten haben. Eine notwendige Arbeitsversäumnis durfte aber dennoch nicht zu einer Minderung des Entgeltes führen. Interessant ist, dass die Schutz- und Strafbestimmungen des Gesetzes lediglich ein Verbot der Benachteiligung der Arbeitnehmer bei Ausübung des Amtes in § 95 BRG vorsahen, von einer Begünstigung allerdings nicht die Rede war. Ein deutlicher Rückschritt dieser Entwicklungen war dann zur Zeit des Nationalsozialismus zu verzeichnen, in der durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) im Jahr 1934 die bestehenden Regelungen gänzlich wieder aufgehoben und entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie durch das sog. Führerprinzip ersetzt wurden, so dass der Betriebsleiter wieder die alleinige Leitungsbefugnis des Betriebes innehatte.20 Erst der Sieg der Alliierten ermöglichte eine erneute Umkehr und einen Neubeginn. So wurden nach Ende des Deutschen Reiches die nationalsozialistischen Regelungen wieder aufgehoben und ein neues Rahmengesetz – das Kontrollratsgesetz Nr. 22, auch Betriebsrätegesetz genannt – erlassen, das zwar Geltung für ganz Deutschland hatte, in einzelnen Bundesländern aber die Einführung landesrechtlicher, auch voneinander abweichender Betriebsratsgesetze ermöglichte.21 Da einige Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, führte dies zu einer erheblichen Rechtszersplitterung, die schnell Forderungen nach einer bundesgesetzlichen Regelung als einheitliche Basis nach sich zog.22

Am 11. November 1952 trat sodann – nach erbitterten, politischen Auseinandersetzungen und langandauernden inhaltlichen Streitigkeiten23 – ein für alle Länder der Bundesrepublik Deutschland einheitliches Betriebsverfassungsgesetz in Kraft. Inhaltlich führte es das Weimarer Betriebsrätegesetz von 1920 zwar fort, ging aber noch weit über dessen Regelungen hinaus.24 Besondere Kennzeichen dieses Gesetzes waren neben der Trennung von Betriebsrat und Gewerkschaften die Unabhängigkeit des Betriebsrates von dem Arbeitgeber, gegenseitige Friedenspflicht sowie das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit.25 Im Gegensatz zu seinem Vorgänger setzte das neue Gesetz damit mehr auf die Idee der Sozialpartnerschaft. Es sah nunmehr auch ausdrücklich Freistellungsmöglichkeiten vor und führte wie schon das Betriebsrätegesetz von 1920 die Qualifizierung des Betriebsratsamtes als unentgeltliches Ehrenamt in § 37 BetrVG fort. Erstmals hat es in § 78 Abs. 1 a) BetrVG nicht nur eine Benachteiligung, sondern auch die Begünstigung eines Mandatsträgers, die „um seiner Tätigkeit willen“ erfolgt, mit Strafe versehen.

Die Vergütung von Betriebsräten

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