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3. § 991 im Besonderen

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Besondere Verständnisschwierigkeiten bereitet erfahrungsgemäß die Vorschrift des § 991. Nach ihrem Abs. 1 ist der Besitzer, der sein Recht zum Besitze von einem mittelbaren Besitzer ableitet, zur Herausgabe von Nutzungen nach § 990 nur verpflichtet, wenn der mittelbare Besitzer bösgläubig oder auf Herausgabe verklagt ist. Die Vorschrift will verhindern, dass der unmittelbare Besitzer, nachdem er vom Eigentümer nach § 990 Abs. 1 in Anspruch genommen wurde, seinerseits den mittelbaren Besitzer auf der Grundlage des Besitzmittlungsverhältnisses auf Regress in Anspruch nimmt und dieser dadurch seines Haftungsprivilegs aus § 993 Abs. 1 verlustig geht. Solange der mittelbare Besitzer redlich und unverklagt ist, soll deshalb der unmittelbare Besitzer dem Eigentümer selbst dann nicht auf Nutzungsersatz haften, wenn er bösgläubig oder verklagt ist. Mit einer im Schrifttum vertretenen Ansicht erscheint allerdings für den Fall, dass der unmittelbare Besitzer den mittelbaren Besitzer nach §§ 536b, 536c Abs. 2 oder aus anderen Gründen ohnehin nicht auf Regress in Anspruch nehmen kann, eine teleologische Reduktion der Vorschrift veranlasst[25].

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Nach § 991 Abs. 2 ist dagegen ausnahmsweise auch der redliche Fremdbesitzer zum Schadensersatz verpflichtet. Dahinter steht die Überlegung, dass ein Fremdbesitzer, der außerhalb seines vermeintlichen Besitzrechts die Sache beschädigt, sich nicht darauf berufen können soll, einen anderen für den Eigentümer gehalten zu haben. Der Besitzmittler soll mit anderen Worten auf Schadensersatz haften, wenn er die Grenzen seines – tatsächlich bestehenden oder vermeintlichen (s. Rn. 113) – Besitzrechts gegenüber dem mittelbaren Besitzer überschreitet.

Fall 7

führt in die Problematik ein: D hat dem E einen Lkw gestohlen, den er dem gutgläubigen B noch am gleichen Tag für vier Wochen vermietet. Zur Rückgabe des Lkw kommt es allerdings nicht: Fünf Wochen nach dem Diebstahl entdeckt E den Lkw bei B. Hat E gegen B einen Anspruch auf Nutzungsersatz und auf Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden ist, dass er den Lkw nicht nutzen konnte?

In Betracht kommt zunächst ein Anspruch auf Ersatz des Vorenthaltungsschadens aus §§ 991 Abs. 2, 280 Abs. 1, 2, 286. Nach § 991 Abs. 2 haftet der unmittelbare Besitzer allerdings nur nach Maßgabe des § 989. Diese Vorschrift wiederum verpflichtet, wie ihr Wortlaut zeigt, gerade nicht zum Ersatz des Vorenthaltungsschadens. Ein entsprechender Anspruch aus §§ 991 Abs. 2, 280 Abs. 1, 2, 286 scheidet somit aus[26]. Auch die Voraussetzungen des § 992 liegen wegen der Gutgläubigkeit des B selbst dann nicht vor, wenn man die Anwendbarkeit des § 858 Abs. 2 S. 2 im Rahmen des § 992 bejaht.

Ein Anspruch auf Nutzungsersatz scheidet für die ersten vier Wochen aus: Die Nutzungen sind für B entgeltlich und erfolgen mit Rechtsgrund gegenüber D, so dass § 988 weder unmittelbar noch analog (Rn. 120) Anwendung findet. Für §§ 990 Abs. 1, 991 Abs. 1 fehlt es schon an der Bösgläubigkeit des B. § 991 Abs. 2 schließlich verweist bewusst nicht auf §§ 987 f., da dem unmittelbaren Besitzer im Verhältnis zu seinem Oberbesitzer in der Regel die Nutzungen zustehen. Dies ist angesichts des wirksamen Mietvertrags für die ersten vier Wochen der Fall. Auch für die fünfte Woche ist dem B angesichts der Vorschrift des § 546a die Zahlung von Nutzungsersatz an E nicht zuzumuten; auch insoweit muss sich E nach §§ 987, 990 an D halten, der seinerseits wiederum den B aus § 546a in Anspruch nehmen kann. Auch wenn also B bislang nicht aus § 546a in Anspruch genommen wurde, ist er doch nicht als unentgeltlicher Besitzer im Sinne von § 988 anzusehen.

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Fall 8

betrifft weitere Fragen zu § 991 Abs. 2: Der Lkw aus Fall 7 wurde zwei Wochen nach dem Diebstahl durch einen Unfall zerstört. Hat E nach den Vorschriften des BGB einen Anspruch auf Schadensersatz gegen B, wenn der bei B angestellte Fahrer F am Steuer saß? Hierbei ist davon auszugehen, dass B den schuldhaft handelnden F sorgfältig ausgesucht und überwacht hat, ferner davon, dass an dem Unfall andere Verkehrsteilnehmer nicht beteiligt waren. Wie wäre es, wenn B den Lkw selbst fuhr, ihm aber ein Verschulden nicht nachzuweisen ist?

Im Grundfall ergibt sich der Anspruch aus § 991 Abs. 2 iVm. § 989. Die in § 991 Abs. 2 vorausgesetzte Verantwortlichkeit des B gegenüber D folgt aus §§ 546, 280 Abs. 1, 3, 283, 278 S. 1[27]. Der Anspruch aus § 831 Abs. 1 S. 1 scheitert schon an der Sperrwirkung des § 993 Abs. 1 Hs. 2 (Rn. 117 f.), aber auch an der nach § 831 Abs. 1 S. 2 möglichen Exkulpation.

Wäre B selbst gefahren, ohne dass ihm ein Verschulden nachgewiesen werden kann, so würde eine Haftung nach § 991 Abs. 2 die Anwendbarkeit des § 280 Abs. 1 S. 2 (iVm. § 283 S. 1) voraussetzen. Im Anwendungsbereich des § 989 findet § 280 Abs. 1 S. 2 nach durchaus hM zwar Anwendung[28]. Doch stützt sich diese Ansicht auf die im Fall des § 989 gegebene Rechtshängigkeit[29], woran es bei § 991 Abs. 2 fehlt. Auch nimmt § 991 Abs. 2 dem Wortlaut nach die Norm des § 989 – anders als § 990 – nur im Hinblick auf den dort bezeichneten Schaden in Bezug[30]. Somit ist die Anwendung des § 280 Abs. 1 S. 2 auf § 991 Abs. 2 auch dann nicht zwingend, wenn man sie bei § 989 selbst befürwortet. Eine wertende Betrachtung ergibt jedoch, dass B angesichts des wirksamen Mietvertrages auch mit der Beweislastumkehr gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 rechnen musste. Dass der Schaden demgegenüber aus Sicht des B zufällig bei E eintrat, kann ihn nicht entlasten.

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Weitere Fragen zu § 991 Abs. 2 sind in Fall 9 angesprochen: V hat sein Grundstück an M vermietet. Obwohl M zur Untervermietung nicht berechtigt ist, vermietet er das Grundstück weiter an U, der den M für den Eigentümer hält. Der Untermietvertrag ist aber unwirksam. U verursacht fahrlässig Beschädigungen an dem Grundstück. Kann V wegen dieser Schäden von U Ersatz verlangen, obwohl dieser bereits an M geleistet hat?

Der Anspruch aus § 989, 990 Abs. 1 S. 1 scheitert daran, dass U an ein von M abgeleitetes Recht zum Besitz gegenüber V glaubt (§ 986 Abs. 1 S. 1 Alt. 2). Entstanden ist aber ein Anspruch aus § 991 Abs. 2 iVm. § 989: U muss mit einem Schadensersatzanspruch des Eigentümers auch dann rechnen, wenn er sich im Verhältnis zum mittelbaren Besitzer M auf ein Recht zum Besitz berufen könnte oder, wie in Fall 9, an ein Recht zum Besitz glaubt[31]. Fraglich ist aber, ob der Anspruch durch die Zahlung an M erloschen ist. Dies wäre nach § 362 Abs. 1 iVm. §§ 422 Abs. 1 S. 1, 429 Abs. 3 S. 1 der Fall, wenn V und M Gesamtgläubiger wären. Doch hat M allenfalls einen auf der Verletzung des berechtigten Besitzes gründenden und damit aus § 823 Abs. 1 folgenden Anspruch auf Freistellung gegenüber V. U ist also nur zur Zahlung an V verpflichtet. Auch eine Analogie zu § 851 scheidet aus: Diese Norm setzt bewusst die Entziehung oder Beschädigung einer beweglichen Sache voraus, da, wie §§ 1006, 932 ff. einerseits, §§ 892 f. andererseits zeigen, nur bei dieser vom Besitz auf das Eigentum geschlossen werden kann. § 407 Fall 1 lässt sich ebenfalls nicht heranziehen, da er eine Leistung an den ursprünglich richtigen Gläubiger voraussetzt. Eine Analogie zu § 893 kommt hier[32] deshalb nicht in Frage, weil M nicht als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen ist. Schließlich scheidet auch eine Gesamtanalogie zu den genannten Gutglaubensvorschriften aus. Dass U nicht gegenüber V frei wird, beruht vielmehr auf dem Fehlen eines dem V nach der Wertung des Gesetzes zurechenbaren Rechtsscheins.

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