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c) Die erweiterte Einziehung

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Die erweiterte Einziehung (vormals Verfall) gem. § 73a StGB, der seit 1992[15](früher § 73d StGB) gesetzlich geregelt ist, stellt gegenüber der normalen Einziehung eine „verfassungskonforme Beweislastumkehr“ dar.[16] Dies bedeutet, dass das Gericht in dem Urteil bereits dann die erweiterte Einziehung anordnen kann, wenn ein bloßer Verdacht der unrechtmäßigen Herkunft des Vermögensgegenstands besteht. Im Gegensatz zur „einfachen“ Einziehung muss der Gegenstand nicht aus der verfahrensgegenständlichen Tat hervorgegangen sein, sondern aus irgendeiner rechtswidrigen Tat. Dabei muss die rechtswidrige Herkunft noch nicht einmal erwiesen sein, sondern es müssen lediglich bestimmte Umstände diese Annahme begründen. Die Vorschrift wurde nach der Vorstellung des Gesetzgebers geschaffen, um der Organisierten Kriminalität wirksam ihre finanzielle Grundlage entziehen zu können. Die Anknüpfungstat kann auch zeitlich vor der abzuurteilenden Tat begangen worden sein.[17] Nach der Gesetzesreform können Gegenstände oder Werte eingezogen werden, die aus einer beliebigen anderen Straftat stammen. Bislang war dies nur eingeschränkt möglich.[18] Der Anwendungsbereich wurde auf die Fälle erweitert, in denen der Verurteilung rechtliche Gründe (z.B. Verhandlungsunfähigkeit; Strafklageverbrauch) entgegenstehen. Bisher war dies nur bei tatsächlichen Gründen möglich. Auch bei verjährten Taten ist die erweiterte Einziehung zulässig. Die Frist beträgt in diesem Fall 30 Jahre (§ 76b StGB).

Der BGH[19] hat jedoch eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift des § 73d StGB (altes Recht) gefordert. Das Gericht muss von der deliktischen Herkunft der einzuziehenden Gegenstände überzeugt sein[20] und dies auch in den Urteilsgründen feststellen.[21] Für den Verteidiger bedeutet dies jedoch, dass die erweiterte Einziehung dann ausgeschlossen ist, wenn es gelingt, einen nahe liegenden Sachverhalt vorzutragen, der dazu geeignet ist, die Überzeugung des Gerichts von der deliktischen Herkunft zu erschüttern. Im Rahmen der Beweiswürdigung dürfen nahe liegende Alternativen, die nicht widerlegt werden können, nicht außer Betracht bleiben.[22] Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Einziehungsgegenstand aus der zur Aburteilung stehenden Tat stammt.[23] Das Gericht muss auch nicht sämtliche Beweismittel ausschöpfen, um festzustellen, ob der Wert aus der verfahrensgegenständlichen Tat stammt.[24]

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Der erweiterte Verfall nach altem Recht durfte nur angeordnet werden, soweit eine Katalogtat vorlag. Dies bedeutete, dass die entsprechende Strafvorschrift, wegen der der Täter verurteilt wird, auf § 73d StGB a.F. verweisen musste (§ 73d Abs. 1 S. 1 StGB a.F.). Nicht erforderlich war es, dass der Täter den Vermögensgegenstand aus der Katalogtat erlangt hat.[25] Vorläufige Sicherungsmaßnahmen (siehe Rn 298 ff.) zur Sicherung des erweiterten Verfalls waren jedoch bereits dann zulässig, wenn das Ermittlungsverfahren zunächst nicht wegen des Verdachts einer Katalogtat geführt wurde.[26]

Nach der Reform ist einer solche Katalogtat nicht mehr erforderlich. Der Gesetzgeber wollte bewusst den Anwendungsbereich der Vorschrift über die organisierte Kriminalität hinaus ausdehnen.

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Die erweiterte Einziehung ist, im Gegensatz zur „einfachen“ Einziehung auch dann zulässig, wenn es sich um eine bereits verjährte Straftat handelt[27] oder die zugrunde liegende Tat gem. § 154 StPO eingestellt wurde.[28] Dies wird mit der Funktion der Beweiserleichterung des § 73a Abs. 1 StGB begründet. Außerdem sollen nach den Gesetzesmaterialen dem Täter die finanziellen Mittel entzogen werden, mit denen er weitere Straftaten vorbereiten könnte. Diese bezieht sich nicht nur auf das Begehen der Straftat, sondern auch auf die Frage der Tatzeit und somit u.a. des Eintritts der Verfolgungsverjährung.

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Die Anordnung der erweiterten Einziehung ist im Gegensatz zur „einfachen“ Einziehung nur gegen den Täter/Teilnehmer selbst, nicht jedoch, wie bei § 73b StGB auch gegen Dritte[29] zulässig.

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Der Verteidiger muss insbesondere darauf achten, dass die entsprechende Vermögensposition nicht mehrfach eingezogen wird. Dies könnte dadurch passieren, dass in einem Verfahren, das die eigentliche Tat zum Gegenstand hat, der Originalgegenstand eingezogen wird. In einem späteren Verfahren wegen eines anderen Vorwurfs wird die erweiterte Einziehung angeordnet und die bereits anderweitig verurteilte Straftat als Grundlage angenommen. Dies wird jedoch über § 73a Abs. 2 StGB ausgeschlossen. Kann das Gericht nicht klären, ob ein Gegenstand bereits in einem früheren Verfahren eingezogenworden ist, gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“.[30]

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Entscheidend für die Anordnung der erweiterten Einziehung ist, dass konkrete Umstände (begründete Annahme; § 111b StPO) die Annahme rechtfertigen, die entsprechenden Vermögensgegenstände seien aus oder für rechtswidrige Taten erlangt worden. Rechtmäßige Herkunft muss mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können.[31] Hierbei muss insbesondere eine vorliegende Einlassung berücksichtigt werden, soweit das Gericht ihr Glauben schenkt. Bei der Vorschrift des § 73a StGB handelt es sich also letztlich nur um eine Norm zur Beweiserleichterung. Die rechtswidrige Herkunft muss nicht bewiesen werden.[32] Dies führt dazu, dass der Anwendungsbereich im Wesentlichen im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität zu sehen ist, da dort rechtmäßige Einnahmequellen regelmäßig nicht vorhanden sind.[33] Denkbar sind jedoch nach neuer Rechtslage auch Funde von Diebesgut aus unbekannter Herkunft oder große Bargeldfunde bei Verkehrs- oder Flughafenkontrollen.

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In der Literatur wurde vielfach ein Verstoß gegen Grundrechte wie Art. 14 GG oder die Unschuldsvermutung eingewandt.[34] Der BGH[35] geht jedoch davon aus, dass eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften über den erweiterten Verfall (nach altem Recht) möglich sei. Danach reicht es nicht aus, dass der Verdacht der illegalen Herkunft des Vermögens besteht, sondern das Gericht muss von dieser Herkunft die tatrichterliche Überzeugung gewonnen haben. Ansonsten darf der erweiterte Verfall (die erweiterte Einziehung) nicht angeordnet werden. Das BVerfG[36] ist der Auffassung, die Regelung verstoße weder gegen den Schuldgrundsatz, die Unschuldsvermutung oder gegen Art. 14 GG, soweit eine Auslegung nach den Vorgaben des BGH erfolge. Die Reform zum 1.7.2017 hat diese Rechtsprechung versucht in den Gesetzeswortlaut zu übernehmen. Danach ist bei der Überzeugungsbildung des Gerichts der Maßstab anzuwenden, der für den Tatnachweis selbst anzulegen ist.[37]

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Die erweiterte Einziehung darf nur bezüglich derjenigen Gegenstände angeordnet werden, die nach der Überzeugung des Gerichts aus Taten stammen, die nach der gesetzlichen Einführung des erweiterten Verfalls am 22.9.1992 oder einer entsprechenden Verweisungsvorschrift begangen wurden. Dies ergibt sich aus dem Rückwirkungsverbot.[38] Ist die Haupttat bereits verjährt, hindert dies die erweiterte Einziehung nicht (§ 76a Abs. 2 StGB).

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