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Kindheit auf dem Millionärshügel

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(Max) Hans Schindler kam 1896 als jüngstes von vier Kindern – einem Mädchen, drei Buben – zur Welt. Die ersten fünf Jahre verbrachte er im Patrizierhaus Talgarten am Talacker. Nach dem Umzug in den «Wyggisser» besuchte er eine private evangelische Primarschule, in der biblische Geschichten eine grosse Rolle spielten. Gemäss seiner autobiografischen Aufzeichnungen wurde grosser Wert auf Gehorsam und Genauigkeit gelegt, während selbstständiges Handeln und Denken nicht gefördert wurden. In der Schule wie auch zu Hause wurde nicht über Standesunterschiede gesprochen, dennoch waren sie spürbar. Die Schindler-Kinder trugen in der Primarschule zuweilen Matrosenkleider, die extra aus Deutschland beschafft wurden. Die Kinder vom «Millionärshügel», wie die Gegend über dem Stadelhofen genannt wurde, lebten in ständiger Angst vor den «Gassenbuben» in der weiter unten gelegenen Merkurstrasse. «Wir beiden jüngeren Brüder mit unseren Eaton-Kragen waren auffälliger für die Nachbarn, als wir selbst ahnten», schrieb Schindler später. In der Villa wohnten zwei Dienstmädchen, eine Köchin und ein Gärtner. Zudem kamen alle vier Wochen für ein paar Tage die Wäscherinnen und Glätterinnen vorbei. Die Beziehung zum Dienstpersonal war distanziert. Als Freunde kamen nur Kinder aus wohlhabenden Familien infrage. Ein Kommentar seines Vaters brannte sich bei Hans Schindler besonders ein: «Als etwa 12-jähriger Knabe hörte ich meinen Vater von einem Mann sagen, er habe eine Kellnerin geheiratet. Das war etwa so schlimm, wie wenn der Mann wegen Betrugs im Gefängnis gesessen hätte.»

Die vier Kinder wuchsen in einer behüteten Atmosphäre auf. Sie fürchteten sich jedoch vor ihrem übermächtigen Vater. Er war ein Schwerarbeiter, dem die Erfolge nicht einfach so in den Schoss fielen. Hans Schindler schrieb über ihn: «Er sah überall Pflichten, andererseits hatte er Angst vor den Versuchungen des leichten, üppigen Lebens. Er wollte seine Söhne durch strenge Erziehung davor bewahren.» Mit zunehmendem Alter nahm er immer mehr die Rolle des regierenden Patriarchen ein, nicht nur als Generaldirektor der Maschinenfabrik Oerlikon. Die Mutter war voll Liebe für die Kinder und versuchte, sie vor brutalen Übergriffen des Vaters zu bewahren. Sie behielt ihren kritischen Geist und war versöhnlich gegenüber Andersdenkenden. Die Kinder suchten oft Schutz bei der Mutter, die ihnen das Vertrauen gab, dass sie bei ihr immer willkommen waren. Sie waren deshalb umso stärker bemüht, die fürsorgende Liebe der Mutter nicht zu verletzen. Wie Hans Schindler in seinen Memoiren schreibt, prägte diese Konstellation die Kinder nachhaltig: «Das waren zwei Einflüsse, die uns bis ins reife Alter hinein vor Abenteuern bewahrten, uns allerdings auch hinderten, Konventionen zeitig über Bord zu werfen.» In der Familie galten Leistung, Benehmen, die Pflege von Familientraditionen und der Verzicht auf persönliche Freiheiten als oberste Maxime.

Anders als bei reichen Leuten üblich, etwa im Haus der Grosseltern Huber, fand im «Wyggisser» kaum gesellschaftliches Leben statt. Obwohl Dietrich Schindler in die höchsten Zürcher Kreise eingeheiratet hatte, war das gesellschaftliche Prestige noch nicht voll ausgebildet, so jedenfalls nahm er es wahr. Der Vater von Hans Schindler versuchte dieses Defizit mit zäher Arbeit auszugleichen – ganz im Sinne des sogenannten zwinglianischen Geistes in Zürich. Nur einmal wurde ein Ball für die heiratsfähige Tochter Gertrud veranstaltet. Gemäss Erinnerungsbericht von Hans Schindler hatte sein ältester Bruder dazu nur gemeint, es sei ein «typischer Ball in einem Parvenu-Haus» gewesen.

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