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Die Palastrevolution

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Im Frühling 1935 eskalierte die Situation bei der MFO, als Dietrich Schindler direkt mit den Bürochefs des Verkaufs über ein neues Preiskalkulationssystem verhandelte, ohne F. E. Hirt miteinzubeziehen. Hirt reichte in der Folge ein Rücktrittsgesuch ein, weil er seine Autorität als Direktor untergraben sah. Er stellte in Aussicht, bei der MFO zu bleiben, wenn er endlich jene Kompetenzen erhalte, die Direktoren in allen anderen Unternehmen auch hätten. Der Verwaltungsrat griff nun vermittelnd ein und versuchte die unterschiedlichen Positionen zu ergründen. Dietrich Schindler reagierte in einem Brief an seinen Schwager, den Verwaltungsratspräsidenten Max Huber, pikiert auf die Kündigungsandrohung. Hirt sei nicht zur Sparsamkeit erzogen, habe nie etwas Schöpferisches geleistet und trage Mitschuld am technischen Vorsprung der BBC. Hirt wolle «Herr und Meister» in Oerlikon werden, wie er es in der Tochterfirma in Frankreich gewesen sei. Dietrich Schindler schlug stattdessen vor, seinen Sohn Hans zum Direktor zu ernennen.

Hans Schindler hingegen sah im drohenden Weggang von Hirt einen schweren Verlust für die MFO. Er sei der Einzige, der neben dem Generaldirektor «in kommerziellen Dingen» auf der Höhe sei. Gegenüber dem ehemaligen Generaldirektor Behn erklärte er, «dass durch die fortschreitende Unterdrückung u. zermürbende Fesselung der Direktoren u. Angestellten die praktischen Geschäfte u. technischen Fortschritte immer mehr gehemmt u. gelähmt werden». Es gebe immer mehr Anzeichen für einen Niedergang. Man verliere Kunden, und die Produkte könnten mit der Konkurrenz nicht mehr mithalten. «In früheren Zeiten seien die Härten des Führers wiederholt durch die Anerkennung der Erfolge seiner überragenden Klugheit u. Energie entschuldigt worden, in letzter Zeit fehlen solche Erfolge u. der Eigensinn nimmt zu, bis in die geringfügigsten Fragen.» Hans Schindler schlug vor, dass er nach einem Rücktritt seines Vaters die Funktion eines Generaldirektors ausüben könnte.

Im August 1935 traf sich der Verwaltungsrat mit Dietrich Schindler. Dieser konnte dazu überredet werden, eine Lösung ohne Entlassung von Hirt zu suchen. Sein Sohn Hans sollte zum Direktor befördert werden und als sein Stellvertreter agieren. Den ausgearbeiteten Vorschlag lehnte Dietrich Schindler nach reiflicher Überlegung jedoch ab und weigerte sich in der Folge, die Führungsstrukturen zu ändern. Verwaltungsrat Eduard von Goumoëns schilderte seine Eindrücke wie folgt: «Mehr und mehr bin ich davon überzeugt, dass eben die Geschäftsführung des Papa Schindler nicht mehr den Verhältnissen entspricht, wobei ja ohne weiteres zuzugeben sei, dass auch Herr Hirt, und sogar sein Sohn, viele Fehler begehen, aber das Zeug ist durch den Despotismus der letzten Jahre wahrscheinlich noch erst recht verfuhrwerkt worden.» Als eine Delegation des Verwaltungsrats mit Dietrich Schindler neue Vorschläge besprechen wollte, erklärte dieser seinen vollständigen Rücktritt, liess sich später aber überreden, wenigstens im Verwaltungsrat zu verbleiben.

Schliesslich beschloss der Verwaltungsrat in seiner Sitzung vom 23. November 1935, Werner Schindler zum Vizedirektor und Hans Schindler zum Direktor und Präsidenten der neu gebildeten Direktion zu ernennen. Die Direktion musste die Beschlüsse allerdings einstimmig fassen und sich ansonsten an Dietrich Schindler wenden, der das strittige Geschäft dann in den Verwaltungsrat einbringen sollte. Trotz dieser Lösung war Dietrich Schindler am Ende verbittert, weil er in seinen Augen «aus der MFO herausgeschmissen wurde». Die Kündigungsandrohung von Hirt habe am Ende zu seiner Entlassung geführt, während Hirt in seiner Stellung bestätigt worden sei. Er leite de facto heute die Maschinenfabrik. Interessanterweise weist auch Hans Schindler in seiner Autobiografie auf diesen Umstand hin: «Von 1936 bis 1949 liess ich Hirt de facto, allerdings nicht de jure, als spiritus rector walten.»

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