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Die Reise nach China

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«8.07 Uhr Abfahrt des Zuges nach Neuenburg. Die ganze Familie ohne die beiden Kleinsten, und die Grosseltern waren auf dem Bahnhof. Jedermann war etwas traurig.» So beginnt der erste Tagebucheintrag von Dr. Hans Schindler-Baumann am 2. Mai 1945. Da stand er also, der Ehemann, Vater, Schwiegersohn, 48 Jahre alt, ein stattlicher Mann mit nachdenklichem, aber wachem Blick, und verabschiedete sich im Zürcher Hauptbahnhof von seinen Schwiegereltern, seiner Frau Ilda und von vier seiner sechs Kinder. Ziel der Zugfahrt war Paris, von wo aus er in mehreren Etappen in amerikanischen Militärmaschinen nach China weiterreisen wollte.

Die bevorstehende Reise in den Fernen Osten war offensichtlich der Anlass, um von nun an Tag für Tag über sein Leben Buch zu führen und die wichtigsten Erlebnisse, Gedanken und Taten festzuhalten. Die Ungewissheit einer Reise durch die halbe Welt, die sich nach wie vor im Kriegszustand befand, löste auch bei der Familie spezielle Gefühle aus. Sohn Peter, damals zehn Jahre alt, erinnert sich, dass sich Vater und Mutter beim Abschied in der Bahnhofshalle das einzige Mal in der Öffentlichkeit einen Kuss gaben. Die Kinder waren tief beeindruckt.

In China wollte Hans Schindler zusammen mit einer kleinen Delegation von weiteren Vertretern aus wichtigen Schweizer Industriefirmen den Boden für die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder bereiten. Man erwartete, gute Beziehungen zu massgeblichen Persönlichkeiten der Regierung und der Privatwirtschaft knüpfen zu können. Im Stillen hoffte die Delegation natürlich, bereits erste Bestellungen für ihre Firmen oder zumindest für Schweizer Unternehmen einholen zu können. China befand sich immer noch im Krieg mit Japan. Die chinesische Regierung unter Chiang Kai-shek hatte sich nach dem Massaker in der alten Hauptstadt Nanking von 1937 in Chongqing installiert und empfing in Erwartung der baldigen Kapitulation Japans erste ausländische Besucher, die beim Wiederaufbau mithelfen wollten.


Hauptbahnhof Zürich, um 1940.

Im Februar 1945 hatte sich Schindler nach einer Besprechung mit Fritz Respinger entschlossen, sich der Delegation anzuschliessen. Respinger war früher Direktor der Aluminium-Walzwerke in Schaffhausen und sass aktuell im Verwaltungsrat der Aluminium Industrie Aktiengesellschaft (AIAG). Er hatte unter anderem ein Folienwerk in Schanghai aufgebaut. Weitere Mitglieder waren der Prokurist Dr. Willy Corti von der AIAG, Ingenieur Allemand von der MFO sowie Ingenieur Winkler von Escher Wyss, der in Kairo zur Gruppe stossen wollte. Als Verbindungsmann diente der chinesische Ingenieur Miao Chung-wa, der bei Sulzer ein langes Praktikum gemacht hatte und deshalb auch Deutsch sprach. In Schindlers Tagebuch taucht er in alter Schreibweise als «Herr Miau» auf.

Die Abreise im Frühling 1945 hatte sich immer wieder verzögert, weil keine Diplomatenpässe bewilligt worden waren. Für die normalen Dienstpässe wurden nicht weniger als elf Visa benötigt, um den Transit durch verschiedene Länder nach China zu bewerkstelligen. Auf das Visum aus China wartete die Delegation zweieinhalb Monate. Es zeigte sich, dass gewisse Kreise der Mission feindlich gesinnt waren. Später erfuhr Schindler, dass insbesondere ein wichtiger Wirtschaftsberater von Chiang Kai-shek den Verlust von Einfluss und Geschäftsmöglichkeiten fürchtete und deshalb den Schweizern möglichst viele Steine in den Weg legte. General Kwei Yun-chin, der die Delegation zur Reise nach Chongqing ermuntert hatte, pochte jedoch trotz der Schwierigkeiten auf die sofortige Abreise. Er war in der Regierung von Chiang Kai-shek offiziell Chef der chinesischen Militärmission in Deutschland und bekleidete weitere hohe militärische Ämter.

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