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1.Richterrecht
Оглавление76Inwieweit die Rechtsprechung als eigenständige Rechtsquelle angesehen werden kann, ist in der Lit. heftig umstritten. Allerdings kann dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet sein.
So haben gem. § 31 II BVerfGG gewisse Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes Gesetzeskraft; gem. § 23 VerfGHG gilt dies auch für Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg. In amtlichen Gesetzesbegründungen ist teilweise zu lesen, dass einzelne Streitfragen vom Gesetzgeber bewusst nicht entschieden wurden, um sie der späteren Klärung durch die Gerichte und die Wissenschaft zu überlassen.
Daneben machen weitere Gesetze des Prozessrechtes die „Rechtsfortbildung“ ausdrücklich zur Aufgabe der Gerichte (z. B. §§ 11 IV VwGO).
77Im Übrigen erzeugen einzelne Gerichtsentscheidungen zwar zunächst nur Bindungswirkung zwischen den Prozessparteien (eine rechtsetzende und deshalb grundsätzlich allgemein verbindliche Wirkung des Präjudizes besteht in unserer Rechtsordnung nicht). Die einzelnen Entscheidungen enthalten jedoch oft über den entschiedenen Einzelfall hinausgehende Rechtsgrundsätze, die für künftige Streitfälle Entscheidungsmaßstäbe setzen. Dies gilt nicht nur da, wo durch Fehlen von Gesetzes- oder Gewohnheitsrecht die Notwendigkeit der Lückenschließung besteht, sondern vor allem auch da, wo sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Normen unbestimmter Rechtsbegriffe und insbesondere Generalklauseln bedient (und wegen der notwendigen abstrakt-generellen Regelung wohl auch bedienen muss).
Beispiel: Die polizeiliche Generalklausel (§§ 1 I, 3 PolG) ist durch Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe wie der „öffentlichen Sicherheit“ in jahrzehntelanger Rechtsprechung in einer Weise konkretisiert worden, dass ihre Anwendung heute keine nennenswerten Schwierigkeiten bereitet.
Mit diesen Grundsätzen müssen sich Verwaltung und Gerichte in ihrer Entscheidungspraxis auseinandersetzen. Sie erzeugen eine Argumentationslast, die nicht im Sinne einer unkritischen Autoritätsgläubigkeit, sondern zur Bewahrung einer gewissen Kontinuität der Rechtsordnung zu beachten ist. Auf der Grundlage der oben genannten Rechtsquellen kann somit gesetzeskonkretisierendes und gesetzesergänzendes, niemals aber den Gesetzgeber korrigierendes Richterrecht entstehen. Mit dieser Einschränkung kann Richterrecht als eigenständige Rechtsquelle aufgefasst werden.