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III.Einfluss des Europäischen Unionsrechts
Оглавление92Umstritten ist, inwieweit bei der Durchsetzung des Europäischen Unionsrechts – auch vor deutschen Gerichten – die Schutznormlehre über subjektiv-öffentliche Rechte anwendbar ist oder ob sie zumindest einer Modifikation bedarf.
Grundsätzlich kann sich der Einzelne nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar auf Bestimmungen in EU-Richtlinien berufen, wenn diese hinreichend bestimmt und inhaltlich unbedingt sind und der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht fristgerecht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat (s. Rn. 127). Dabei soll der Bürger aus diesen unmittelbar anwendbaren Richtlinien subjektive Rechte herleiten können, ohne dass es auf einen zu seinen Gunsten ableitbaren Normzweck ankäme. Vielmehr können nach der Rechtsprechung des EuGH auch bloße Allgemeininteressen ausreichen. Ein wesentlicher Grund für diese Rechtsprechung wird darin gesehen, dass der Bürger „als Hüter der effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts“ mobilisiert werden soll (so Schoch, VBIBW 1999, 241 m. w. N.; vgl. zum sog. „effet utile“ Rn. 141). Gleichwohl verlangt der EuGH nicht die Popularklage, vielmehr soll zumindest eine „Betroffenheit“ bzw. ein „unmittelbares Interesse“ des Einzelnen erforderlich sein (vgl. auch Rn. 127).
Teilweise versucht die Literatur dieser Aufweichung des Rechtsinstituts des subjektiv-öffentlichen Rechts durch Einflüsse des Unionsrechts entgegenzutreten, indem unionsrechtliche Vorschriften als gesetzliche Ausnahmen nach § 42 II Halbs. 1 VwGO gedeutet werden und so die Klagebefugnis eröffnet wird (Wahl, in: Schoch/Schneider, VwGO, Vorbem. § 42 II Rn. 128).
93Von der Frage, inwieweit bei der unmittelbaren Anwendung von Richtlinien subjektiv-öffentliche Rechte bejaht werden müssen, ist jene zu unterscheiden, inwieweit der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung von Unionsrecht in nationales Recht dazu verpflichtet ist, den vom Unionsrecht Begünstigten subjektiv-öffentliche Rechte einzuräumen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuZW 1995, 635 Tz 18) ist dem Einzelnen im nationalen Recht dann ein subjektiv-öffentliches Recht einzuräumen, wenn dies die Zweckrichtung des Unionsrechts vorsieht. Dabei lässt der EuGH auch solche Normzwecke genügen, die nach deutschem Recht als Allgemeininteressen nicht zur Ausbildung subjektiv-öffentlicher Rechte führen würden (vgl. dazu von Danwitz, DVBl. 1998, 421).