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V.Rechtsquellen des „Innenrechts“ mit faktischer Außenwirkung 1.Verwaltungsvorschriften
Оглавление79Verwaltungsvorschriften sind zwar abstrakt-generelle Regelungen („Rechtssätze“), aber nach h. M. wegen fehlender intendierter Außenwirkung keine Rechtsnormen. Sie zählen daher im Sinne der eingangs erfolgten Begriffsbestimmungen (Rn. 58) nicht zu jenen Rechtsquellen, aus denen Rechtsnormen für das Verwaltungshandeln folgen. Sie wenden sich an nachgeordnete Behörden und haben Weisungen zum Vollzug von Rechtsvorschriften und zur Regelung des internen Dienstbetriebes zum Gegenstand.
Eine genauere Betrachtung im Rahmen der Rechtsquellenlehre verdienen aber Verwaltungsvorschriften, welche die Rechtsanwendung der nachgeordneten Behörden in bestimmter Weise steuern sollen. Denn hierbei stellt sich die Frage, inwieweit durch sie über den Regelungsgehalt der anzuwendenden Rechtsnorm hinaus die Rechtsstellung der Betroffenen berührt und dadurch möglicherweise faktisch Außenwirkung erzeugt wird. Nach der Intention der erlassenden Stelle kann man norminterpretierende, normkonkretisierende und ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterscheiden.
80Die norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften (auch sog. „gesetzesauslegende Verwaltungsvorschrift“) haben die Aufgabe die Verwaltungsbehörden zu einer einheitlichen Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu veranlassen. Sie lassen den materiellen Regelungsgehalt des Gesetzes dabei unberührt. Die Verwaltungsgerichte sind an die in der Verwaltungsvorschrift vorgeschriebene Auslegung nicht gebunden.
Beispiel: Nr. 5.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum WaffenG macht z. B. Vorgaben für die Auslegung der Regelunzuverlässigkeit im Sinne vom § 5 II WaffenG.
81Anders verhält es sich mit den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, die nicht nur behördeninterne Bindungswirkung entfalten, sondern jedenfalls da, wo das Gesetz selbst die Konkretisierung durch Verwaltungsvorschrift anordnet, der Verwaltung einen auch von den Gerichten zu respektierenden Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zuweisen. Insoweit kann man durchaus von „administrativem Ergänzungsrecht“ sprechen. Das BVerwG hat normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften erstmals im Bereich des Umwelt- und Technikrechts und nur unter folgenden, eng gefassten Voraussetzungen anerkannt: Sie müssen
höherrangige Gebote beachten,
die im Gesetz getroffenen Wertungen berücksichtigen,
in einem sorgfältigen Verfahren unter Einbeziehung des wissenschaftlichen und technischen Sachverstands erarbeitet sein und
nicht durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sein (BVerwGE 107, 338, 341).
In späteren Entscheidungen hatte das BVerwG auch Vorschriften zur Pauschalierung der Sozialhilfe (BVerwG, DVBl. 2005, 766) und Beihilfevorschriften im Beamtenrecht (BVerwGE 71, 342, 349 f.) als normkonkretisierend eingestuft, vollzog hinsichtlich der Beihilfevorschiften jedoch wieder eine Wende (BVerwGE 121, 103).
Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften müssen, um Außenwirkung entfalten zu können, bekannt gemacht werden (BVerwG, JZ 2006, 892).
82Eine besondere Bedeutung haben die ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die das Handeln der Verwaltung dort steuern, wo der Verwaltung ein eigener Ermessensspielraum eingeräumt wird. Sie binden zunächst einmal nur die rechtsanwendenden Behörden bei ihrer Ermessensausübung. Durch eine fortgesetzte, an der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift orientierte Verwaltungsübung bindet sich die Behörde im Sinne des Gebots der Rechtsanwendungsgleichheit (Art. 3 I GG) jedoch selbst gegenüber dem Bürger mit der Wirkung, dass sie nur, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist, von der Verwaltungsvorschrift und der von ihr hervorgerufenen Verwaltungsübung abweichen darf (Rn. 203).
Damit wird aber auch deutlich, dass nicht die Verwaltungsvorschrift als solche unmittelbare Außenwirkung entfaltet, sondern nur als Indiz für eine bestimmte Verwaltungspraxis bei der Überprüfung der Einhaltung des allgemeinen Gleichheitssatzes herangezogen werden muss („Quasi-Außenrecht“).
Beispiel: Die sog. ermessenslenkende Richtlinie zur Landesheimbauverordnung enthält Maßstäbe und Entscheidungsmuster für eine sachgemäße Ausübung des Verwaltungsermessens im Zusammenhang mit der baulichen Gestaltung, Größe und den Standorten stationärer Einrichtungen.