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In Literatur und Rechtsprechung waren feste, nachvollziehbare Grundsätze, in welcher Weise der Lizenzgeber für Mängel des Lizenzgegenstandes einzustehen hat, nur schwer feststellbar. Immer wieder wurde versucht, auf Begriffe wie „Treu und Glauben“, „Billigkeit“ und „Natur des Rechtsverhältnisses“ auszuweichen. Selbst wenn der Bundesgerichtshof apodiktisch feststellte, dass der Lizenzgeber, wenn die Brauchbarkeit zu dem vertraglich vorgesehenen Zweck fehlte, aus dem Gesichtspunkt des anfänglichen Unvermögens zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet war,64 wurde dies sofort durch den anschließenden Nebensatz, „sofern sich nicht aus den Umständen des Falles eine andere Risikoverteilung ergibt“, erheblich relativiert. Sicherlich sind abweichende vertragliche Vereinbarungen möglich, die eine andere Risikoverteilung vorsehen können. Aber die Verweisung auf die Umstände des Falles erschien sibyllinisch und öffnete unkontrollierten Billigkeitserwägungen immer wieder Tür und Tor. Dies barg große Gefahren in sich. Es machte den Vertragspartnern fast unmöglich abzuwägen, welche Ansprüche sie bei Mängeln hatten und in welcher Weise und in welchem Umfang sie einzustehen hatten. Neben die Unsicherheit, die sich aus der Materie des Erfindungswesens ergibt, trat noch die Unsicherheit in rechtlicher Hinsicht. Es ließ sich kaum voraussehen, welche Ansprüche unterschiedliche Richter nach Treu und Glauben oder nach Billigkeitsgesichtspunkten für angemessen halten würden.
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In der Literatur wurde der Lizenzvertrag vielfach bei der Beurteilung von Haftungsfragen ohne Weiteres dem Patentkauf gleichgestellt, ohne dass dabei die Unterschiede, die dem Wesen nach zwischen Patentkauf und Lizenzierung bestehen, genügend beachtet wurden, da z.B. selbst bei Vergabe einer ausschließlichen Lizenz nicht die gesamte Rechtsposition an den Lizenznehmer übergeht.
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Ausgangspunkt sollte, wie bereits wiederholt erwähnt, sein, dass der Lizenzvertrag als Dauerschuldverhältnis seinem Wesen nach der Rechtspacht am meisten ähnelt und sich daher die Vorschriften über die Rechtspacht zur analogen Anwendung am besten eignen.65 Auf dieser Grundlage ergab sich Folgendes:
Haftete der Erfindung ein sog. Sachmangel an, für den der Lizenzgeber nach den obigen Ausführungen einzustehen hatte, so war der Lizenznehmer für die Zeit, in der er aufgrund des Mangels sein Recht nicht ausüben konnte, von der Zahlung der Lizenzgebühr frei. Konnte der Lizenznehmer sein Recht zwar ausüben, wurde die Ausübung durch den Mangel jedoch beeinträchtigt, so war er nur zur Entrichtung einer geminderten Gebühr verpflichtet.66 Hierbei war die Lizenzgebühr in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem der Wert des Lizenzgegenstandes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden hätte.67 Ließ sich der Wert des Lizenzgegenstandes in mangelfreiem Zustand nicht ermitteln, was bei Erfindungen nicht selten der Fall sein wird, so musste im Streitfall die geminderte Lizenzgebühr im Wege freier Schätzungen festgestellt werden.68 Was in der Entscheidung des Reichsgerichts vom 1.3.191169 aus der Natur des Rechtsverhältnisses entwickelt wurde, hatte der Gesetzgeber im Miet- und Pachtrecht bereits vorgesehen. Die Befreiung von der Verpflichtung zur Lizenzzahlung trat durch das bloße Vorhandensein von Mängeln ein. Es war dabei nicht erforderlich, dass den Lizenzgeber ein Verschulden traf. Das Recht auf Minderung war seiner rechtlichen Natur nach kein Anspruch wie beim Kauf, bei dem es erforderlich war, dass der Käufer die Minderung verlangte;70 die Ermäßigung der Lizenzgebühr trat vielmehr kraft Gesetzes ein.
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Im Gegensatz zum Wandelungs- und Minderungsrecht des Kaufrechts, das ein Rücktrittsrecht oder ein einmaliges Recht zur Minderung gewährte, war der Lizenznehmer bei Anwendung der Vorschriften über die Pacht nur für die Zeit, während der der Mangel bestand, von der Lizenzzahlung befreit oder nur zur Zahlung einer geminderten Lizenzgebühr verpflichtet. Der Unterschied in der Regelung rührte daher, dass es sich bei der Pacht um ein Dauerschuldverhältnis handelt, beim Kauf dagegen um eine einmalige Leistung. Für den Lizenzvertrag eignen sich daher die Bestimmungen über die Pacht besser. Gerade bei Erfindungen besteht die Gefahr, dass sich bei der Verwertung der Lizenz Mängel herausstellen, die u.U. jedoch durch den Lizenzgeber beseitigt werden können. Häufig wird hier auch der Lizenznehmer ein Interesse daran haben, dass der Mangel beseitigt wird.
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Fehlte eine zugesicherte Eigenschaft oder fiel sie später weg, so galt Entsprechendes. Der Lizenznehmer war für die Zeit, in der die zugesicherte Eigenschaft fehlte, von der Zahlung frei oder, wenn die Ausübung des Lizenzrechts nur beeinträchtigt war, zur Zahlung einer geminderten Gebühr verpflichtet.71 Das Vorliegen eines Mangels oder das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft war vom Lizenznehmer zu beweisen.
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Eine weitere Schwierigkeit, die bei der Anwendung kaufrechtlicher Bestimmungen bestand, entfiel bei der Anwendung der Pachtvorschriften, nämlich die im Kaufrecht vorgesehene kurze Verjährung. Die kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche verjährten nach § 477 BGB a.F. bei beweglichen Sachen grundsätzlich in 6 Monaten von der Ablieferung an. In Rechtsprechung und Literatur bestand, selbst wenn die kaufrechtlichen Vorschriften angewendet wurden, die einhellige Auffassung, dass sich die kurze Verjährungsfrist für den Lizenzvertrag nicht eignete und dass sie daher keine Anwendung finden konnte. Der Grund für die Ablehnung der kurzen Verjährung dürfte darin gelegen haben, dass der Lizenzvertrag ein Dauerschuldverhältnis ist und daher die Geltendmachung von Mängeln während der gesamten Vertragsdauer möglich sein muss.72
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Zeigte der Lizenznehmer dem Lizenzgeber das Vorliegen eines Mangels an und forderte er ihn zur Beseitigung desselben innerhalb einer angemessenen Frist auf, so konnte der Lizenznehmer den Mangel nach erfolglosem Ablauf der Frist selbst beseitigen und Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen verlangen. Stellte also der Lizenznehmer z.B. fest, dass die Erfindung noch nicht ausgereift und daher die technische Ausführbarkeit noch nicht gegeben war, so konnte er bei Anwendung der pachtrechtlichen Bestimmungen den Lizenzgeber auffordern, die Erfindung unter Hinweis auf die aufgetretenen Schwierigkeiten in angemessener Frist zu überarbeiten. Die Praxis verfuhr häufig in dieser Weise.
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Die Beurteilung, wann eine Frist angemessen ist, kann schwierig sein. Allgemeine Richtlinien lassen sich hierfür nicht aufstellen. Ausschlaggebend ist, wie lange es dem Lizenznehmer zugemutet werden kann, auf die Durchführung der Überarbeitung zu warten. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
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Kam der Lizenzgeber mit der Beseitigung des Mangels in Verzug, so hätte man entsprechend den Pachtbestimmungen dem Lizenznehmer das Recht einräumen müssen, an der Erfindung selbst Entwicklungsarbeiten vorzunehmen. Hierzu durfte er die erforderlichen Konstruktionsarbeiten, Versuche und dgl. an der Erfindung durchführen. Die Kosten für die Arbeit der hierbei beschäftigten Ingenieure, Techniker, Chemiker und des sonstigen Personals sowie die Materialkosten konnten dem Lizenzgeber in Rechnung gestellt werden, soweit sie in angemessenem Verhältnis standen.
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War der Mangel schon zur Zeit der Einräumung der Lizenz vorhanden, wie dies bei Erfindungen sehr häufig der Fall ist, oder kam der Lizenzgeber mit der Beseitigung des Mangels in Verzug, so konnte der Lizenznehmer anstelle der oben dargestellten Rechte Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.73 Dies entsprach im Ergebnis trotz des grundsätzlich anderen Ansatzes inhaltlich der Auffassung des Bundesgerichtshofs.74 Allerdings war nach seiner Auffassung ein sog. „Vertretenmüssen“, d.h. ein Verschulden des Lizenzgebers, erforderlich. Nach der hier vertretenen Auffassung hatte der Lizenzgeber aber auch für Sachmängel einzustehen, wenn ihn kein Verschulden traf. Ausgehend von der Pachtverträgen immanenten stillschweigenden Garantie75 war auch bei Lizenzverträgen die Haftung unabhängig von einem evtl. Verschulden des Lizenzgebers. Die Haftung war auch unabhängig davon, ob der Lizenzgeber den Mangel kannte oder ob er erkennbar war,76 da auch der Pächter die Gefahr aller geheimen Mängel trug.77
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Damit konnte sich für den Lizenzgeber ohne Frage ein erhebliches Risiko ergeben. War dieses Risiko im Einzelfall zu groß, musste der Lizenzgeber seine Haftung einschränken, wie dies in Lizenzverträgen regelmäßig in erheblichem Umfange geschah. Wesentliche Unterschiede bestanden in praktischer Hinsicht zwischen den Fällen, in denen die Erfindungen schon industriell ausgewertet wurden, gegenüber denjenigen, bei denen dies noch nicht geschehen war. Während man im ersten Fall dem Lizenznehmer den Gegenstand vorführen und er sich mit dem, was ihm vorgeführt wurde, einverstanden erklären konnte, war dies im zweiten Fall nicht möglich. Dennoch wurde in beiden Fällen die Haftung für die industrielle Herstellung meist ausgeschlossen, weil man nie weiß, ob nicht beim Lizenznehmer andere technische Voraussetzungen vorliegen. Wurde in solchen Fällen lediglich ein Kündigungsrecht für den Lizenznehmer festgelegt, eine Haftung auf Schadensersatz jedoch ausgeschlossen, konnten lange Auseinandersetzungen darüber, warum die industrielle Herstellung nicht erreicht werden konnte, in großem Umfange ausgeschlossen werden.
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Geht man davon aus, dass der Lizenzgeber nur für die technische Ausführbarkeit einzustehen hat, so ergibt sich, dass der Lizenznehmer als Schaden nicht auch den Gewinn geltend machen kann, den er hätte erzielen können, wenn er die Erfindung fabrikmäßig hätte herstellen können. Eine Haftung für den entgangenen Gewinn hätte vorausgesetzt, dass der Lizenzgeber auch für die fabrikmäßige Ausführbarkeit einzustehen hatte.78 Dementsprechend wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass der Schadensersatzanspruch des Lizenznehmers der Höhe nach auf die Aufwendungen des Lizenznehmers beschränkt wird.79 Dies entspricht mithin dem Gedanken einer angemessenen Risikoverteilung. Der Bundesgerichtshof hatte in einer grundlegenden Entscheidung die Frage der Höhe des Schadensersatzes absichtlich offengelassen, da es in der konkreten Entscheidung nur um den Aufwendungsersatz ging.80 Konsequenterweise konnte man den Lizenzgeber aber auch dann hinsichtlich der Aufwendungen, die der Lizenznehmer für die Auswertung seiner Lizenz getroffen hat, nur insoweit haften lassen, als die Aufwendungen für die technische Ausführung erforderlich waren, nicht aber für diejenigen, die der Lizenznehmer in der Erwartung gemacht hatte, dass die Erfindung fabrikmäßig herzustellen war. Reimer kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Er begründete es mit Billigkeitserwägungen und dem mutmaßlichen Parteiwillen. Er führte hierzu aus, dass bei der Zubilligung von Auslagenersatz zu prüfen ist, ob dies dem Willen der Parteien entspricht. Der Lizenznehmer werde in der Regel Aufwendungen in nennenswertem Umfang erst dann machen, wenn er sich von der technischen Ausführbarkeit der Erfindung überzeugt hat. Mache er Aufwendungen, ohne diese Prüfung vorgenommen zu haben, so werde der Wille der Vertragsparteien oft dahingehen, dass diese Aufwendungen auf jeden Fall vom Lizenznehmer getragen werden sollen. Gegenüber dieser Begründung ist darauf hinzuweisen, dass Billigkeitserwägungen nach unserem Recht Grenzen gesetzt sind. Beim Abschluss von derartigen Verträgen denken die Parteien erfahrungsgemäß meist nicht daran, in welchem Umfang gehaftet werden soll. Unter diesen Umständen ist das Arbeiten mit einem mutmaßlichen Parteiwillen sehr problematisch.
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Gingen die Vertragspartner bei Vertragsschluss davon aus, dass die Erfindung bereits fabrikationsreif war und hatten sie dies dem Vertrag zugrunde gelegt, so hatte der Lizenzgeber auch für die fabrikmäßige Ausführbarkeit einzustehen.81 Man konnte jedoch nur, wenn besondere Anhaltspunkte hierfür gegeben waren, annehmen, dass die Fabrikationsreife auch zur Vertragsgrundlage gemacht wurde. Unter Umständen konnte dies auch stillschweigend geschehen.
Hier musste man jedoch besonders strenge Anforderungen stellen. Hatte der Lizenzgeber hiernach für die fabrikmäßige Ausführbarkeit einzustehen, so konnte der Lizenznehmer bei ihrem Fehlen die oben dargestellten Rechte geltend machen. Darüber hinaus konnte er Schadensersatz für den ihm entgangenen Gewinn fordern sowie Ersatz für die vergeblichen Aufwendungen für die fabrikmäßige Herstellung verlangen.
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Wenn Pietzcker82 ausführte, dass der Lizenzgeber in keinem Fall den entgangenen Gewinn zu ersetzen hatte, nicht einmal bei Arglist, und dies damit begründete, dass niemand mit genügender Sicherheit sagen könnte, ob das Patent in der Hand des Lizenznehmers einen Gewinn abgeworfen hätte, so vermochte dies nicht zu überzeugen. Der Umstand, dass der Nachweis über die Höhe des entgangenen Gewinns nur schwer geführt werden konnte, durfte nicht dazu führen, diesen Schaden völlig auszuschließen. Der Nachweis des entgangenen Gewinns konnte auch bei anderen Verträgen schwierig sein. Notfalls konnte mit der Schadensregelung gemäß § 287 ZPO durch Entscheidung des Gerichts nach freier Überzeugung und Würdigung der Umstände des Einzelfalls geholfen werden.