Читать книгу Die Eucharistie als Opfer der Kirche - Michael Hesse - Страница 29

2.Die populären Meßerklärungen des Mittelalters

Оглавление

Die von der Kirche in den Jahren 1059 und 1079 Berengar von Tours vorgelegten Glaubenszeugnisse (DH 690/ DH 700) verdeutlichen eine objektivierende-statische, auf die somatische Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi ausgerichtete Denkweise. Diese objektiv-statische Sicht wird schließlich durch die Transsubstantiationslehre überwunden, dennoch bleibt die Transsubstantiationslehre auf die somatische Realpräsenz festgelegt. Das bedeutet, dass die an das vergegenwärtigende Gedenken gebundene aktualpräsentische Dimension der Messe verloren war und auch verloren blieb. Diese Lücke will die Messallegorie des Mittelalters versuchen zu schließen.75

Seit dem frühen Mittelalter werden diese Messerklärungen, besonders nördlich der Alpen, sehr populär. Das Bedürfnis, in der Muttersprache die Messe zu erklären – selbst für den Klerus – brachte einen Typus nichtliturgischer Schriften hervor, der bis in die neuere Zeit hinein die Messfrömmigkeit, die Theologie und den Ritus beeinflusst hat, d.h., dass das ganze Mittelalter durch eben diese allegorische Auslegungsmethode bestimmt wird. Dabei werden mit der sogenannten rememorativen Allegorese die einzelnen Teile des Messritus mit dem Gang der alt- und neutestamentlichen Begebenheiten, besonders mit dem Leiden, dem Tod und der Verherrlichung Jesu parallelisiert. Daneben gibt es die typologische, moralische und eschatologische Allegorese.76

„Zu aller Zeit war die Wahrheit vom Kreuzesopfer, das Christus ‚ein für allemal’ als voll genügendes Opfer des Neuen Bundes darbrachte (vgl. Hebr 9-10), die Basis der katholischen Messopferlehre. Doch hatte sich die spät-scholastische und zeitgenössische Theologie [der vorreformatorischen Zeit] wenig oder nur in mangelhafter Weise mit diesem Lehrpunkt befasst.“77

Man konzentrierte sich auf die Fragen nach dem Warum, dem Wie und dem Wann der Gegenwart des Leibes und Blutes Christi. Einher mit dieser Linie theologischer Fragen rückt die Messe immer mehr als Opfer der Kirche, deren Repräsentant der Priester ist, in das Bewusstsein.78 Wenn auch der Opfercharakter der Messe nur sehr geringfügig reflektiert wird, so nimmt er doch gerade in den Meßerklärungen für das Volk derartige Popularität an, dass dem Protest der Reformatoren geradewegs der Weg geebnet wird, worauf wir noch zu sprechen kommen werden.79 Zunächst halten wir fest:

„Es war der zum (real)symbolischen Denken unfähige Nominalismus, der im Spätmittelalter die Einheit zwischen Kreuzes- und Messopfer völlig aufgelöst hat. Man fragte nach dem ‚Wert’ der Messe für Lebende und Verstorbene, nach den … ‚Messfrüchten’ und konnte sich ein reales Messopfer nur als wirkliche Darbringung eines neuen Opfers vorstellen. Die Messe wurde nicht mehr als das real gegenwärtige eine und einzige Opfer Christi gesehen, sondern als Werk des menschlichen und darum auch sündigen Priesters, der als solcher kein Opfer darbringen kann, das unbegrenzten Wert hätte.“80

Der Nominalismus hat kein Verständnis für das Symbol, das an der Wirklichkeit partizipiert. Wort und Begriff sind insofern nur Gedankengebilde und haben nicht den Charakter von natürlichen Zeichen. Das Sakramentenverständnis musste so zwangsläufig an der Oberfläche stagnieren, und das Sakrament wurde nicht als etwas begriffen, das bezeichnet, was es bewirkt. Die Beziehung von Begriff und Sache ist aufgegeben und die Trennung von Sakrament, als Zeichen, und der Gnadenvermittlung ist vollzogen.81 Die Theologie dieser Zeit findet keinen Zugang zur Ganzheit der Eucharistie. Periphere Fragestellungen und Akzentuierungen bewirken ein Übriges. Dennoch muss zugleich gesagt werden, dass die damalige kirchliche Frömmigkeit irgendwie dennoch um die Messe als die Darstellung des Kreuzesopfers kreist.82 Die Messerklärung des Gabriel Biel († 1495) und der Artikel Missa im theologischen Lexikon Altenstaigs, Vocabularis theologiae, von 1517 verdeutlichen dies:

„Die Messe ist Opfer, Opfer der Kirche, in dem sie des einmaligen Opfers Christi am Kreuz gedenkt, um es sich anzueignen und seine Früchte zu gewinnen.“83

Gabriel Biel hat damals die entscheidende Frage offengelassen: Wie die Messe als repraesentatio des Opfers Christi selbst ein „Opfer“ sein kann, ohne die Einmaligkeit des Opfers Christi zu gefährden?84 Die Theologen dieser Epoche können sich nicht mehr um eine klärende Antwort dieser Frage bemühen, da andere Aspekte in den Mittelpunkt des Interesses treten. Die Eucharistiefrage wird nunmehr eine von vielen Kritikpunkten der Reformation, deren Epoche heraufzieht.

Die Eucharistie als Opfer der Kirche

Подняться наверх