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2. Die eucharistische Opferlehre des Tridentinums

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Die Konzilsväter verabschieden in der 13. Sitzung vom 11. Oktober 1551 das Dekret über das Sakrament der Eucharistie, begonnen hatte man mit der Untersuchung eventueller eucharistischer Häresien aber schon im März 1547.135 Das Dekret vom Oktober 1551 erörtert die Realpräsenz und die Transsubstantiationslehre. Nachfolgend beschäftigen sich die Konzilsväter, also getrennt von Realpräsenz- und Transsubstantiationslehre, mit den Fragen zum Opfercharakter der Messe und verabschieden schließlich erst in der 22. Sitzung am 22. September 1562 die „Lehre und Kanones über das Messopfer“ mit acht Lehrkapiteln und neun Kanones.136 Ein schwieriges Unterfangen für die versammelten Konzilsväter kommt damit zu einem Abschluss. Dazu kann aus heutiger Perspektive gesagt werden, dass den Konzilsvätern und auch den Reformatoren für die Behandlung des Opfercharakters „eine sakramententheologische Leitidee, die es ermöglicht hätte, die Stiftungshandlung Jesu bzw. die Eucharistiefeier der Kirche im Sinn zeichenhaftsakramentaler Vorwegnahme bzw. als vergegenwärtigende Gedächtnisfeier von Tod und Auferstehung des Herrn darzustellen“137, fehlte. Im äußeren Erscheinungsbild des Konzils zeigt sich die offensichtliche Trennung von Sakrament und Opfer.138 Dass das Konzil so verlief, hat seinen Urgrund in den beiden „Eucharistiestreiten“ der vorrausgegangenen Jahrhunderte, in denen es um die Sakramentalität ging. Die Konzilsväter bleiben weiterhin verwurzelt in der Vorrangstellung der Eucharistie als Sakrament vor der Eucharistie als Opfer. Der Opfercharakter ist einfachhin weiterhin wie selbstverständlich eingebunden.139

Der zentrale Abschnitt aus dem ersten Lehrkapitel des Dokuments von 1562, in dem es um die Einmaligkeit des Kreuzesopfers geht, lautet dementsprechend:

„Dieser unser Gott und Herr also hat zwar sich selbst ein für allemal auf dem Altar des Kreuzes [semel se ipsum in ara crucis] durch den eingetretenen Tod Gott, dem Vater, opfern wollen (vgl. Hebr 7,27), um für jene (daselbst) ewige Erlösung zu wirken; weil jedoch sein Priestertum durch den Tod nicht ausgelöscht werden sollte (vgl. Hebr 7,24), hat er beim letzten Abendmahle, ‚in der Nacht, da er verraten wurde’ (1 Kor 11,23), um seiner geliebten Braut, der Kirche, ein sichtbares (wie es die Natur des Menschen erfordert) Opfer hinterlassen, durch das jenes blutige (Opfer), das einmal am Kreuze dargebracht werden sollte, vergegenwärtigt werden [repraesentaretur], sein Gedächtnis bis zum Ende der Zeit fortdauern und dessen heilbringende Kraft für die Vergebung der Sünden, die von uns täglich begangen werde, zugewandt werden sollte, sich auf ewig als Priester nach der Ordnung des Melchisedek (vgl. Ps 110,4; Hebr 5,6;7,17) eingesetzt erklärend, seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein Gott, dem Vater, dargebracht und sie unter den Zeichen derselben Dinge den Aposteln … dargereicht …“140

Die Konzilsväter argumentieren biblisch und heben hervor, dass das sichtbare Opfer des Abendmahles ein Opfer ist, das das einzige und eine Kreuzesopfer Christi repräsentiert (repraesentarentur - DH 1740) und zugleich das Gedächtnis dieses einmaligen Kreuzesopfers ist und somit die Applikation (applicaretur - DH 1740) der daraus resultierenden Früchte des damaligen Opfers Jesu Christi durch die Zeiten hindurch ist.141 Die abschließenden Kanones dieses umgangssprachlich als „Messopferdekret“ titulierten Konzilstextes stellen im 1.Kanon fest:

„Wer sagt, in der Messe werde Gott kein wahres und eigentliches Opfer [verum et prorium sacrifium] dargebracht, oder dass die Opferhandlung nichts anderes sei, als dass uns Christus zur Speise gegeben werde: der sei mit dem Anathema belegt.“142

Ebenso deutlich lautet der 3.Kanon:

„Wer sagt, das Messopfer sei lediglich ein Lob- und Dankopfer oder ein bloßes Gedächtnis des am Kreuz vollzogenen Opfers, nicht aber ein Sühnopfer; oder es nütze allein dem, der es empfängt; und man dürfe es auch nicht für Lebende und Verstorbene für Sünden, Strafen, zur Genugtuung und für andere Nöte darbringen: der sei mit dem Anathema belegt.“143

Der 4. Kanon unterstreicht schließlich:

„Wer sagt, dem am Kreuze vollbrachten heiligsten Opfer Christi werde durch das Messopfer eine Lästerung zugefügt, oder es werde jenem durch dieses Abbruch getan: der sei mit dem Anathema belegt.“144

Die Identität von Kreuzes- und Messopfer wird nun darin gesehen, dass ein und derselbe Priester und dieselbe Opfergabe, nämlich Christus, zugegen sind, wie das zweite Kapitel des Dekretes festschreibt:

„Und weil in diesem göttlichen Opfer, das in der Messe vollzogen wird, jener selbe Christus enthalten ist und unblutig geopfert wird, der auf dem Altar des Kreuzes ein für allemal sich selbst blutig opferte … Denn die Opfergabe ist ein und dieselbe; derselbe, der sich selbst damals am Kreuz opferte, opfert jetzt durch den Dienst der Priester; allein die Weise des Opferns ist verschieden [sola offenrendi ratione diversa].“145

Das Trienter Konzil entfaltet und unterstreicht zwei Aspekte der katholischen Lehre, die man für besonders gefährdet ansieht: Die wirkliche Gegenwart Christi im Sakrament der Eucharistie und den Opfercharakter der Messe. Doch die innere Einheit dieser verschiedenen Aspekte der einen Eucharistie und die Begründung der Kommunion allein unter der Brotgestalt, konnte das Konzil nicht angemessen leisten, da man in drei verschiedenen Sitzungen mit großem zeitlichen Abstand (13. Sitzung im Jahr 1551; 21. und 22. Sitzung im Jahr 1562) die Fragen einzeln behandelte.146 Festzuhalten ist, dass am Ende der Konsens steht,

„dass die Messe zurecht ein Opfer genannt wird, sie dabei jedoch kein selbständiges Opfer neben dem Kreuz ist, da sie aufs engste mit dem Kreuzesopfer verbunden ist, ja als Auswirkung und Anwendung desselben zu denken ist.“147

Zusammengefasst heißt dies, dass die Eucharistiefeier nichts anderes als das Kreuzesopfer selbst ist, in dem Christus das eigentliche Subjekt ist und sein priesterliches Heilswirken sakramental vergegenwärtigt in der Weise der repraesentatio, der commemoratio und der applicatio. Daher ist die Messe als ein wahres und eigentliches Opfer anzusehen.148 Nur von einer commemoratio, also von bloßer Erinnerung zu sprechen, ist für die Konzilsväter allein keine Begründung für den Opfercharakter der Messe. Man braucht eine „von der Natur des Menschen geforderte“149 „Sichtbarkeit“ des von Christus der Kirche hinterlassenen Opfers. Damit bricht sich die Gefahr Bahn, einen naturhaften Opferbegriff auf die Messfeier anzuwenden. Einer Gefahr, der die nachfolgend entstandenen Messopfertheorien erliegen. Zugleich versperrt ein solches Verständnis den Weg zum positiven Aufgreifen des biblischen Gedankens des Lob- und Dankopfers, den ja Luther eingeschlagen hatte. Nun bleibt uns noch der Blick auf den gewählten Weg der Verteidigung des reformatorisch abgelehnten Verständnisses der Messe als Sühneopfer.150

„Wenn das Konzil von Trient die Eucharistie auch als Bitt- und Sühneopfer bezeichnet, so ist nicht ein menschlicher Zusatz zum Sühneopfer Christi gemeint. Da die Eucharistie als sakramentale Vergegenwärtigung alle Aspekte des Kreuzesopfers vergegenwärtigt, gibt Christus in der Eucharistie den Glaubenden die Gnade der Versöhnung. So können sie als Glieder des Leibes Christi und des Neuen Bundesvolkes die Versöhnungsgabe empfangen und in einem Leben der Nachfolge Christi und der Gleichgestaltung mit seinem Leiden und seiner Auferstehung in sich ausprägen (Phil 3, 20 u. ö.).“151

In Bezug auf dieses Konzil und seinen liturgischen Beitrag können wir uns an dieser Stelle die liturgiegeschichtliche Würdigung durch H. Meyer zu Eigen machen:

„Das Konzil brachte also keine Reform der Meßfeier und des Missale zustande, aber es hat die lehrmäßigen Grundlagen und praktischen Leitlinien dafür festgelegt – allerdings in einer deutlich durch die theologie- und geistesgeschichtliche sowie durch die kirchenpolitische Situation geprägten Form.“152

Die Hebung der Kommunionfrequenz ist ein Anliegen des Konzils, jedoch ohne größeren Erfolg. Die Schaufrömmigkeit bei der Messe behält in der Folgezeit den Vorrang. Erst Pius X. († 1914) erreicht später durch seine Kommuniondekrete eine Verbesserung, in Verbindung mit der aufkommenden liturgischen Bewegung.153

Die theologische Aufarbeitung des Opfercharakters der Messfeier reicht das Konzil von Trient an die folgenden Theologengenerationen weiter. Die Reihenfolge der Konzilsdekrete wirkte dabei ebenfalls auf die Aufarbeitung ein. Mitunter leidet die Art und Weise der Aufarbeitung an gegenreformatorischen Engführungen. Die wirklich befriedigende Antwort für das Verhältnis zwischen Kreuzesopfer und Messopfer kann vorerst nicht gefunden werden. Wenn das Konzil die Aufgabe der Reflexion über die Einheit von Kreuzes- und Messopfer weitergibt, dann mit der Verpflichtung, die Lehre der Messe als einem wirklichen Sühneopfer („Sacrificium istud vere propitiatorium esse“ DH 1743f) nicht aufzugeben.154

Deutlich hat das Konzil verkündet, dass die Messe ein wahres Opfer ist, dessen Opfercharakter sich nicht einfach mit dem Mahl als solchem ohne weiteres deckt, sondern eine eigene Wirklichkeit darstellt, die der Einmaligkeit des Erlösungsopfers Christi am Kreuz nicht widerspricht. Kreuz- und Messopfer sind in gewisser Hinsicht also ein Opfer. Das Konzil hat vermieden mehr zu sagen, so dass man eine gewisse Unsicherheit wahrnimmt, wenn es um die theologische Ausdeutung der Konzilslehre geht. Die situationsbedingte, auch zeitliche, rein äußerliche Trennung der Themenbehandlung Realpräsenz, Kommunion und Opfer führt natürlich in der Folgezeit zu einer Abhebung von Opfer und Sakrament. Die Isolierung des Opferbegriffes darf nicht mehr dem Konzil angelastet werden, das in seiner legitimen Beschränkung der Definition auf die wesentlichen Grundlinien des Opfercharakters die klassische katholische Glaubenslehre darlegt. Vielmehr spielen die Katechismen zur Konzilsausdeutung der nachfolgenden Zeit eine entscheidendere Rolle. Bis heute ist dieses Ringen um das Verständnis des Opfercharakters nicht beendet.155 Gerade der schillernde Opferbegriff des Tridentinums fördert die Schwierigkeiten. Das Ineinander von Praxis, Ritus und Theologie lassen keine einheitliche Sprechweise vom Opfer zu. Die neutestamentliche Rede vom Selbstopfer Jesu Christi, der Opferbegriff der personalen Selbsthingabe, erscheint zwangsläufig mit alttestamentlichen Tier- und Speiseopfern vermischt. Die Begriffe offerre – offerens und obtulit finden sich in den Konzilstexten. Ins Deutsche übertragen, werden sie mit darbringen wiedergegeben. Das bedeutet:

„Die Vermischung der rituellen mit der dogmatischen Sprechweise oder gar die Identifizierung eines allgemein kultischen Opferbegriffs mit der neutestamentlichen Rede vom Opfer Jesu Christi und der Christen führt in neue Schwierigkeiten.“156

Im weiteren Verlauf der Theologiegeschichte entstehen sogenannte „Messopfertheorien“. Sie zeugen davon, dass Trient eben keine Definition vom Wesen des Messopfers gibt. Durch die fehlende Unterscheidung der liturgischen von der dogmatischen Sprechweise, d.h. die Identifikation des liturgischen offerre mit dem biblischen offerre der Selbsthingabe, sucht man den Akt der Darbringung an Gott in der Dimension des Zeichens, im liturgischen Geschehen selbst. Im Ergebnis entstehen Messopfertheorien, die in vorchristliche Opfervorstellungen zurückfallen.157 Eine kurze Skizzierung dieser Theorien schließt sich hier nach einem Vorausblick an.

Die Eucharistie als Opfer der Kirche

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