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Das Grab U-j im Friedhof von Umm el-Qaab
ОглавлениеDie Naqada-Fürsten stehen inzwischen unter der einheitlichen Führung des Fürsten von Thinis. Im Friedhof der Stadt Thinis bei Abydos (Umm el-Qaab) wird in dieser Zeit ein Grab angelegt, das nicht nur aufgrund seiner Größe bemerkenswert ist. Es besteht aus 12 Kammern und misst rund 55 m2.
In der frühdynastischen Zeitstufe Naqada IIIa2 treten in Umm el-Qaab zum ersten Mal mit luftgetrockneten Lehmziegeln ausgemauerte Grabgruben auf, in denen der Verstorbene inmitten einer rechteckigen Kammer liegt, an die sich noch weitere Kammern anreihen. Unter diesen Mehrkammergräbern nimmt das größte Grab mit der heutigen Bezeichnung U-j eine herausragende Stellung ein.
Die Bedeutung des Grabbesitzers, dessen Name nicht einspruchslos ermittelt werden kann12, wird zusätzlich durch die Beigaben unterstrichen: Ursprünglich lagern etwa 700 übereinandergeschichtete, importierte Weingefäße in drei Kammern und sollen den Grabbesitzer mit einer Gesamtmenge von 4500 l geharzten Weines versorgen, der aus verschiedensten Regionen des palästinischen Raumes stammt.13 Dieser Wein wird von Ägyptens High Society sehr geschätzt, bevor man erst etwa 300 Jahre später damit beginnt, selbst Wein anzubauen. Das Vorkommen im Grab U-j spricht für weitreichende Fernhandelskontakte eines Mannes der oberägyptischen Elite. In Kisten aus libanesischem Zedernholz könnten kostbare Stoffe gelagert worden sein.
Zu den weiteren Funden gehört auch ein hölzernes Zepter, wie es bereits im Bemalten Grab von Hierakonpolis dargestellt ist (Abb. 3) und es schon zuvor fragmentarisch in einem rund 100 Jahre älteren Grab gefunden worden ist. Die Form dieses Zepters wird von den Pharaonen der gesamten ägyptischen Geschichte als sog. Krummstab benutzt und ist noch heute in der Gestalt des Hirtenstabes bei Bischöfen und dem Papst wiederzufinden. Der Stab dient ursprünglich dazu, auffällige Mitglieder der Herde schnell aus dieser herauszuholen und die Geißel im späteren pharaonischen Ornat versinnbildlicht die strafende Autorität des Königs (vgl. Abb. 54)
Die Kammerwände bieten ca. 0,2 m breite und knapp 1 m hohe Durchlässe, die es dem Besitzer erlauben, nach dem Tod die unterschiedlichen Räume zu betreten und zu verlassen. Vermutlich handelt es sich bei den Kammern des Grabes sogar um die Nachbildung eines Palastes en miniature, der der Sargkammer des Herrschers angegliedert ist.14
Die sich südlich anschließenden königlichen Gräber sind alle in die Zeit nach dem Besitzer des Grabes U-j zu datieren. Im Laufe der Zeit wird die Form des Mehrkammergrabes zugunsten eines neuen Grabtyps aufgegeben, der aus zwei nordsüdlich orientierten Kammern besteht, die maximal 2 m voneinander getrennt liegen. Sollte hierbei vielleicht der Gedanke ausschlaggebend gewesen sein, das momentane Doppelreich im Grabkomplex des Naqada-Königs nachzubilden und die posthume Macht über die Beiden Länder sicherzustellen? Die Idee des Miniaturpalastes muss nicht aufgegeben worden sein, sondern dieser könnte an anderer Stelle oberirdisch seinen Platz gefunden haben.15
Die importierten Gefäße werden in Ägypten kontrolliert und versiegelt, was eine Behörde voraussetzt, die dem Besitzer des Grabes U-j unterstellt gewesen sein mochte. Des Weiteren erhält der Verstorbene Gefäße, deren Herkunft inschriftlich auf Elfenbeintäfelchen aus nahezu allen Teilen Ägyptens angegeben ist. Hier ist eine Verwaltung aktiv, die für die Produktion und die Verteilung der Erzeugnisse verantwortlich ist – sowohl für innerägyptische als auch für importierte.
In der späten Naqada-Stufe IIIa2, etwa ein oder zwei Generationen nach dem Besitzer des Grabes U-j, leben Ägypter in Südpalästina, ihre Siedlungen haben knapp 150 Jahre Bestand, bevor sie mit dem Beginn der 1. Dynastie verlassen werden. Während dieser Zeit nimmt die Anzahl kanaanäischer Gefäße in Ägypten ab, sodass jetzt Ägypten die führende Handelsmacht gewesen zu sein scheint.16
Der Besitzer des außergewöhnlichen Grabes U-j ist das Oberhaupt des Naqada-Reiches, das zwar kulturell ganz Ägypten eingenommen hat, das aber keine politische Einheit hat erreichen können. Offenbar existieren noch zahlreiche einflussreiche Delta-Eliten, deren Gegenwehr den Zusammenschluss bislang verhindert hat und die die Träger der Naqada-Kultur als Eindringlinge empfunden haben mögen, die eine feindliche Übernahme planen. Handelspolitisch bedeutsame Siedlungen im Delta, wie etwa Buto und Minshat Abu Omar, werden zu »Brückenköpfen« der Naqada-Kultur in Unterägypten. Damit ist zwar der Handel weitestgehend unter der Kontrolle des Naqada-Reiches, aber von einer politischen Kontrolle kann nicht die Rede sein. Jedenfalls gehören der Besitzer des Grabes U-j in Abydos und seine Nachfolger, die so mächtige Namen wie Löwe oder Falke tragen, zur sog. 0. Dynastie – und sind unmittelbar vor Manethos 1. Dynastie anzusetzen. Am Ende dieser Dynastie treten zwei Persönlichkeiten auf, die die Grundlagen für eine politische Einheit des Reiches schaffen: Ihre Namen sind Skorpion und Narmer (Böser Wels).