Читать книгу Facts tell, Storys sell - Michael Moesslang - Страница 18
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Je nach Quelle wird das Zeitalter, in dem wir heute leben, unterschiedlich eingeschätzt. Klar ist, das Industriezeitalter war Ende des 19. Jahrhunderts. Aber leben wir heute im Zeitalter des Kapitalismus, der Klimakatastrophe, der Daten, der Digitalisierung oder einfach nur des Wissens? Ich bringe sogar noch einen anderen Begriff ins Spiel:
Wir leben im Entertainment-Zeitalter.
Überall auf der Welt spielt Entertainment eine der größten Rollen im Leben der allermeisten Menschen. Ob Musik aus Radio oder Smartphone, Fernsehen klassisch oder gestreamt, Werbung, Internet, Computerspiele, Porno, Kulinarik, Kino, Gastronomie oder alle möglichen Events. Wir haben heute vom Aufwachen bis zum Schlafengehen Input auf Augen und Ohren. Ob freiwillig oder nicht.
Wir sind süchtig danach. Viele Menschen halten Stille gar nicht mehr aus. Sitzen sie im Meeting und bekommen eine monotone, langweilige, faktenauflistende Präsentation, also zu wenig Entertainment, reagieren sie mit zweierlei:
1.Ihr Geist ist süchtig und will Entertainment. Bekommt er zu wenig davon, sorgt er selbst dafür: Er greift zu Laptop oder Smartphone. Manche versuchen auch die Situation durch eigene Bemerkungen und Aktionen zu vitalisieren: Besserwisser oder Gruppenkasper.
2.Ihr Körper, der meist ohnehin zu wenig Ruhephasen hat, freut sich dagegen und geht in einen schlafähnlichen Zustand.
Da viele diese Sucht erkannt haben, suchen sie bewusst die echte Meditation. Also nicht eine gesprochene, sondern die eigene Stille. Oder versuchen Digital Detox zu leben, also der möglichst weitreichende Verzicht auf elektronische Geräte, vor allem die mit Bildschirm.
Stellen Sie sich bitte vor … Kopfkino
Bitte stellen Sie sich nun keinen Elefanten in blauer Badehose vor. Doch genau das ist jetzt passiert, stimmt’s? Ich habe eine Macht über jeden, der zuhört. Und die haben Sie auch. Die Macht, etwas in den Köpfen zu erzeugen: Bilder und Emotionen.
Sie haben die Macht über das Kopfkino Ihrer Zuhörer.
Sobald ich Ihnen einen Grund gebe, sich etwas vorzustellen, entsteht dies automatisch. Dabei kann ich alle Wahrnehmungskanäle ansprechen. Und selbst, wenn ich Sie bitte etwas nicht zu tun, passiert es schon.
Wie sieht Ihre Haus- oder Wohnungstüre aus? Schon erinnern Sie sich an das Bild.
Wie würde Ihre Haustüre in Rosa aussehen? Jetzt haben Sie ein neues Bild kreiert.
Was passiert, wenn ein Kind seinem Ball über eine viel befahrende Straße hinterherrennt?
Wie hört sich die Nationalhymne Ihres Heimatlandes an?
Kennen Sie den Duft, wenn jemand Plätzchen bäckt?
Sind Sie schon einmal über ein wackeliges Brett balanciert?
Ach, dieses Gefühl im Frühling, wenn nach einem langen, kalten Winter, endlich die Sonne warm auf unsere Haut scheint.
Dabei haben Sie viele Möglichkeiten, die Vorstellungskraft Ihrer Zuhörer anzuregen. Sie können Ihren Zuhörer direkt darum bitten: „Stellen Sie sich bitte vor …“ Sie können dabei die Sinneskanäle Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen, Temperatur, Schmerzen und Gleichgewicht ansprechen. Sogar der neunte Sinneskanal, die „propriozeptive Wahrnehmung“ unseres eigenen Körpers und seiner Teile, kann genutzt werden. Nur beim zehnten Sinneskanal ist es unmöglich. Denn die Wahrnehmung der Pheromone ist vollkommen unbewusst und kann daher auch nicht phantasiert werden.
Sie können indirekt darum bitten, indem Sie nach einer Erfahrung fragen oder diese anregen. Und wenn Sie selbst ein Erlebnis beschreiben, wird der Zuhörer automatisch seine eigenen Erfahrungen dazu abrufen und sich an seine eigene Situation erinnern oder sich empathisch in Sie hineinversetzen.
Oft ist es jedoch noch wirkungsvoller, den Wahrnehmungskanal offen zu lassen und seine Phantasie allgemeiner anzuregen: „Was war das Schönste an Ihrem letzten Urlaub?“ Würden Sie konkret nach einer Sache fragen z. B dem Strand oder dem Licht oder den Gerüchen, würden Sie die Zuhörer zu sehr einschränken. Natürlich kann das Zweck sein. Doch wenn es nur um die Erinnerung an einen Urlaub geht, ist die offene Variante besser. Denn dadurch hat jeder die Möglichkeit, seinen Urlaub so zu erinnern, wie es für ihn typisch ist. Ob Strand, Berge oder Stadt, ob visuelle, akustische oder olfaktorische Eindrücke die stärksten waren.
Die Phantasie des Zuhörers wirkt stärker als Ihre Vorgaben es können.
Mit einem für Sie passendem Bild auf der Folie könnten Sie nie eine so starke Wirkung erzeugen wie die, die in den Köpfen ansteht und die der eigenen Welt des Zuhörers entspricht.
Das gilt auch für Ihr Storytelling: Machen Sie nur dort genaue Vorgaben durch Ihre Beschreibungen, wenn es für die Geschichte relevant ist. Lassen Sie in allen anderen Situationen die Phantasie Ihres Publikums den besseren Job machen. Was Ihr Publikum selbst phantasiert und im Kopfkino erzeugt, ist deren eigenes Ding. Es kommt direkt aus persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen und wirkt deshalb viel stärker, als alles, was Sie beschreiben können. Doch nutzen Sie aktiv diesen Effekt und regen Sie die Vorstellungskraft mit Ihren Worten an.
Denn genau darin liegt eine der stärksten Wirkungen von Geschichten: Sie regen die Phantasie an und erzeugen Kopfkino. Sie erzeugen innere Bilder und Emotionen, die beiden magischen Zutaten für optimale Wirkung. Das schaffen Aufzählungen und Zahlen nicht.