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Geschichten ausleihen?

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Da stellt sich natürlich auch gleich die Frage, dürfen Sie Geschichten klauen? Eigentlich wäre die Antwort ein klares Nein. Doch es gibt Ausnahmen. Denn nicht immer haben Sie eine eigene Geschichte parat.

Definitiv schlechter Stil ist, wenn ein Redner die Geschichte eines anderen erzählt. Wenn er dabei womöglich nicht einmal, die Quelle nennt, sondern so tut, als wäre es seine. Alles schon erlebt. Das gilt auch für Geschichten aus Büchern und weitgehend fürs Internet. Und dabei rede ich nicht einmal übers Copyright, das in Deutschland ans sklavische Kopieren und an eine Schöpfungshöhe geknüpft ist. Das bedeutet, es müsste wirklich wörtlich kopiert sein. Und der Text müsste so lang sein, dass er eine ausreichende Schöpfungshöhe erzielt.

Es geht hier erst einmal um guten Stil und darum, wie die Leute über Sie denken und reden, wenn die Kopiererei auffällt.

Doch es gibt Quellen, dort können Sie sich tatsächlich bedienen. Beispielsweise für Metaphern. Also nicht erlebte Geschichten, sondern welche, die Ihre Botschaft an fiktiven Personen indirekt erklären. Dazu gibt es zahlreiche Bücher von Grimmschen und Andersens Märchen über Sammlungen für Business oder Coaching bis hin zu den zahlreichen Geschichten über Mullah Nasrudin, einer umfangreichen Sammlung von kurzen Metaphern aus Persien.

Metaphern haben einen riesigen Vorteil: Sie gehen indirekt vor und dabei direkt ins Unterbewusstsein. Oft ist also nicht vordergründig klar, worum es geht, und doch wirken Sie. Sie haben aber auch einen großen praktischen Nachteil: Eine gute Metapher zu finden, ist zeitraubend. Das kann sich lohnen, wenn Sie sie immer wieder verwenden können, wie ich das tue. Für eine einmalige Präsentation ist es oft zu aufwendig.


Ein König hatte einen Traum. Er träumte eines Nachts, dass ihm all seine Zähne ausfallen. Und der König war neugierig und wollte wissen, was es bedeutet, wenn einem im Traum alle Zähne ausfallen. Er ließ einen Traumdeuter kommen und der Traumdeuter wusste: Jeder Zahn, der einem im Traum ausfällt, steht für einen Verwandten, der sterben wird. Und so sprach er denn zum König: „Euer Majestät, das bedeutet wohl, dass all Eure Verwandten sterben werden.“ – „Bist du des Wahnsinns“, brüllte der König. „Wie kannst du es wagen, mir so etwas zu sagen? Weißt du denn nicht, wen du vor dir hast?“ Und er ließ ihn bestrafen und in den Kerker sperren.

Doch dummerweise war der König immer noch neugierig und wollte wissen, was es bedeutet, wenn einem im Traum alle Zähne ausfallen. Er ließ wieder einen Traumdeuter rufen. Der beste Traumdeuter des Reiches kam von weit her. Auch er wusste, dass jeder Zahn, der einem im Traum ausfällt, für einen Verwandten steht, der sterben wird. Doch er wusste auch, was mit seinem Kollegen passiert ist, der immer noch drunten im Kerker schmorte. So überlegte er eine Weile. Schließlich sprach er: „Majestät das bedeutet wohl, dass Ihr all Eure Verwandten überleben werdet.“

Dies ist meine Signatur-Story. Signatur-Story ist eine Geschichte, die ein Keynote-Speaker immer wieder verwendet und für die er bekannt ist. Quasi ein Markenzeichen. Ich nutze sie seit fast zwei Jahrzehnten als Eisbrecher zu Beginn jedes Vortrages, Seminars, Webinars und Vorlesung zum Thema Präsentation. Sie zeigt so schön, dass es nicht nur darauf ankommt, was wir sagen, sondern wie wir es sagen. Natürlich geht es nicht nur, wie in der Geschichte, um die Wortwahl. Bei der Wirkung von Kommunikation und Präsentation geht es auch um Stimme, Sprechweise, Körpersprache und mehr.


Für Künstler gibt es einen Bestseller namens „Steal like an Artist“. Dort wurde genau das Thema erläutert. Wann ist es verpönt, wann wird es als Kopie, Zitat oder gar Hommage an den Original-Künstler gefeiert? Jahrhunderte wurden und werden teilweise noch immer alte Meister kopiert, um zu lernen. Das gilt nicht als Fälschung. Zu der wird es erst, wenn diese Kopie unter dem Namen des ursprünglichen Künstlers auf den Markt geworfen wird.

Oder die Frage, ob man ein Foto eines bekannten Fotografen als Vorlage für ein Ölgemälde verwenden darf. Auch hier geht es nicht um die rechtliche Situation, die in verschiedenen Ländern ohnehin sehr unterschiedlich ist. Eine der Quintessenzen des Buches: Klauen erlaubt, aber nicht nachmachen oder gar arglistig täuschen. Die Empfehlung: ein Element von diesem Fotografen, ein anderes aus dem Gemälde und ein drittes von einem weiteren Künstler. Und das Ganze im eigenen Stil umgesetzt. So entsteht etwas Eigenständiges.

Das kann auch für Ihre Geschichte gelten: Wenn Sie eine Geschichte entwickeln müssen, weil es aus der eigenen Erfahrung nichts gibt, bedienen Sie sich bei anderen. Aber nicht als Kopie. Sammeln Sie Bausteine und machen Sie etwas Neues daraus. Nennen Sie Ihre Quelle, wo es sinnvoll oder notwendig ist. Ansonsten ist es wie beim Film: Sämtliche Krimi-Varianten hat es längst gegeben. Doch werden sie jedes Mal neuartig erzählt.

Facts tell, Storys sell

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