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Die Wahrheit der Geschichte

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Ich erinnere mich daran, als ich damals in meinem Lieblingscafé in München saß. Jean, der Kellner, war schon jahrelang da – und er kannte viele der Gäste. An diesem Morgen war er wieder besonders humorvoll. Er erzählte einen Schwank aus seiner Kindheit: Und zwar … bla, bla, bla … Und wissen Sie, was das Witzige daran ist? Das ist ungefähr 15 oder sogar 20 Jahre her. Doch ich erinnere mich noch heute an seine Geschichte.

Und, ist diese Beschreibung wahr oder erfunden? Das ist das Gute an Geschichten, wenn Sie nicht dabei waren, können Sie es nicht beurteilen. Und damit auch nicht anzweifeln.

Geschichten müssen nicht wahr sein, sie müssen nur realistisch sein. Sie dürfen Ihre Geschichten abändern – und manchmal müssen Sie das sogar.

Sie tauschen Personen aus, weil statt der Mutter einer Bekannten die Tante einfacher ist. Oder weil ein Stereotyp viele Erklärungen erspart. Auch wenn es gesellschaftlich immer schwieriger wird, Sie dürfen mit Vorurteilen spielen. Oft müssen Sie sogar. Aber nicht mehr mit allen. Heute wird gleich Rassismus, Sexismus oder sonst eine Abwertung gewittert. Seien Sie also sehr vorsichtig mit Stereotypen.

Sie tauschen Namen aus, um lebende Personen nicht zu entblößen. Sie tauschen Ort oder Zeitpunkt der Handlung aus, weil es sie einfacher oder aktueller macht. Sie verändern vielleicht sogar Abläufe und Aussagen – oder das Ende der Geschichte.

Ihre Geschichte verfolgt einen bestimmten Zweck. Dabei ist es nicht wichtig, ob sie sich genau so zugetragen hat. Es geht um Glaubwürdigkeit und nicht Ehrlichkeit. Bei der Gelegenheit (Achtung, Spoiler!): Hänsel und Gretel hat es nie gegeben! So, jetzt ist es endlich raus.

Überprüfbare Aussagen müssen allerdings real sein. Insbesondere das, was im Internet überprüft werden kann. Denn fliegt ein erfundenes Detail auf, ist die gesamte Geschichte und vermutlich sogar die gesamte Präsentation unglaubwürdig geworden. Auch, wenn alles andere wahrheitsgemäß und korrekt ist. Wer einmal lügt …

Also erzählen Sie Ihre Geschichte so, wie es Ihr Ziel am besten unterstützt, und nicht so, wie sie sich genau zugetragen hat. Aber bitte nicht jedes Mal anders – womöglich vor demselben Publikum.

Meine kleine Geschichte vorhin spielte tatsächlich nicht in meinem Lieblingscafé in München, sondern im Stammhotel meiner Eltern in den Ötztaler Alpen und nicht vor 15 oder 20 Jahren, sondern in meiner Kindheit, also vor 45 oder 50 Jahren, und der Kellner hieß Paul und nicht Jean, war Kärntner und nicht Franzose. Warum habe ich sie abgeändert? Nur, um diese Möglichkeit hier zu illustrieren.

Facts tell, Storys sell

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